Zäsur

Die deutsche Literaturgeschichte lässt sich in zwei Großepochen einteilen: vor Martin Opitz und nach Martin Opitz. Alles, was vor Opitz gedruckt und vor allem gereimt wurde, kommt einem Muttersprachler heute falsch vor. Denn: Nach dem Erscheinen von Opitz’ »Buch von der Deutschen Poeterey« im Jahr 1624 schrieben die Deutschen jahrhundertelang genauso, wie Opitz es festgelegt hatte.

So forderte Opitz für die Reim- und Verskunst, diese müsse die natürliche Wortbetonung beachten, was seither als Selbstverständlichkeit gilt. Hingegen hatte der Meistersinger Hans Sachs Worte wie genannt und Bedarf noch auf der ersten Silbe betont. Unreine Reime wie Höhen/stehen untersagte Opitz. Willkürliche Wortkürzungen, mit denen Dichter vorher der Sprache Gewalt angetan hatten wie eim statt einem, verbannte er ebenfalls. Dies betraf zunächst nur die Dichtung, doch auf lange Sicht trug es zu einer Aufwertung des Deutschen als Literatursprache bei. Opitz’ Nachfolger als Sprachreformer, Johann Christoph Gottsched, lobt 1739 in einer Rede zum 100. Todestag des Dichters, Opitz habe das Deutsche erst auf ein Niveau gebracht, das den Ansprüchen an eine gehobene Sprache genüge.

Opitz führte zudem mindestens einen poetologischen Fachausdruck in die deutsche Sprache ein, der heute bildungssprachlich oft benutzt wird, aber in einem anderen Sinne: Zäsur. Über die Versform des Alexandriner erklärt Opitz: »Es muß aber allezeit die sechste sylbe eine caesur oder abschritt haben / und masculinae terminationis, das ist / entweder ein einsylbig wort sein / oder den accent in der letzten sylben haben.« Da frühere Belege für die Verwendung des Wortes nicht zu finden sind, darf Opitz als derjenige gelten, der das lateinische Wort caesura (›Sinneinschnitt, Pause in einer Verszeile‹) eindeutschte. Von da an war der Terminus in der deutschen Dichtungstheorie geläufig.

Im 18. Jahrhundert konnte das Wort Cäsur – nun schon meist mit ä statt ae – in der Musik eine kurze Pause bezeichnen. So verwendete es beispielsweise Johann Joachim Quantz, der Flötenlehrer Friedrichs des Großen, in seinem Lehrbuch für die Querflöte. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm Cäsur dann die bildungssprachliche Bedeutung ›Trennung‹ oder ›(historischer) Einschnitt, bedeutsame Veränderung‹ an. In den Reichstagsprotokollen findet man es ab Mitte der 1870er-Jahre in diesem Sinne. Die Schreibung mit Z setzte sich im Ersten Weltkrieg durch, als man – so lächerlich das heute auch klingen mag – durch die Eliminierung des vermeintlich undeutschen C am Anfang seine vaterländische Gesinnung demonstrieren wollte.