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Tod im Dschungel

Tom zog so heftig an Storms Zügeln, dass der Hengst beim Wenden fast den Halt verlor.

„Wir reiten zum Hohlweg zurück!“, schrie Tom Elenna über die Schulter zu.

Silver preschte voran und Storm streckte sich im Galopp. Sie rasten den Weg zurück, den sie gekommen waren. Elenna klammerte sich an Tom fest, der mit schweißnassen Händen die Zügel gepackt hielt. Überall war Staub und die winzigen Körnchen stachen Tom in die Augen.

„Sie kommen näher!“, schrie Elenna.

Tom drückte Storm die Fersen in die Flanken. Der Hengst nahm daraufhin all seine Kraft zusammen und wurde noch schneller.

Der Weg fiel so plötzlich nach unten ab, dass Tom und Elenna beinahe über Storms Hals gesegelt wären. Der Hengst suchte mit rutschenden Hufen nach Halt.

„Wir müssen vom Weg herunter und uns irgendwo verstecken!“, rief Elenna.

Tom lenkte Storm ins Unterholz und Silver blieb dem Hengst dicht auf den Hufen. Der Lärm hinter ihnen schwoll an. Es klang wie eine riesige, heranbrausende Welle.

Einen Herzschlag später rasten die Tiere auch schon an ihnen vorbei. Tom und Elenna starrten wie gebannt durch die Büsche. Im Hohlweg hallten die Schreie und der Hufschlag der Tiere wider. Antilopen jagten den Pfad entlang und kamen dicht an ihrem Versteck vorbei. Tiger, deren weiße Bäuche kurz aufleuchteten, bevor sie das andere Ende des Hohlwegs erreichten, sprangen über ihre Köpfe. Als es schließlich wieder ruhig wurde, holte Elenna tief Luft. „Welches Biest kann einen ganzen Dschungel in Angst und Schrecken versetzen?“

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Tom war entschlossen, keine Panik aufkeimen zu lassen. „Es wird Zeit, das herauszufinden“, sagte er.

Sie gingen den Hohlweg zurück zum Rand des Dschungels, der ohne seine Bewohner seltsam still erschien. Das Blitzen hatte aufgehört, aber der schwarze Riss am Himmel pulsierte und zitterte unverändert. Die Ränder verschwanden im Rauch, der von den brennenden Dschungelbäumen aufstieg.

„Die Bäume hier wachsen zu dicht, um zu reiten. Wir müssen laufen“, sagte Tom.

Er stieg ab und wickelte sich Storms Zügel um den Arm. Elenna sprang aus dem Sattel und nahm ihre Armbrust.

„Die Stille gefällt mir nicht“, sagte sie und sah sich um. „Sie ist so unnatürlich.“

Während seiner unterschiedlichen Missionen war Tom schon mehrmals im Dschungel gewesen, aber dieser hier war der unheimlichste von allen. Das einzige Geräusch in der Stille war das Knacken der Äste unter ihren Füßen. Mit einer Hand berührte Tom den magischen gelben Juwel an seinem Gürtel, der sein Erinnerungsvermögen stärkte. Die verschlungenen Pfade des Nebeldschungels, die sie entlanggingen, erschienen ihm im Geiste wie eine Landkarte. „So können wir wenigstens wieder zurückfinden“, dachte er.

Das Licht, das durch das Blätterdach fiel, wurde schwächer. Dort, wo Bäume umgestürzt waren, durchbrachen Sonnenstrahlen das Grün. Die Bäume waren verkohlt und kahl.

Elenna hustete und hielt sich den Ärmel vor den Mund. Der Qualm wurde dichter und wirbelte um sie herum. Storm wieherte verunsichert.

Vom Biest fehlte jede Spur. Tom fühlte sich so schutzlos wie eine Fliege, über der eine riesige, unsichtbare Hand schwebte, bereit zuzuschlagen.

„Wenn wir nur wüssten, was für ein Biest Nergato ist“, sagte Elenna. „Ich wünschte, es würde sich zeigen.“

„Das wird es“, erwiderte Tom und sah sich aufmerksam um. „Wir müssen nur Geduld haben.“

Silver lief auf eine ausgebrannte Lichtung. Auf einmal blieb er stehen und heulte. „Er hat etwas gefunden“, sagte Elenna. Sie rannte zu ihm und stieß einen entsetzten Schrei aus.

Tom trat zu ihr. Ein Knäuel verbrannter Affenkörper lag vor seinen Füßen. Wut stieg in ihm auf.

„Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass wir von den Soldaten geschnappt werden“, murmelte er. „Wenn ich schneller gewesen wäre …“ Seine Stimme versagte und er deutete wortlos auf die unschuldigen Affen.

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„Es ist nicht deine Schuld“, sagte Elenna. „Es ist Malvels. Vergiss das nie.“

Tom nickte und umschloss sein Schwert fester. „Solange Blut in meinen Adern fließt, werde ich nicht eher ruhen, bis Malvel erledigt ist“, schwor er. „Egal wie lange es dauern mag.“