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J. ThiemannEntwicklung von Planspielen für die Lehreessentialshttps://doi.org/10.1007/978-3-658-40263-1_2

2. Das Konzept Planspiel

Jörg Thiemann1  
(1)
Fachhochschule Südwestfalen, Meschede, Deutschland
 
 
Jörg Thiemann
Im nächsten Schritt wird sich genauer mit der Lehrmethode des Planspiels beschäftigt. In der gängigen Literatur finden häufig die Begriffe „Simulation“ und „Planspiel“ synonym Verwendung (z. B. Schwägele, 2015, S. 51; Muno, 2018, S. 5; Jüngling, 1995, S. 115 f.). Herz (2000) betrachtet hingegen, wie in Abb. 2.1 dargestellt, die Simulation als einen Bestandteil von Planspielen. Laut Herz besteht ein Planspiel aus drei Hauptbestandteilen. Diese sind die Simulation des zu betrachtenden Realitätsausschnitts, das Regelspiel und das Rollenspiel (vgl. Herz, 2000, S. 17).
Abb. 2.1

Hauptbestandteile eines Planspiels (Thiemann, 2019, S. 93)

2.1 Regelspiel

In einem Planspiel dienen Regeln in erster Linie zur Beschränkung u. a. der Realität, damit sich die Lernenden auf die zu erwerbenden Lehrinhalte konzentrieren können. So können Regeln, welche sich oft während dem Verlauf eines Planspiels ändern können, zur situativen Lenkung der Lehrinhaltsvermittlung genutzt werden. Regeln und deren Veränderung im Zeitablauf ermöglichen hierdurch auch ein zielgerichtetes und vorsichtiges Herantasten an Inhalte komplexer Themenbereiche.

2.2 Simulation

Simulation (lat. „simulare“) bedeutet „nachbilden, nachahmen oder vortäuschen“. Im Zusammenhang mit Planspielen wird Simulation als die reduzierte Nachbildung eines realen Bezugssystems gesehen, die einen Raum für experimentelles Handeln schafft, um an Erkenntnisse für das Handeln in der Realität zu gelangen (vgl. Schneider, 2011, S. 6; VDI-Richtlinie 3633, S. 16). Auf die Planspielentwicklung angewandt, bedeutet dies eine reduzierte Nachbildung der Handlungswelt, bei der jedoch einzelne Elemente dieser reduzierten Handlungswelt aufeinander abgestimmt werden müssen, um so eine Lernwelt zu schaffen. Daraus folgt, dass eine Simulation, wenn auch reduziert, eine in sich stimmige und anwendbare Lernwelt schaffen muss. Mit ihrer Hilfe und der Gestaltung der weiteren Lernumgebung sollen dann inhaltliches Wissen und Kompetenzen gebildet und trainiert werden. In Abb. 2.2 sind einige Aspekte zum Begriff „Simulation“ zusammengefasst.
Abb. 2.2

Aspekte des Begriffs „Simulation“.

(In Anlehnung an Schwägele, 2013)

2.3 Rollenspiel

Der Begriff Spiel aus dem Wort Rollenspiel stammt vom althochdeutschen Wort „spil“ für Tanzbewegung ab und zählt zu den evolutionär ältesten menschlichen Lernbeschäftigungen (Marr, 2010, S. 14). Diese ungezwungene Lernbeschäftigung, die von diversen Lebewesen betrieben wird, um kognitive und motorische Fähigkeiten zu entwickeln, dient auch zur Bildung sozialer Kompetenzen (vgl. Becker et al., 2015, S. 38 f.). Huizinga definiert das Spiel auf den Menschen bezogen, als eine reglementierte Tätigkeit, welche aus Freude an dessen Ausübung zur Entspannung dienen soll (vgl. Huizinga et al., 2004, S. 9). Laut Geuting ist ein Spiel in Regel- und Rollenspiel unterteilbar. Ihm zufolge sind Regelspiele hochgradig formalisierte Spiele mit einer sehr hohen Abstraktion der Realität (vgl. Geuting in Herz, 2000, S. 17). Ein klassisches Beispiel hierfür ist das Schachspiel. Bei Rollenspielen werden vorgegebene Spielwelten durch die Teilnehmenden psychologisch gestaltet und beeinflussen diese wiederum subjektiv (vgl. Dahrendorf, 1979).

