[Ronco 340] • Heiße Grenze

[Ronco 340] • Heiße Grenze
Authors
Elliot, Jim
Publisher
Pabel/Möwig Verlag
Tags
heft-ronco
Date
0101-01-01T00:00:00+00:00
Size
0.17 MB
Lang
de
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4. Dezember 1881

Es ist schon fast ein Jahr vergangen, seit ich zu den Texas Rangers gestoßen bin. Mein Leben hat sich geändert, aber nicht verwandelt. Auch jetzt komme ich tagelang nicht aus dem Sattel, durchstreife wieder die Wüsten und Prärien, die mir aus meiner Verbannungszeit noch so gut in Erinnerung sind. Nur jage ich jetzt die Männer, von denen ich, früher gejagt wurde.

Die kleinen Handlanger der großen Verbrecher, die dem Gesetz die Macht ihres Geldes entgegenstellen, haben keine Prämie mehr zu erwarten, wenn sie sich mir in den Weg stellen. Ich kämpfe nicht mehr um mein persönliches Recht und um ein gerechtes Schicksal. Der Stern der Texas Ranger verpflichtet mich dazu, für alle zu kämpfen, die guten Willens sind. Für das Gesetz, das jedem von uns Gerechtigkeit verspricht.

Nur das hat sich in meinem Leben verändert, der Sinn meines Kampfes. Die Strapazen und Anforderungen meines Daseins hingegen sind die gleichen geblieben. Vielleicht haben sie sogar noch zugenommen, wenn ich an meine letzten Aufträge denke.

Früher kämpfte ich gegen Männer, die mir ihr eigenes Gesetz aufzwingen wollten, die es skrupellos zurechtbogen, weil sie die Macht dazu besaßen. Heute versuche ich, die Gemeinschaft vor dieser Willkür zu schützen.

Als ich dieses Tagebuch zu schreiben begann, war ich noch das Opfer einer korrupten Justiz. Ich wollte mich mit meinem Tagebuch rechtfertigen, meine Unschuld beweisen, etwas hinterlassen, aus dem andere lernen konnten. Rechenschaft ablegen vor mir selbst und meinen Nachkommen. Inzwischen bin ich rehabilitiert, aber damit ist der Sinn meines Tagebuchs nicht aufgehoben oder verändert worden.

Die kritische Auseinandersetzung mit sich selbst schärft den Blick für unsere Mitmenschen und vertieft das Verständnis für unsere Umwelt. Es ist gut, mit sich selbst hart ins Gericht zu gehen, ehe man über andere richtet. Ich verstehe jetzt mein Tagebuch als eine Notwendigkeit, mich ständig von neuem zu prüfen.

Wer den Stern trägt, muß das Gesetz vertreten, das Gerechtigkeit für jedermann verspricht. Früher, als Outlaw, hätte ich nur höhnisch darüber gelacht, wenn mir jemand gesagt hätte, Gesetz und Gerechtigkeit wären ein und dasselbe.

Doch in den Jahren davor, als ich noch Armee-Scout in Fort Calhoun in Texas war, hätte ich leidenschaftlich dagegen protestiert, daß die Welt mehr Unrecht kannte als Gerechtigkeit. Gab es denn ein besseres Ideal als die Gerechtigkeit, eine andere Möglichkeit, das Leben einer Gemeinschaft sinnvoll zu gestalten? Nein. Also mußte auch die Welt so sein, wie ich sie mir vorstellte. Fehlerhaft zwar, aber im großen und ganzen in Ordnung.

Damals, im Frühjahr des Jahres 1866, begann die Auseinandersetzung mit jenen Männern, die das Gesetz mit Füßen traten und mich aus der Gesellschaft ausstießen. Ich mußte erfahren, wie schwer es ist, sich an Ideale zu halten, wenn man ungerecht behandelt wird. Wie verdammt schwer das ist, trotzdem ein Mensch zu bleiben, der das Richtige tut. Was für eine verflucht schwere Aufgabe das sein kann, wenn man hungert, friert, kein Zuhause hat, verzweifelt ist.

Ich wußte noch nicht, daß diese Welt ständig darum kämpfen muß, einigermaßen in Ordnung zu bleiben. Und daß der Glaube an ein Ideal nicht viel wert ist, wenn er sich nicht in härtester Prüfung bewährt oder behauptet.

Heute bin ich bescheidener geworden. Die Gerechtigkeit ist schwer, aber keine unlösbare Aufgabe …