Das Kugeltranszendentale Vorhaben

Diesen Roman konnten die Brauns zuerst nur im Westen veröffentlichen. Nach zehn Jahren dürfen nun auch die Leser in der DDR die phantastisch-verzwickte Geschichte des Gepäckabfertigers Richard Schrimms vom Bahnhof Gralsleben-Horkenstedt kennenlernen, jenes merkwürdigen Zeitgenossen, der sich feierabends als Privatmann AUF STATION begibt, um mit seinem Radiorecorder geheimnisvolle Stimmen aufzufangen. Dabei geschieht es ihm eines Abends, daß er auf eine Kugel 37a versetzt wird, wo die Gewaltigen ihn in ihr KUGELTRANSZENDENTALES VORHABEN einspannen wollen.

Schrimms, auf den während seines langen Lebens der Wortschwall vieler Ideologien und Bürokratien niedergeprasselt ist, soll nun als Abgeber dringend benötigter Wortgebilde funktionieren.

Auf der Kugel 37a, sie wird regiert von einem General-Wortler, herrscht das System des durchgängigen FONFORMISMUS, der den Bewohnern nach Bedarf die Worte im Munde herumdreht und gegen dem herrschenden System genehmere umtauscht, so daß etwas ganz anderes herauskommt, als es der Sprecher wollte. Das nennt sich wissenschaftlich FONFORMEN.

Unmengen von Wörtern werden dazu vom System gebraucht, um alle Bewohner so perfekt zu fonformen, daß ihren Mündern nur von der Macht gewünschte Wörter entsteigen können.

Dem armen geschundenen Richard Schrimms, verloren im Gewölk der Wortgespenster und unter dem Beschuß der Wortgranaten, der VERBALIEN, fällt es schwer, sich davor zu retten, selbst zur total-verbalen Existenz zu werden. Und seine große Liebe auf 37a, die kleine flotte FON, enttäuscht ihn bitter.

Brauns hatten zwar, als sie die Welt ihres Romans entwarfen, zunächst die Welt des ganz realen durchgängigen Systems des hierzulande herrschenden Sozialismus im Sinn gehabt, doch zeigte sich, daß auch im Westen die Nöte des Richard Schrimms nachempfunden werden können… „Gerade heute lohnt es sich, ihren Roman DAS KUGELTRANSZENDENTALE VOHABEN zu lesen. Es geht darin um Sprache, die keine Entsprechung in der Wirklichkeit hat, die sich verselbständigt und dennoch Anspruch auf Realität erhebt – ungeachtet der dreisten Lügenhaftigkeit, mit der ihre Floskeln daherkommen“, schreibt Ekkehard Böhm in der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ am 19.10.1989 anläßlich der Neuauflage im Suhrkamp Verlag.