2.4 Planspiel

Schließlich ist der Begriff des Planspiels als Oberbegriff zu definieren. Planspiele sind, wie bereits erörtert, aus Simulation, Regelspiel und Rollenspiel bestehende, dynamische Modelle, die zur Simulation einer Systemdynamik genutzt werden (vgl. Ameln & Kramer, 2016, S. 151; Herz, 2000, S. 17). Im Folgenden bezieht sich diese Ausarbeitung auf die Planspieldefinition nach Geuting (2000) und ist im Speziellen auf Gruppenplanspiele fokussiert, d. h. auf Planspiele, in denen mehrere Teilnehmende involviert sind. Daraus folgt die Arbeitsdefinition, dass ein Planspiel eine methodisch organisierte Tätigkeit ist, bei der mehrere Spielteilnehmende sich zu Gruppen zusammenschließen und in wechselnden Rollen, Szenen und Situationen interagieren. Durch die Gruppenbildung kann ein Wettbewerb entstehen, der den Ehrgeiz für effizientes und zielorientiertes Handeln steigert (vgl. Herz, 2000, S. 15 f.).

Allerdings gibt es noch weitere Aspekte des Planspielbegriffs, die hier nicht unerwähnt bleiben sollten und die zum Teil in Abb. 2.3 aufgeführt sind. Nach Taylor und Walford können durch Planspiele Konsequenzen erfahren werden, die sich durch Interaktionen während des Planspiels ergeben (vgl. Taylor & Walford, 1974, S. 2). Laut Rebmann besteht in Planspielen die Möglichkeit, Konflikt- und Problemsituationen zu erzeugen bzw. nachzuspielen, in denen die Planspielteilnehmenden unter einer bestimmten und teilweise bewussten Zielsetzung handeln (vgl. Rebmann, 2001, S. 2). Für Blötz sind die Handlungserfahrung ein wesentlicher Aspekt für den Einsatz von Planspielen als Lehrmethode (vgl. Blötz, 2005, S. 30). Nach Geilhardt sind Simulationen feste Bestandteile von Planspielen, jedoch sind Simulation und Planspiel nicht gleichzusetzen (vgl. Geilhardt, 1995, S. 49). Geutling sieht als wesentlichen Aspekt von Planspielen, dass eine möglichst realitätsgetreue Spielwelt geschaffen wird, die jedoch stark abstrahiert auf wenigen Annahmen beruht. In dieser stark vereinfachten Spielwelt agieren und interagieren die Planspielteilnehmenden (vgl. Geutling, 1992, S. 27).
Abb. 2.3

Aspekte des Begriffs „Planspiel“. (i. A. a. Schwägele, 2013)

2.5 Historie des Planspiels

Planspiele wurden bereits vor mehr als 2000 Jahren zum Trainieren und Erlernen von Fähigkeiten genutzt. Das indische Brettkampfspiel Chaturango (ca. 1000 v. Chr.) und das ca. 800 v. Chr. in Persien entwickelte Schach gelten als Vorgänger des heutigen Planspiels (Rohn, 1964, S. 19 f.). Vor ca. 300 Jahren wurden dann die ersten Planspiele eingesetzt, um militärische Strategien zu entwickeln und Militärs zu schulen (Geilhardt, 1995, S. 69 ff.). Im Jahr 1957 kam dann eine privatwirtschaftliche Nutzung hinzu, als die American Management Association (AMA) ihr Planspiel „AMA Top Management Decision Simulation“ der Öffentlichkeit vorstellte (Geuting, 1992, S. 318). Nur sieben Jahre später (1964) entwickelte Professor Hans B. Thorelli in den USA mit dem Planspiel „International Operations Simulation“ eine erste ganzheitliche Simulation eines Unternehmens, inklusive verschiedener simulierter Märkte, auf denen agiert wurde (vgl. Ameln & Kramer, 2007, S. 151). Heutzutage haben sich Planspiele als Lehrmethode beim Erwerb von Kompetenzen etabliert und Einzug in die verschiedensten Bereiche der Bildung gefunden (vgl. Hitzler et al., 2011, S. 12).

