Im Bann der Schlange

Strydom, gnomenhaft wie eh und je, kniete mit seiner neuen Plastikschürze — von der seine Frau die Rüschen entfernt hatte — neben einer Pythonschlange mit eingeschlagenem Schädel und nimmt äußerst genau Maß mit einem Bandmaß. Neben ihm lag eine Leiche mit roten Augäpfeln und fleckiger Haut, die Arme sittsam unter einem Morgenmantel über der Brust verschränkt.

«Oh, die», sagte Kramer.

Sonja Bergstroom tanzt allabendlich im Nachtclub Wigwam mit ihrer großen Pythonschlange Clint. Eve, wie ihr Künstlername lautet, kennt die Wünsche ihrer Schlange und die ihrer Kunden. Und bisher ist sie immer mit beiden fertig geworden. Aber natürlich möchte sie nicht gerade ihren Lebensabend in Trekkersburg beschließen. Vielleicht hilft da eine kleine mitternächtliche Feier mit dem neuen Kunden, der sich als ihr Manager anbietet. Auch wenn Eve sich keine allzugroßen Illusionen macht. Sie hat allerdings nicht mit Clints Reaktion gerechnet.

Lieutenant Tromp Kramer plagen unterdessen ganz andere Sorgen. In Peacevale und Umgebung treiben zwei Gangster ihr Unwesen, überfallen am hellichten Tage kleine Händler und Ladenbesitzer und verpassen ihnen als Andenken noch ein Loch in den Kopf. Zielsicher und schußkräftig. Und Zeugen gibt es in Peacevale nicht. Rein, peng, raus. Blitzschnell brausen die Gangster weg mit ihrer kleinen Beute aus der Ladenkasse. Also schickt man Constable Hein Wessels undercover auf die Straße.

Derweil glaubt Wigwam-Manager Monty Stevenson mit dem «Doppelmord» an Eve und Clint große Schlagzeilen und Reklame für seine Nachtbar machen zu können. Aber er hat seine Publicity-Rechnung ohne Kramer gemacht. Der sperrt ihn ein und «kocht ihn weich». Bis Monty keinen Ausweg mehr sieht.

«Fragt Shirley», schreibt er als letztes. Der 1939 in Johannesburg geborene James McClure verwendet das Südafrika der sechziger Jahre als lebendige Szenerie für seine authentischen Kriminalromane, die mehrfach ausgezeichnet wurden. In seinen Romanen mit Lieutenant Tromp Kramer und Bantusergeant Michael «Mickey» Zondi beschreibt McClure die alltägliche Apartheid ohne sozialromantische Anklage, aber mit dem scharfen Blick für den allgegenwärtigen Rassismus einer Kleinstadt. In der Reihe der rororo thriller liegen vor: Die schwarze Hexe (Nr. 3078), Begräbnis inklusive (Nr. 3112), Nachtspiele (Nr. 3122) und Beichtgeheimnisse (Nr. 3123).