Dämonisches Tattoo

Dämonisches Tattoo
Authors
Melzer, Brigitte
Publisher
Otherworld Verlag
Tags
roman-fantasy
ISBN
9783800095124
Date
2010-01-28T23:00:00+00:00
Size
1.60 MB
Lang
de
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Es war leicht gewesen, ins Haus zu gelangen.

Wenn man bedachte, wer hier wohnte, war das beinahe eine Enttäuschung. Von einem Mann wie Frank Cassell hatte er mehr erwartet. Doch alles, was Cassell zu bieten hatte, waren eine verriegelte Vorder- und Hintertür und ein paar Bolzen, die die Fenster im Erdgeschoss sicherten. Nichts, was einen entschlossenen Eindringling abhalten konnte – schon gar nicht, wenn das Schlafzimmerfenster im ersten Stock offen stand. Er hatte lediglich über das Geländer auf das Vordach der Veranda klettern und durch das offene Fenster steigen müssen.

Cassell war nicht dumm, aber sichtlich arrogant genug, um sich in Sicherheit zu wähnen. Damit war heute Nacht Schluss. Künftig würde es keinen Ort mehr geben, an dem Cassell sich noch sicher fühlen konnte.

Ein dicker weißer Teppich dämpfte seine Schritte, als er den Raum durchquerte. Lächelnd nahm er den mannshohen Standspiegel hinter der Tür wahr, in dem sich seine Silhouette vor dem Mondlicht abzeichnete. Das war perfekt! Er liebte es, sich bei der Arbeit zu beobachten.

Am Fußende des Bettes angekommen stellte er seine Tasche auf dem Boden ab und zog seine Latex-Handschuhe zurecht. Die Frau schlief, und wie so oft während der letzten Monate war der Platz neben ihr verlassen. Ihr Mann verbrachte einmal mehr die Nacht im Büro, trank literweise wässrigen Kaffee und studierte Zeugenaussagen, Obduktionsberichte und Fotos der Tatorte und Leichen, nicht ahnend, dass der, nach dem er suchte, in seinem Schlafzimmer stand.

Für einen Moment dachte er daran, auf die Betäubung zu verzichten, doch ihm war bewusst, dass sie aufwachen würde, sobald er mit seiner Arbeit begann. Sie würde schreien, und wenn er etwas nicht ausstehen konnte, dann das. Es störte ihn in seiner Konzentration und ließ ihn nachlässig werden. Er hasste schlampige Arbeit.

Entschlossen bückte er sich nach seiner Sporttasche, zog den Reißverschluss auf und öffnete das Lederetui, das gleich zuoberst lag. Cassells Frau würde ihm gehören, so wie all die anderen davor. Er war es, der über ihr Leben und ihren Tod bestimmte, und sie konnten nichts weiter tun, als ihm dabei die Aufmerksamkeit zu schenken, die ihm gebührte.

Er zog eine Spritze auf und bereitete die chirurgische Nadel und den Faden vor. Die ersten Male hatte er Sekundenkleber benutzt, damit es schneller ging, doch er hatte es gehasst, denn es war nichts anderes als Stümperei. Wie Fast Food für einen Gourmet.

Im Laufe der Zeit war er sicherer geworden und hatte gelernt, sein Werk in vollen Zügen auszukosten.

Nur um den Teppich war es schade.