2.6 Kompetenzvermittlung bei Planspielen

So vielfältig, wie die mit dem Planspiel als Methode verbundenen Aspekte, sind auch die Anwendungsmöglichkeiten von Planspielen (vgl. Koeder, 2007, S. 35 f.). In Entscheidungssituationen können Planspiele durch das Trainieren von Entscheidungsverhalten die Teilnehmenden unterstützen. Gerade bei komplexen Realitäten können durch das Experimentieren oder das Abstrahieren im Rahmen eines Planspiels optimierte Lösungsansätze hervorgebracht werden (vgl. Geuting, 1992, S. 149). Bei Umsetzungen von der Theorie in die Praxis können Planspiele ebenfalls behilflich sein. So ist es möglich, Mechanismen zu proben und zu variieren.

Ein weiterer Effekt von Planspielen, wie in Abb. 2.4 dargestellt, ist die Entwicklung sozialer Kompetenzen. Durch Reflexion des eigenen Verhaltens im Planspiel, aber auch durch Rückmeldungen anderer Planspielteilnehmenden, kann die Sozialkompetenz geformt und bestimmte Verhaltensweisen entwickelt werden (vgl. Ameln & Kramer, 2007, S. 152; Jeschke et al., 2011, S. 409). Zusammengefasst lassen sich durch Planspiele Fähigkeiten bilden und Techniken bzw. Methoden üben. Koeder kategorisiert das „Üben“ in acht Planspieleffekte (vgl. Koeder, 2007, S. 36):
Abb. 2.4

Planspieleffekte (vgl. Koeder, 2007, S. 36)

  1. 1.

    Übung von Entscheidungsverhalten

    Ein Planspielanlass ist die Entwicklung des Entscheidungsverhaltens. Ob dies mehr intuitiv oder faktenbasiert sein soll, kann geregelt durch Planspiele gelernt werden (vgl. Trautwein, 2011, S. 80). Das Entscheidungsverhalten wird in erster Linie durch das Trainieren der Selbst- und Sozialkompetenz entwickelt.

     
  2. 2.

    Entscheidungsfindung mit komplexen Entscheidungsvorgaben

    Steht die Entscheidungsfindung mit komplexen Entscheidungsvorgaben im Fokus eines Planspiels, können die Teilnehmenden auf bestimmte Aufgaben vorbereitet oder in ihrer Effizienz in Bezug auf die Entscheidungsfindung mit komplexen Entscheidungsvorgaben verbessert werden (vgl. Geuting, 1992, S. 12 f.). Da Planspiele eine Spielwiese bieten, die ohne Konsequenzen für die reale Welt bleiben, kann die Entscheidungsfindung risikolos getestet und entwickelt werden (vgl. Trautwein, 2011, S. 80). Erreichbar ist dies durch eine gezielte Förderung der Fach-, Selbst-, Methoden- und Sozialkompetenz.

     
  3. 3.

    Entwicklung von Verhaltensweisen

    Steht die Entwicklung von Verhaltensweisen im Fokus, findet dies i. d. R. über die Entwicklung der Selbst- und Sozialkompetenz statt. Dies geschieht wiederum mitunter durch Interaktionen, die Einsichten vermitteln und Konsequenzen aufzeigen, welche die Planspielteilnehmenden in einem geschützten Umfeld risikolos erfahren (vgl. McKenney, 1962, S. 278 ff.; Kriz, 2003, S. 506; Geuting, 1992, S. 12).

     
  4. 4.

    Kontrolle und Beurteilung des Spielverhaltens

    Ein Planspiel kann ebenfalls zur Kontrolle und Beurteilung des Spielverhaltens eingesetzt werden. Dies dient dazu, die Fach-, Selbst-, Sozial- und Methodenkompetenz zu beobachten und zu bewerten. Durch eine direkte Rückmeldung und Reflexion während des Planspiels besteht die Möglichkeit, diese Kompetenzen auch während eines Planspiels weiterzuentwickeln (vgl. Kriz, 2003, S. 506).

     
  5. 5.

    Persönlichkeitsbildung

    Steht die Persönlichkeitsbildung im Fokus und ist Ziel eines Planspiels, wird dies meist mit einer Teamfähigkeit im Planspiel verbunden (vgl. Kriz & Nöbauer, 2002, S. 51 ff.). Zur Persönlichkeitsbildung zählt aber auch das bereits erwähnte Entscheidungsverhalten (vgl. McKenney, 1962, S. 278). Die Persönlichkeitsbildung findet i. d. R. über eine Stärkung der Selbst- und Sozialkompetenz statt.

