In Margine · Gedichte & poetische Prosa

In Margine · Gedichte & poetische Prosa
Authors
Steininger, René
Publisher
Verlag Rote Zahlen
Tags
lyrik & gedichte & prosa
ISBN
9783944643472
Date
2015-01-22T00:00:00+00:00
Size
0.45 MB
Lang
de
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In Steiningers gelehrtem Buch wird ein Schakal (Fragebogen nach Proust) nach seiner Definition des Glücks gefragt: "Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück? - Die Fortuna eines faulen Jägers: Aas."“Der Lyriker "mag, was Vögel in den Himmel schreiben". Aber entscheidender ist, dass auf dieser Arche jede Art Raum für ihre Besonderheit bekommt. Die Tiere sind nicht "gut", sie sind nicht "besser als" der Mensch, sie sind hier vielmehr mit dessen eigenen Unvollkommenheiten und Vollkommenheiten geschlagen, beglückt. Auf einer Ebene sind die meisten dieser Texte als contes moraux, moralische Geschichten zu lesen, die - noch einmal - ein Pandämonium des Menschlichen entwerfen. Das Leben ist gut, wenn man es nicht an zu großen Ansprüchen und an falschen Horizonten misst. Die Gebrechlichkeiten, die kleinen Vergnügen und Eigenwilligkeiten, sogar die Katastrophen geben ihm seinen unvergleichlichen Reiz, seine Vielfalt. Die Tiere sprechen sich hier durch menschliche Charakter- und Sprachmasken aus, was der Autor sehr listig und witzig dadurch verstärkt, dass jede Art durch eine besondere literarische Form (hohes menschliches Kulturgut! neben banalen Sprachformen wie "Gebrauchsanweisung", "Nachrichten", "Klatsch und Tratsch") kommuniziert. Die Tiere treten auf als Narren, als Verlorene, Liebende, Entbehrende, Trauernde, Triumphierende. Was den Menschen abhanden gekommen ist, die Tiere zeigen es im Übermaß: den Sinn für das Menschliche. 

Sicherlich ist das ein ironisches Spiel mit Spiegeln. Aber darin steckt menschliche Sympathie für diese - anderen - Brüder und Schwestern. Dem, der nur nach Witzen sucht, wird entgehen, dass unter der Maske des menschlich Bekannten das Unbekannte und Seltene von Lebensformen aufblitzt, die für unser Verständnis kaum greifbar sind. Man muss sich sinken lassen in dieses Meer, berühren lassen, betrachten, staunen. Die Schönheit der Ordnung des sich organisierenden Lebens, das auch chaotisch ist, das eingefangen wird in Farbe, Geometrie, Bewegung, Funktion und Schall und dann wieder ausbricht, das kollektiv ist und singulär, gerettet und verloren, lässt sich ja sprachlich kaum fassen. Die Künstler sind selbst Imitatoren, wie Aristoteles gesagt hat. An diesem Buch IN MARGINE gefällt mir, dass es den Tieren und Pflanzen so viel Platz gibt, Raum zum Atmen sozusagen. Kurze Anmutungen leisten mehr als lange Beschreibungen. Das Tier wird greibar und bleibt ungreifbar. Und wir schmecken etwas von dem, was uns wohl schon durch unsere Vorgeschichte begleitet hat: (nicht nur der Schrecken, sondern) die Freude der Begegnung. Am Ende stirbt auch homo erectus aus, der "ein primus inter pares unter Affen" gewesen ist. Robert Schwarz in kultura-extra Dr. Robert Schwarz ist Philosoph und Lehrbeauftragter des Instituts für Orientalistik in Wien.