[Gutenberg 47070] • Unter den Wilden: Entdeckungen und Abenteuer

[Gutenberg 47070] • Unter den Wilden: Entdeckungen und Abenteuer
Authors
Heilborn, Adolf
Publisher
VERLAG VON RICH. BONG IN BERLIN
Tags
voyages and travels , discoveries in geography -- juvenile literature
Date
2014-10-10T00:00:00+00:00
Size
2.70 MB
Lang
de
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In jedem gesunden Kinde steckt ein gut Stück Robinsonsehnsucht. Sie ist der letzte, kulturgezähmte Rest uralter Wanderlust, uralten Abenteuerdranges der Menschheit. Wie wir uns immer wieder in Pfeil und Bogen uralte Waffen verfertigen, im Spiele Hütten bauen oder Höhlen als Schlupfwinkel wählen, wie es uns immer wieder zum Tiere zieht, es zu liebkosen und uns gefügig zu machen, so überfällt uns eines Tages quälende Robinsonsehnsucht, und mit blanken Augen und roten Wangen verschlingen wir dann alles, was sie zu stillen uns verheißt. Unsterblicher Robinson, unsterblicher Lederstrumpf, roter Freibeuter, Peter Simpel und wie ihr euch sonst noch nennt, die ihr alle etwas von einem Don Quichotte habt und Väter einer so langen und manchmal auch recht langweiligen Reihe von Nachtretern geworden seid ... wie jedes echte Kind hab ich euch immer von neuem gelesen, bis ich euch fast auswendig konnte, und bis ich eines Tages in meines lieben Vaters Bücherschrank auf andre Helden und andre Abenteuer traf, Helden von Fleisch und Blut, wirkliche Menschen, nicht nur am Schreibtisch erdachte Gestalten, und Abenteuer, die wirklich erlebt, in Not und Tod, nicht nur zur Spannung naiver Leser ersonnen. Da standen in großmächtigen, altertümlichen Lederbänden mit roten und schwarzen Schildern auf dem goldgepreßten, dicken Rücken die Entdeckungsreisen des Kapitän Cook, sechs stattliche Bände, daneben die Reisen von Wallis, von Byron, von Carteret, von Meares, Portlock ... Reisen und Abenteuer in der Südsee, an den unwirtlichen Küsten Nordamerikas, unter braunen, nackten Wilden und Indianern. Ein Buch immer spannender als das andere, immer schöner, immer seltsamer. Was waren das für unvergeßliche Stunden des Lesens und Träumens. Das blaue Südmeer lag vor meinen Blicken, von weißer Brandung umgischt tauchten Koralleninseln daraus empor, mit rauschenden Palmenhainen voll seltsam bunter Vögel. Von Eiland zu Eiland zogen in flinken Kanus mit Mattensegeln die braunen Kanaken und[S. 6] kämpften in Panzern und Helmen mit Haifischzahnspeeren und sangen melodisch und sprangen zur Trommel ...

Sie sind Zauberer, diese großen Entdecker, voran, allen weit voran James Cook, der einem ganzen Zeitalter den Stempel seines Naturempfindens aufprägte. Eine Weltanschauung ward aus diesen Entdeckungsfahrten geboren, eine Naturphilosophie, die in Seumes Worten »Seht, wir Wilden sind doch beßre Menschen« gipfelte, die in Rousseaus Werken ihr »Zurück zur Natur« predigte. Auch unsre Zeit, durch soviel Blut und Grauen gegangen, hat diese Sehnsucht wieder, hat nach all der Übersättigung mit raffinierter Kultur diesen gesunden Hunger nach natürlicheren Verhältnissen. Darum gerade wird ihr die Kost, die hier geboten, besonders munden, werden diese uns überlieferten Erzählungen der Entdecker wie ein erfrischender Trunk nach ermüdender Wanderung wirken. Zumal die Jugend wird sie, des bin ich gewiß, mit Jubel begrüßen: ist doch der Robinson und all das andre in ihnen gleichsam beschlossen. Aus diesen Reisen und Abenteuern sind jene ersonnenen Geschichten ja erst geboren.