     
  6. 6.

    Entwicklung formaler Fähigkeiten und Techniken

    Die Entwicklung formaler Fähigkeiten und Techniken wird häufig bei Planspielen in der Berufsbildung in den Fokus gesetzt. Es werden Mechanismen und Regeln in das Planspiel eingebunden, die in der realen Berufswelt von Bedeutung sind (vgl. Geuting, 1992, S. 12 f.; Trautwein, 2011, S. 80). Die Entwicklung formaler Fähigkeiten und Techniken wird durch die Stärkung der Fach- und Methodenkompetenz erreicht.

     
  7. 7.

    Umsetzung in Theorie und Praxis

    Wie die Entwicklung formaler Fähigkeiten und Techniken, ist die Umsetzung von Theorie in die Praxis ein zentraler Punkt in der Berufsbildung (vgl. Geuting, 1992, S. 12 f.). Es wird, wie bereits beschrieben, in einem geschützten Umfeld ohne Risiken das Erlernte umgesetzt bzw. erprobt. Dies geschieht ebenfalls über die Stärkung der Fach- und Methodenkompetenz.

     
  8. 8.

    Anregung zum Experimentieren

    Planspiele können auch genutzt werden, um zum Experimentieren anzuregen. Zusammenhänge können risikolos erfahren bzw. gelernt werden (vgl. Ameln, 2016, S. 152; Geuting, 1992, S. 27). Auch in diesem Fall findet eine Stärkung der Fach-, Selbst- und Methodenkompetenz statt.

     
Wie bereits angedeutet, lassen sich die Effekte von Planspielen verschiedenen Kompetenzfeldern zuordnen (Tab. 2.1), welche letztendlich die Handlungskompetenz der Planspielteilnehmenden entwickeln bzw. beeinflussen (vgl. Trautwein, 2011, S. 13 f.). Demnach ist festzuhalten, dass sich Planspiele je nach Fokus und Design auf alle Kompetenzbereiche auswirken können.
Tab. 2.1

Planspieleffekte und Kompetenzen

Planspieleffekte

Kompetenzen

Entscheidungsfindung mit komplexen Entscheidungsvorgaben

Fach-, Selbst-, Methoden- und Sozialkompetenz

Übung von Entscheidungsverhalten

Selbst- und Sozialkompetenz

Entwicklung von Verhaltensweisen

Selbst- und Sozialkompetenz

Kontrolle und Beurteilung des Spielverhaltens

Fach-, Selbst-, Sozial- und Methodenkompetenz

Persönlichkeitsbildung

Selbst- und Sozialkompetenz

Entwicklung formaler Fähigkeiten und Techniken

Fach- und Methodenkompetenz

Umsetzung in Theorie und Praxis

Fach- und Methodenkompetenz

Anregung zum Experimentieren

Fach-, Selbst- und Methodenkompetenz

In einem geplanten Entwicklungsvorhaben eines Planspiels müssen nicht alle Kompetenzen geschult werden. Es macht sogar von Fall zu Fall Sinn, sich auf einige Kompetenzen zu fokussieren, damit das Ziel besser erreicht werden kann.

2.7 Gestaltung von Planspielen

So hängt die Ausgestaltung eines Planspiels immer vom Zweck und Ziel des Planspiels ab (vgl. Blötz, 2008, S. 13 ff.; Ameln & Kramer, 2016, S. 157). Hierbei sind drei Gestaltungseigenschaften maßgebend, die bei einer Planspielentwicklung berücksichtigt werden müssen (vgl. Blötz, 2008, S. 73 ff.). Diese sind neben der Einfachheit, die Genauigkeit und die Allgemeinheit (vgl. Ameln & Kramer, 2016, S. 168).

