Mürauer Erinnerungen
- Authors
- Appel, Ferdinand & Weiser, Erwin
- Publisher
- Kommissionsverlag: Adolf Gödel
- Tags
- erinnerungen
- Date
- 0101-01-01T00:00:00+00:00
- Size
- 3.14 MB
- Lang
- de
„Als mit dem deutschen Zusammenbruch, im Mai 1945, die sudetendeutschen Gebiete von sowjetrussischen Truppen besetzt wurden, folgten die allgemein bekannten Plünderungen, Vergewaltigungen und andere Schandtaten. Der überwiegende Teil der Sudetendeutschen war in Unkenntnis über die Nachkriegsabsichten des ehemaligen tschechischen Staatspräsidenten Dr. Benesch und seiner Mitarbeiter im Exil. Man erhoffte sich nach den Schrecken und Gewalttaten der sowjetischen Besatzung, nach Übernahme der Polizei und Verwaltung durch die Tschechen, eine allgemeine Beruhigung. Es gab ein schreckliches Erwachen nach diesem Traum. Die von den zentralen tschechischen Stellen organisierten und dirigierten Einsatztruppen und der Mob brachten eine ganz schreckliche Fülle von Mord, Gewalttat, Mißhandlung, Schändung, Raub und Diebstahl mit sich. Es folgten die berüchtigten Dekrete des Präsidenten Dr. Benesch, die deutlich zeigen, wie systematisch hier das Verbrechen des Völkermordes (Genozid) am sudetendeutschen Volk geplant und ausgeführt wurde1).
Uns interessiert hier besonders das Dekret vom 19. 6. 1945 (Sammlung der Gesetze und Verordnungen Nr. 16), welches „die Bestrafung nazistischer Verbrecher, Verräter und ihrer Helfer“ anordnet und die außerordentlichen Volksgerichte einsetzt. Nach diesem Dekret ließ sich bei jedem Deutschen, auch wenn er nicht Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen war, infolge der Elastizität seiner Paragraphen ein Fall von Hochverrat konstruieren. Diesem Dekret verdanken wir unsere Verurteilung zu langjährigem schweren Kerker und zu Zwangsarbeit. Zehntausende Sudetendeutscher, Reichsdeutscher, Österreicher u. a. hat dieses Unheilsdekret der Freiheit beraubt, Hunderte wurden von einer wütend gewordenen Justiz gemordet, hingerichtet, Tausende starben in den tschechischen Kerkern.