[Ronco 140] • Das große Sterben
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- Authors
- Grey, John
- Publisher
- Pabel/Möwig Verlag
- Tags
- heft-ronco
- Date
- 0101-01-01T00:00:00+00:00
- Size
- 0.19 MB
- Lang
- de
27. November 1878
Texas. Sechzig Meilen westlich vom Golf von Mexiko, vierzig Meilen südlich der Sierra Loma Bianca, über uns der wolkenlose Himmel und um uns nichts als die menschenleere Weite.
In der Nacht hat es ein wenig geschneit. Eine Seltenheit so nahe der Golfküste. Bei Sonnenaufgang verwandelten sich die weißen Flecken, die hier und da das Land bedeckten, rasch in Eiswasserpfützen, die bis zum Mittag verdunstet waren.
Das Land ist gut. Hier könnte ich leben. Es ist das richtige Land, um eine Farm aufzubauen, Maisfelder anzulegen und Rinder zu züchten. Das Klima ist mild. Die Maisstauden würden hier sechs Fuß hoch werden, und mehr. Der Boden ist fett und schwer, das Gras hoch und saftig. Ein Paradies für Rinder.
Ich könnte ein Haus bauen, aus sauber geschälten Palo-Verde-Stämmen, einen Stall, eine Scheune, Korrals. Ich könnte einen Brunnen ausheben und …
Träume!
Lobo ist bei mir. Es ist gut. nicht allein zu sein. Wir rasten neben einem Wasserloch.
Es ist mir schon schlechter gegangen. Ich muß zufrieden sein. Meine letzte Schußwunde im Bein ist verheilt. Manchmal juckt die vernarbte Wunde noch ein bißchen. Das wird sich bald geben. Mit der Zeit gibt sich alles. Auch die Träume. Davor habe ich Angst. Ohne Träume gibt es keine Hoffnung. Und ohne Hoffnung ist das Leben sinnlos. Ich weiß es, muß es wissen. Aber noch kann ich hoffen.
Ich werde keine Farm bauen, keine Maisfelder anlegen, keine Rinder züchten und keinen Brunnen ausheben. Ich werde weiterreiten, weiterhoffen, daß die ewige Flucht, auf der ich mich seit Jahren befinde, irgendwann zu Ende ist, daß die Verfolger auf meiner Fährte irgendwann müde werden.
Sie sind schon wieder unterwegs, während ich hier schreibe. Ich fühle es. Ich habe einen Instinkt dafür. Doch im Moment habe ich Ruhe. Darum kann ich weiter an meiner Geschichte schreiben.
Je mehr ich kämpfen muß, um so sicherer bin ich, daß es wichtig ist, alles aufzuschreiben, was hinter mir liegt und zu meinem heutigen Leben geführt hat. Sollte mich irgendwann eine Kugel treffen, bevor ich mich rehabilitieren konnte, sollen wenigstens diese Aufzeichnungen bleiben. Wenn das passiert, wird Lobo diese Hefte nehmen und dafür sorgen, daß sie in die richtigen Hände kommen. Auf ihn kann ich mich verlassen. Bedingungslos. Ich hoffe nur, daß mir genug Zeit bleibt, alles aufzuzeichnen.