Nach Thorngate kann sich nur auf jeweils zwei der drei Eigenschaften in einem Planspiel fokussiert werden (Thorngate, 1976, S. 404 ff.). Ist ein Planspiel zu einfach und allgemein gestaltet, ist es zu ungenau, da es weder einen speziellen Fokus noch eine spezielle Anforderung beinhaltet. Wird ein Planspiel hingegen zu allgemein und nicht fokussiert konzipiert, aber zudem zu genau in den einzelnen Teilbereichen, wird es letztendlich zu komplex sein. Dies geschieht i. d. R., wenn ein Planspiel ohne speziellen Fokus zu viele Themeninhalte beinhaltet und ggf. auch zu detailreich geplant wurde. Bei einer zu starken Fokussierung auf das letzte Eigenschaftspaar, die Einfachheit und die Genauigkeit, kommt es zu einer Überspezialisierung des Planspiels. Es werden also einfache, teilweise belanglose Themeninhalte aus der Realität zu genau abgebildet. Diese Zusammenhänge werden in Abb. 2.5 mit Thorngates Planspieluhr (vgl. Thorngate, 1976, S. 404 ff.; Ameln & Kramer, 2016, S. 168) sehr übersichtlich dargestellt.
Abb. 2.5

Planspieluhr (vgl. Blötz, 2008, S. 75, in Anlehnung an Thorngate, 1976, S. 405 ff.)

Bezogen auf die Bestandteile eines Planspiels (vgl. Herz, 2000, S. 17) bedeutet dies, dass Regelspiel, Rollenspiel und die Simulation der Realität jeweils den Gestaltungsregeln nach der Planspieluhr unterliegen. Das Rollenspiel wird durch Regeln und Simulation vorgegeben und im Planspielverlauf durch die handelnden Personen weiter ausgefüllt. So ist die Planspiel-Simulation laut Geilhardt nicht mit einer herkömmlichen Simulation, in der Eingaben und Transformation kontrolliert werden können, gleichzusetzen (Geilhardt, 1995, S. 49 f.). Wie eine Simulation für eine konkrete Verwendung ausgestaltet sein muss, um in Betracht zu kommen, hängt von dem jeweiligen Planspielanlass ab. Dies hängt wiederum davon ab, welche Ziele erreicht bzw. welche Planspieleffekte gewünscht werden (vgl. Koeder, 2007, S. 36 ff.). In Bezug auf die Regelausgestaltung in Planspielen, werden häufig zwei Planspielarten unterschieden.

2.8 Planspielarten

Ein Unterscheidungskriterium für Planspiele ist der Grad der Reglementierung, d. h. inwieweit die Rollen, die Regeln und die gesamte Simulation an sich vordefiniert und flexibel sind. Bei geschlossenen Planspielen sollen die Planspielteilnehmenden primär das erlernen, was die Planspielentwickelnden vorgeben bzw. geplant haben. So sind ebenfalls die Szenarien, Handlungsmöglichkeiten und Bewertungskategorien zum großen Teil vordefiniert (vgl. Blötz, 2005, S. 80). Hingegen werden offene Planspiele nur durch wenige Regularien eingegrenzt. Ziele eines offenen Planspiels sind eher die Entwicklung von Handlungsfähigkeiten als der Erwerb von repetitivem Wissen. Allerdings sollte beachtet werden, dass je offener ein Planspiel gestaltet ist, desto sicherer und erfahrener die Planspielteilnehmenden zu Beginn sein sollten (vgl. Gust und Klabbers in Blötz, 2005, S. 68; Schweiger, 2012, S. 163 ff.).

Neben dem Grad der Regelgebundenheit, der in Abb. 2.6 graphisch abstrahiert dargestellt ist, gibt es noch weitere Unterscheidungsmerkmale von offenen und geschlossenen Planspielen. Zwölf von ihnen sind in den Tab. 2.2 und 2.3 gegenüberstellt.
Abb. 2.6

Planspielregler (Thiemann, 2019, S. 102)

Tab. 2.2

Offene vs. geschlossene Planspiele, Tab. 1 von 2 (vgl. Gust und Klabbers in Blötz, 2005, S. 62 f.)

Tab. 2.3

Offene vs. geschlossene Planspiele, Tab. 2 von 2 (vgl. Gust und Klabbers in Blötz, 2005, S. 62 f.)

Die Tabellen bieten nicht nur die Möglichkeit, ein Entwicklungsvorhaben einzuordnen, sondern es auch zu gestalten. Bei der Gestaltung wiederum ist es aber auch möglich, Teile des Planspiels eher offen und andere Teile eher geschlossen zu designen. Dies bietet die Option, bestimmte Schwerpunkte innerhalb eines Planspiels zu setzen.

