Die Pest zu London

Die Pest zu London
Authors
Defoe, Daniel
Publisher
Nymphenburger Verlag
Tags
roman-historisch
ISBN
9783485005401
Date
1993-12-31T23:00:00+00:00
Size
0.31 MB
Lang
de
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1664, im Herbst, treten in London zwei Pestfälle auf, die zunächst ignoriert werden. Weitere Fälle im Frühjahr 1665 werden verschwiegen, als Todesfälle durch Fleckfieber dargestellt und bagatellisiert, die örtliche Beschränkung auf ein bis zwei Pfarrsprengel wird als »Beruhigungspille« für die Bevölkerung gewertet. Wen erinnert das nicht an das Verhalten von Behörden bei Vorfällen aus jüngster Zeit? Doch funktioniert dieses System nicht lange, bald kann die Ausweitung der Krankheit zu einer Epidemie nicht mehr verheimlicht werden. Entsetzen greift um sich, Massenflucht und Arbeitslosigkeit setzen ein, aus einer friedlichen Idylle wird ein Hexenkessel mit allen Erscheinungen der Massenhysterie. Defoes Schilderung galt lange als Augenzeugenbericht, in der medizinischen Forschung sogar als Quelle für diese Epidemie. Der Autor war 1665 jedoch ein Kind von vier oder fünf Jahren. Sein »Journal of the Plague Year« erschien 1722, als man eine neue Epidemie befürchtete. Tiefe Betroffenheit über die Ereignisse von 1665 spricht aus seinem Bericht. Der Druck des Unheimlichen, Heimtückischen, Unbegreiflichen, das er als Kind erlebt und erkannt hatte, hat ihn wohl sein ganzes Leben nicht verlassen, zu tief war sein Blick in die Massengräber, die Leichengruben gewesen. Er versetzt sich in die Rolle eines erwachsenen und urteilsfähigen Mannes in reiferen Jahren, der mit Gottvertrauen hofft, die Seuche zu überstehen, Schrecken und Furcht durchlebt, aber dessen Neugier ungebrochen bleibt und den Blick offen hält für alle Stimmungen, Meinungen und auch Auswüchse seiner Leidensgenossen. Überaus anschaulich beschreibt er den Pestsommer, bleibt immer sachlich und erhöht damit den Eindruck der Glaubwürdigkeit. »Die Pest zu London« hat neben dem »Robinson Crusoe« und der »Moll Flanders« Defoes Weltruhm als Begründer der Kunstform des realistischen Romans gefestigt. So sehr sich in den mehr als zweieinhalb Jahrhunderten die Zeitumstände geändert haben, die menschlichen Verhaltensweisen sind gleich geblieben. Die zeitkritische Realistik Defoes hat nichts an Wahrheitsgehalt eingebüßt.