[Ronco 195] • Höllenfahrt nach Lincoln

[Ronco 195] • Höllenfahrt nach Lincoln
Authors
Conagher, Ken
Publisher
Pabel/Möwig Verlag
Tags
heft-ronco
Date
0101-01-01T00:00:00+00:00
Size
0.17 MB
Lang
de
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13.Juli 1879

Manchmal glaube ich zu träumen. Denn ich sitze einem Mann gegenüber, der weiß, daß ich unschuldig bin und mir vielleicht helfen wird, das zu beweisen.

Noch kennt er mich nicht – jedenfalls nicht direkt – und ahnt nicht, was ich von ihm will. Dieser Mann könnte der Schlüssel sein, meine Rehabilitierung durchzusetzen. Er heißt Richard Dillon und war einmal Major der US-Kavallerie, ein Stabsoffizier, und das ist nicht wenig. Aber er war mehr. Er war Mitglied jener Kommission, die von der Armeeführung eingesetzt worden war, das Massaker im Halcon Canyon zu untersuchen.

Ich habe Informationen, daß er über die tatsächlichen Hintergründe Bescheid weiß, aber gezwungen wurde, darüber zu schweigen.

O ja – sie alle schweigen. Es ist wie Watte oder Nebel. Dieser Mantel des Schweigens umhüllt alles, verbirgt es, um nicht den Schmutz aufzudecken. Der ehemalige Major Richard Dillon wurde gezwungen, die für die Armee bequeme These zu unterstützen, daß ich, der Zivilscout Ronco, der Alleinschuldige an dem Massaker und damit am Tod von mehr als zweihundert Frauen und Kinder wäre.

Kurz nach dem für mich so verhängnisvollen Urteilsspruch des Militärgerichts, durch den ich zum Geächteten wurde, verlor Major Dillon seinen Rang und mußte den Dienst quittieren. Ein Offizier hatte seine Schuldigkeit getan und durfte gehen. Er wußte zuviel, vermutlich wurde er der Armeeführung unbequem. Immerhin aber schaffte es der Exmajor Dillon nach dem Militärdienst, auch im Zivilbereich eine Position zu erringen. Er wurde Bürgermeister in der Stadt Del Norte.

Ein tüchtiger Mann. Und dennoch jetzt in Schwierigkeiten. Eine Bande von Falschspielern und Revolvermännern hat die Macht in Del Norte an sich gerissen und Dillon ausgebootet. Er stand den Kerlen im Weg. Mit einer gemeinen Intrige gelang es ihnen, ihm eine Falle zu stellen und zum Mörder zu stempeln.

Ironie des Schicksals? Richard Dillon befindet sich jetzt in einer ähnlichen Situation wie ich. Man klagt ihn eines Verbrechens an, das er nicht begangen hat. Nur die Indizien sprechen gegen ihn – wie bei mir.

An diesem Punkt werde ich ansetzen. Ich werde ihm sagen, daß alles das, was er in den letzten Tagen erdulden mußte, nichts ist gegen das, was ich in den letzten Jahren durchstehen mußte. Ich werde ihm sehr hart vorhalten, daß er durch sein Schweigen an meinem Schicksal mitschuldig wurde. Vielleicht besinnt er sich dann.

Man sagte mir, er sei ein guter Mann. Das ist meine Chance. Denn ein guter Mann sollte wissen, wo er steht. Kann er sich jetzt noch, nach all den Jahren, der Armee gegenüber loyal verhalten? Und wie weit berührt ihn jetzt menschliches Schicksal? Das Schicksal des ehemaligen Zivilscouts Ronco, der zum Geächteten wurde? Ein Geächteter kann auch Richard Dillon werden – Exmajor und Bürgermeister von Del Norte. Wir werden sehen.

Ich habe Zeit, um meine Geschichte weiterzuschreiben, die Geschichte meiner Kindheit …