2.9 Ablauf von Planspielphasen

Bei geschlossenen, wie auch bei offenen Planspielen, läuft der Durchführungsprozess, grob betrachtet, gleichermaßen ab. Ein Planspiel lässt sich, wie Abb. 2.7 dargestellt, in drei Phasen oder Elemente unterteilen. Diese sind die Einführungsphase, die Spielphase und die Auswertungsphase (vgl. Hitzler et al., 2011, S. 43). Allerdings sind die Phasen nicht immer scharf trennbar und haben teils gezielt Überlappungen.
Abb. 2.7

Struktureller und zeitlicher Ablauf eines Planspiels (vgl. Hitzler et al., 2011, S. 43)

In der Einführungsphase oder auch Briefing genannt, wird den Planspielteilnehmenden das Planspiel nähergebracht und erklärt. Hierzu gehören die Beschreibungen der einzelnen Rollen, das Erklären der Regeln und Planspielmaterialien, aber auch das Vermitteln der Ziele bzw. Lernziele. In dieser Phase wird den Planspielteilnehmenden zumindest das zum Spiel benötigte Grundwissen vermittelt, um das Planspiel durchführen zu können. Hierzu können aber auch theoretische Grundlagen gehören, die in dem Planspiel zum Tragen kommen (vgl. Hitzler et al., 2011, S. 22 f.). Diese Phase wird auch als Aufwärmphase bezeichnet (vgl. Ameln & Kramer, 2007, S. 171), soll also ein möglichst lockeres Eintreten in die Simulation ermöglichen.

Eine etwas differenziertere Betrachtung der Planspielphasen bietet Klippert. Er unterteilt den Planspielverlauf in acht Phasen (vgl. Klippert, 2008, S. 26). Diese sind entsprechend detaillierter und für die Entwicklung eines Planspiels hilfreich (Tab. 2.4).
Tab. 2.4

Planspielphasen (vgl. Klippert, 2008, S. 26 ff.)

Lerntheoretisch betrachtet, durchlaufen die Planspielteilnehmenden in den Planspielphasen – egal, ob diese in drei oder acht Phasen unterteilt werden – mehrfach vier Phasen erfahrungsbasierten Lernens (Abb. 2.8). Diese natürlichen Phasen oder Durchläufe menschlichen Denkens sollten bei der Entwicklung eines Planspiels mitberücksichtigt werden. Es muss also Zeit und Raum hierfür eingeplant sein, um bestmögliche Lernerfolge zu erzielen.
Abb. 2.8

Vier Phasen erfahrungsbasierten Lernens im Planspiel (vgl. Ulrich, 2006, S. 3 i. A. a. Kolb, 1984)

  1. 1.

    Konkret erfahren

    Alle Planspielteilnehmenden machen Erfahrungen, die zwar subjektiv sind, aber in diesem konkreten Fall im Rahmen des Planspiels gesammelt werden.

     
  2. 2.

    Reflektierendes Beobachten

    Im Anschluss und mit einer gewissen Distanz wird das Erfahrene reflektiert und analysiert.

     
  3. 3.

    Verallgemeinern

    Die Ergebnisse des reflektierenden Beobachtens werden dann ggf. induktiv verallgemeinert.

     
  4. 4.

    Anwenden und prüfen

    Im weiteren Verlauf werden diese Induktionsschlüsse und Hypothesen angewandt und ggf. verifiziert, d. h. als eigene Handlungsempfehlung abgespeichert. Die Induktionsschlüsse und Hypothesen, die bis zum Ende des Planspiels Bestand haben, werden dann in die Realität übertragen, um erneut auf ihre Praxistauglichkeit überprüft zu werden. Letztendlich entscheiden alle Teilnehmenden an diesem Punkt, was sie für sich übernehmen, verwerfen oder noch einmal prüfen (vgl. Herz, 2000, S. 39).

     

2.10 Abgrenzung zu ausgewählten didaktischen Methoden

Es gibt allerdings auch didaktische Werkzeuge, die ähnlich konstruiert sind wie Planspiele, jedoch teilweise nur einzelne Elemente von Planspielen enthalten. So werden im Folgenden einige dieser Werkzeuge erläutert und von der Methode des Planspiels abgegrenzt.

