[Landfrauen 14] • Tagebuch einer Berghebamme

[Landfrauen 14] • Tagebuch einer Berghebamme
Authors
Gruber, Roswitha
Publisher
Rosenheimer Verlagshaus
Tags
erzählungen
Date
2015-11-03T00:00:00+00:00
Size
1.01 MB
Lang
de
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Roswitha Gruber berichtet aus dem Leben der Berghebamme Marianne. In ihren 35 Dienstjahren stand sie den werdenden Müttern in den Bergen zur Seite, fand bei Wind und Wetter den Weg zu ihnen. Bei über 3.000 Geburten hat Marianne viel Freud und Leid miterlebt. Oft war nicht nur ihr Fachwissen gefragt, sondern sie musste auch manchem Bauern ins Gewissen reden oder den Familienfrieden wiederherstellen. Ihre besonderen Erlebnisse schildert die Bestsellerautorin detailgetreu und voller Wärme.

### Vorwort

In grauer Vorzeit waren die Frauen vielleicht noch in der Lage, die Geburt eines Kindes ganz allein durchzustehen, doch bereits vor tausenden von Jahren bildete sich so etwas wie Nachbarschaftshilfe auf diesem Gebiet heraus. Die Frauen begannen, sich gegenseitig beizustehen, wenn ihre schwere Stunde nahte. Dabei zeigte sich, dass die eine mehr, die andere weniger Geschick und Einfühlungsvermögen beim Umgang mit einer Gebärenden bewies, was folgerichtig dazu führte, dass bevorzugt jene gerufen wurden, die sich als besonders geeignet erwiesen hatten. Diese Frauen erhielten bald den Beinamen weise Frau oder wurden in anderen Regionen Wehmutter genannt. Sie waren hoch angesehen, nicht zuletzt weil ihnen etwas Magisches und Mystisches anhaftete. Bereits im 2. Jahrhundert nach Christus hatte sich so etwas wie ein Berufsstand der Hebammen herausgebildet, und aus dem 15. Jahrhundert ist eine Hebammenordnung überliefert, in der die Aufgaben dieser Frauen erstmals ausführlich beschrieben wurden. Dass es in früheren Zeiten bei Entbindungen äußerst unhygienisch zuging und Kindbett- oder Wochenbettfieber eine häufige Begleiterscheinung war, die vielen Müttern das Leben kostete, betrachtete man als unausweichliches Schicksal, in das man sich fügte. Und es sollte noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts dauern, bis der ungarische Arzt Ignaz Philipp Semmelweis den Zusammenhang zwischen mangelnder Hygiene und Kindbettfieber aufdeckte und damit der Geburt viel von ihrer Gefährlichkeit nahm. Von da an war es nicht mehr weit, bis der Ruf nach einer gründlichen Ausbildung für Geburtshelferinnen laut wurde, bei der man besonderen Wert auf Hygiene legte. Als dann endlich selbst kleine Dörfer ausgebildete Hebammen vorweisen konnten, ging es sowohl mit der Mütter- als auch mit der Säuglingssterblichkeit mehr und mehr zurück. Die große Zeit der Landhebammen dauerte ein knappes Jahrhundert an  dann verloren sie durch ein flächendeckendes Angebot von Krankenhäusern mit Entbindungsstationen an Bedeutung. Die Hausgeburten nahmen sogar so rapide ab, dass eine Hebamme nur überleben konnte, wenn sie mehrere Dörfer betreuen konnte  in Österreich, wo die folgenden Geschichten spielen, nennt man das einen Sprengel. Je näher ein Dorf bei einer Stadt lag, desto schneller kam das Aus für die Hebammen. Am längsten konnten sie sich noch in den Bergen und generell in Gegenden mit schlechter Verkehrsanbindung halten. Aber mit der fortschreitenden Erschließung selbst abgelegenster Regionen kam auch dort irgendwann das Ende. Wenn schon der Beruf der Berghebamme ausgestorben ist, dachte ich, sollten wenigstens ihre Geschichten lebendig bleiben. Deshalb habe ich mir von Marianne, einer Frau, die fünfunddreißig Jahre lang als Berghebamme in den österreichischen Bergen tätig war und über dreitausend Kinder ans Licht der Welt geholt hat, aus ihrem bewegten Leben erzählen lassen. Aus jedem ihrer Worte spricht die Begeisterung für ihren Beruf und ihre Liebe zum Menschen. Ihr Wirkungsbereich umfasste einen Sprengel mit drei Dörfern  Unterach, Kirchfeld und Oberach  sowie mit zahlreichen verstreut liegenden Berghöfen. Aus ihren Berichten, die ich auf Tonband aufgezeichnet habe, ist das vorliegende Buch entstanden.

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