Purple Rain · Der Feind in meinem Herzen
- Authors
- Grohne, Sylvie
- Tags
- fantasy
- Date
- 2018-12-01T00:00:00+00:00
- Size
- 1.67 MB
- Lang
- de
Ein Märchen aus Asche Blut
Mit dem todbringenden Virus Purple Rain hat sich die Welt der Menschen für immer verändert. Kreaturen treten aus dem Schatten der Nacht hervor, die River bis dahin für einen Mythos hielt. Die Vampire retten die wenigen überlebenden Menschen mit ihrem Blut vor der Pandemie und versklaven sie anschließend.
Um nicht im Zuchtprogramm zur Sicherung der Nahrungsquelle zu landen, schlüpft die Sechzehnjährige seit Jahren in die Rolle eines Jungen und träumt von einem freien Leben. Doch sie ist Eigentum des Kingdoms New York, bis sie nach einem Fluchtversuch in den privaten Besitz des hochgestellten Delfoy-Clans fällt und dem Vampir Devon als Blutspender zugeteilt wird.
Die Mauern aus Abscheu und Gleichgültigkeit, die die Jugendliche und der Vampir gegenüber dem Schicksal des anderen errichtet haben, bröckeln jedoch bald. Beide müssen erfahren, dass kein Kampf schwerer ist als der gegen das eigene Herz.
Leseprobe:
Es sind nicht nur ein paar dunkelbraune
Haarsträhnen, die vor mir im Waschbecken liegen
und die ich vorsichtig mit den Fingerspitzen berühre. Es ist
auch ein Teil von mir und ich habe verdrängt, dass ich ihn
vermisse. Das Gefühl, das plötzlich in mir hochsteigt, macht
mir solche Angst, dass ich versuche, es zu ersticken, indem
ich leise den Song vor mich hin singe, den Ethan mir
gestern vorgespielt hat: »In your head, in your head,
Zombie, Zombie, Zombie- e -e -e«
»River, beeil dich! Wir müssen gleich los.« Mein Vater
klopft mahnend an die Badezimmertür und seine verhallenden
Schritte sagen mir, dass er sich wieder entfernt.
Seufzend fahre ich mit den Fingern durch mein extrem
kurzes Haar und zupfe die spitz zulaufende Ponysträhne in
Form, die mir fransig ins Gesicht fällt. So tief, dass sie oft
meine Sicht einschränkt, aber das macht mir nichts aus. Ich
habe mir angewöhnt, nach innen zu schauen und meinen
Tagträumen nachzuhängen, um der Wirklichkeit zu entfliehen.
Seit Purple Rain und dem großen Sterben vor sieben
Jahren hat sich die Realität in einen Albtraum verwandelt,
aus dem niemand erwachen wird.
Erneut greife ich nach der Schere auf der Ablage und
schneide mir die Wimpern kürzer, die von Natur aus sehr
lang sind und schnell nachwachsen. Zu feminin, erklärte
Dad irgendwann, dem ich nicht männlich genug aussehen
kann. Manchmal glaube ich, er würde mir am liebsten auch
noch Testosteron spritzen, um die Illusion perfekt zu
machen. So groß ist seine Angst.
Wie jeden Tag zwänge ich meinen Oberkörper in ein
Kompressionsunterhemd, das meine Brüste verstecken soll.
Seit einem halben Jahr erweist sich das als schwieriger,
denn sie haben sichtbar an Umfang zugenommen. Ein Paar
zusammengerollte Socken verschwindet vorne in meiner
Unterhose und beult sie aus. Großzügig tupfe ich Dads
Aftershave auf meine Wangen, verteile noch etwas in
meinem Haar und sehe mit ernster Miene in den Spiegel.
Ich kann mich zwar darin sehen, die grün-blau gesprenkelten
Augen, das trotzige Kinn und die Handvoll Sommersprossen
auf der Nase, aber ich kann mich nicht erkennen.
In den vergangenen Jahren habe ich meine wahre Identität
so gut versteckt, dass ich das Gefühl habe, mich in dieser
Zeit selbst verloren zu haben.
»River!« In der Stimme meines Vaters schwingt wie so
oft Angst mit.