Im Kontext mit Planspielen tauchen oft die Begriffe „Serious Gaming“, und „Gamification“ auf (vgl. Schwägele, 2012, S. 28). Diese teilweise synonyme Verwendung dieser Begriffe lässt auf eine mangelnde, einheitliche Definition der einzelnen Begriffe schließen. Aus diesem Grund sollen an dieser Stelle die Begriffe „Serious Gaming“ und „Gamification“ aufgegriffen und abgegrenzt werden.

Serious Gaming

Der Begriff des Serious Gaming ist in der Literatur nicht klar bzw. einheitlich definiert (vgl. Blötz, 2015, S. 158).

Das Fundament des Serious Gaming ist, wie die Bezeichnung vermuten lässt, das Spiel, das mit seinen Inhalten dazu dient, für bestimmte Thematiken zu sensibilisieren, Wissen zu vermitteln und Fähigkeiten zu trainieren. Damit die Spielenden zum Weitermachen motiviert werden, darf die Unterhaltung bzw. das spielerische Element nicht vernachlässigt werden. So ist das Spiel als Motivator zwar ein wichtiger Bestandteil, steht aber nicht im Vordergrund (vgl. Abt, 1970, S. 6). Beispiele für Anwendungen des Serious Gaming sind Flugsimulatoren, bei denen spezielle Manöver und Verfahren trainiert werden, wobei neben dem Lerneffekt auch ein Übungseffekt erzielt wird (vgl. Stieglitz, 2015, S. 3).

Gamification

Laut Deterding werden durch Gamification spielerische Elemente in einen normalerweise nichtspielerischen Zusammenhang gebracht bzw. diese vermischt (vgl. Deterding et al., 2011, S. 10).

Die Methode nutzt den Spieltrieb des Menschen und lässt die Erreichung eines Zieles als erstrebenswert wirken (vgl. Thom et al., 2012, S. 1067). Gamification-Anwendungen zeichnen sich durch drei Gestaltungsmerkmale aus (vgl. Schacht et al., 2016, S. 12):
  1. 1.

    Gamification findet seinen Einsatz in Situationen und Umgebungen statt, in denen normalerweise keine Spiele anzutreffen sind. Hierzu zählen insbesondere Arbeitswelten.

     
  2. 2.

    Eine Gamification-Anwendung ist kein in sich abgeschlossenes Spiel, bedient sich aber verschiedener spielerischer Mechanismen,

     
  3. 3.

    Gamification-Anwendungen haben Regeln, einfache bzw. deklarative Inhalte und zeichnen sich oft durch die Möglichkeit sozialer Interaktion aus.

     

Im Vergleich von Serious Gaming mit der Methode des Gamification nutzt Gamification nur einzelne Spielelemente, mit dem Ziel zu motivieren bzw. positive Effekte zu schaffen (vgl. Strahringer, 2017, S. 5). Im Vergleich zwischen Serious Gaming, Gamification und der Planspielmethode ist festzuhalten, dass Elemente des Serious Gaming und des Gamification einfließen bzw. Bestandteil eines Planspiels sein können. Ist ein Bestandteil eines Planspiels z. B. das Zusammenbauen eines Produktes, so ist dies sicher ein Element, welches dem Gamification zuzuordnen ist.

2.11 Vor- und Nachteile von Planspielen

Um sich einer Methode bewusst zu werden, sollten neben den Vorteilen auch die Nachteile betrachtet werden. Wie bei allen Methoden gibt es auch bei der Planspielmethode Nachteile, welche nicht zwingend auftreten, jedoch bereits bei der Planspielmodellierung beachtet werden müssen. In Tab. 2.5 werden einige Vor-und Nachteile gegenübergestellt.
Tab. 2.5

Vor- und Nachteile von Planspielen.

(in Anlehnung an Koeder, 2007, S. 38; Milling, 1996, S. 228; Pedersen, 2000, S. 102; Prehm & Ehlken, 1995, S. 4 ff.; Heiden et al., 2011, S. 408)

Bei der genaueren Betrachtung der Methodennachteile wird deutlich, dass die Planspielmodellierung einen großen Einfluss auf den Erfolg hat und je genauer die Entwicklung durchgeführt wird, die Nachteile minimiert werden können. Eine solche Minimierung kann mit dem im Folgenden beschriebenen Entwicklungsmodell für die Lerngegenstandsentwicklung bestmöglich erlangt werden.