[Ronco 395] • Am Ende aller Wege
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- Authors
- Conagher, Ken
- Publisher
- Pabel/Möwig Verlag
- Tags
- heft-ronco
- Date
- 0101-01-01T00:00:00+00:00
- Size
- 0.17 MB
- Lang
- de
19. August 1882 – irgendwo zwischen Sonora und Austin …
Ich bringe drei Galgenvögel nach Austin, wo sie dem Gericht vorgeführt werden sollen – einen ehemaligen Bürgermeister, einen ehemaligen Stadt-Marshal und einen ehemaligen Deputy. Drei Mörder, wie man sie sich übler nicht vorstellen kann. Ihren letzten Mord, begangen an einem Saloonbesitzer, hatten sie einer Frau zuschieben wollen, diese Dreckskerle. Fast wäre ihnen das geglückt – aber eben nur fast.
Irgendeinen Fehler begehen sie immer – jene Kerle, denen ein Menschenleben nichts gilt, und die meinen, sich auf Kosten anderer die Taschen vollstopfen zu können. Und die sich unter der Maske des Biedermanns tarnen wie der Bürgermeister Halligan oder der Marshal Prescott.
Jetzt hocken sie, mit Handschellen an drei Bäume gefesselt, in der Nähe des Feuers und beobachten mich, wie ich in meinem Tagebuch schreibe.
Es sind drei Ratten, die mich beobachten. Aber sie beobachten sich auch gegenseitig, nein, sie belauern sich. Sie waren Komplicen. Jetzt sind sie es nicht mehr, jetzt beschuldigen sie sich gegenseitig und würden sich am liebsten an die Gurgel springen – weil ein Toter vor Gericht nicht mehr aussagen kann.
Halligan, der ehemalige Bürgermeister, unterbricht mich beim Schreiben.
Er sagt: »Was verdienen Sie eigentlich als Ranger?«
»Genug, um zu leben«, erwidere ich.
»Das ist doch kein Job für einen Mann wie Sie«, sagt er.
Ich schaue ihm über das Feuer hinweg in die Augen und sehe die Falschheit darin.
»Für einen Mann mit Ihren Fähigkeiten und Qualitäten«, fährt er fort und lächelt. Und auch dieses Lächeln ist falsch.
»So?« erwidere ich. »Und was für ein Job wäre – Ihrer Meinung nach – für mich besser geeignet?«
»Nun«, er leckt sich über die Lippen, »wir könnten uns zusammentun …«
Ich unterbreche ihn. »Geben Sie es auf, Halligan. Es ist zwecklos. Ich bin nicht zu korrumpieren. Ob ich den Stern trage oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Aber Sie sind mir zu schmutzig, mein Freund. Über Ihre Verbrechen mag das Gericht urteilen. Ich bin nicht Ihr Richter. Eins steht jedoch fest: Mit Verbrechern und Mördern habe ich nichts gemeinsam. Genügt das als Antwort?«
Und dann schreibe ich weiter. Sein Fluchen stört mich nicht. Aber er hat einen wunden Punkt bei mir berührt, der mich in letzter Zeit immer mehr beschäftigt. Nein, es geht nicht darum, was ich als Ranger verdiene, obwohl es tatsächlich nicht sehr viel ist. Es ist etwas ganz anderes – nämlich meine Isolation innerhalb des Ranger-Korps'. In Siringo habe ich einen Freund, in Captain Lew Harker ebenfalls. Auch Stumpy hat keine Vorurteile mir gegenüber. Aber die anderen? Der Fluch, einmal geächtet gewesen zu sein, steht zwischen uns. Ich spüre es sehr genau. Sie sind mißtrauisch bis hin zur schroffen Ablehnung. Meine Erfolge als Ranger haben an dieser Einstellung nichts geändert. Ich habe keine Veranlassung, jenen, die mich ablehnen, hinterherzulaufen. Dazu bin ich zu stolz.
Ich muß das alles mit Gelassenheit hinnehmen, aber ich werde darüber nachdenken müssen, ob es so bleiben soll. Es liegt an mir, eine Situation, die mit Vorurteilen belastet ist, zu verändern.
Ja, Gelassenheit ist am Platze, denn ich habe mir nichts vorzuwerfen.
Damals, im Frühsommer 1867, stand ich am Anfang meines Weges, behaftet mit dem Makel, über zweihundert Frauen und Kinder in den Tod geführt zu haben. Zu diesem Zeitpunkt war ich weniger gelassen. Ich fieberte danach, die Schuldigen an dem Massaker im Halcon Canyon zu finden und ihr Verbrechen aufzudecken.
Einer der Schuldigen war Mahon Tabor …