Lord Gamma

Lord Gamma
Authors
Marrak, Michael
Publisher
Bastei/Lübbe Verlag
Tags
roman
ISBN
9783404243013
Date
2002-04-15T00:00:00+00:00
Size
0.57 MB
Lang
de
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Bei diesem Roman ging es mir so, wie es mir mit Romanen

viel zu selten geht: Ich las die erste Seite und dachte: "Holla!" Ich las das

erste Kapitel und konnte nicht mehr aufhören zu lesen. Das war mehr als nur

"passabel", mehr als nur "gut": Ich hatte einen hervorragenden SF-Roman

entdeckt.

Was erwarten wir von einem hervorragenden SF-Roman? Erstens, eine

fantastische Story. In Lord Gamma rollt ein Mann mit einem Pontiac ohne

Motor eine schnurgerade, ewig abwärts führende Straße entlang, durch eine

Landschaft, die sich alle 180 Kilometer wiederholt, um aus Atombunkern Klone

seiner Frau zu retten, die er anschließend erschießen muss. Wenn das keine

abgedrehte Story ist, dann weiß ich auch nicht. Zweitens, spannend soll es sein.

Diesbezüglich bin ich extrem empfindlich, man könnte auch sagen intolerant. Ein

Buch, das mich langweilt, fliegt ins Eck, es mag hochgelobt sein, wie es will.

Man mag es also als besonderes Gütesiegel nehmen, wenn ich sage, dass ich mich

kaum erinnern kann, wann ich das letzte Mal ein Buch so verschlungen habe wie

Lord Gamma. Ich kann jedem nur empfehlen, einfach mal das erste Kapitel

zu lesen. Wer danach nicht wissen will, wie es weitergeht, dem ist nicht mehr zu

helfen.

Bemerkenswert an dieser Stelle, wie gekonnt Marrak die Fallstricke umgeht,

die im Grundansatz seiner Geschichte lauern. Eine Fahrt durch eine Landschaft,

die sich alle 180 Kilometer wiederholt: Da hätte die Versuchung groß sein

können, in eine Art Zehn-kleine-Negerlein-Schema zu verfallen, ins

Episodenhafte, sich ebenfalls alle paar Kapitel in Variationen wiederholend.

Eben dieser Gefahr entgeht Lord Gamma mit Bravur. Stan Ternasky, der

Held, dringt in mehrere Bunker ein -- aber was er darin erlebt und wie es

jeweils weitergeht, ist immer überraschend und nie auch nur ansatzweise

vorhersehbar.

Drittens, wir erwarten, dass diese fantastische, spannende Story in guter

Sprache erzählt wird. Bezüglich Lord Gamma ist zu vermelden, dass der

Autor die Sprache souverän beherrscht, ohne uns diese Tatsache in jedem Satz auf

die Nase binden zu müssen. Es liest sich gut weg, und nur wenn man (so man es

fertig bringt) innehält und sich alles genauer anguckt, stellt man fest, wie

variantenreich und gekonnt hier erzählt wird, wie Duktus, Tempo und Farbe der

Sprache changieren, sich dem, was da geschildert werden soll, so

unauffällig-wirkungsvoll anpassen wie gute Filmmusik einem Film.

Viertens erwarten wir von einem hervorragenden SF-Roman, dass er uns zum

Denken anregt. Bei Lord Gamma muss man eine ganze Menge denken, weil die

Geschichte ein Fragezeichen aufs andere häuft und man nur noch wissen will, was

um alles in der Welt hinter all dem stecken mag, und so kommt man mit hochtourig

laufendem Denkapparat im letzten Teil des Buches an, nur um festzustellen, dass

man immer noch mal verblüfft werden kann. Mir jedenfalls ging es so, dass ich am

Schluss in jenem Zustand war, den gute SF hervorruft: Mit neuen, geradezu

fremden Augen auf die Welt, das Universum und das eigene Leben blickend und nur

noch staunend über alles und jedes. --Andreas Eschbach (Das Jesus

Video)