Der Stechlin

Der Stechlin
Authors
Fontane, Theodor & Nürnberger, Helmuth
Publisher
Aufbau Digital
Tags
weltliteratur
ISBN
9783956080180
Date
2018-11-09T00:00:00+00:00
Size
0.42 MB
Lang
de
Downloaded: 292 times

In Fontanes letztem Roman ist die Dramatik der Gegensätze gemildert. Es gilt der Satz, daß "unsre Prüfungen auch unsre Segnungen sind". Die sich da zu vertrauter Runde auf Schloß Stechlin zusammenfinden, wissen um die Gefahren seelischer und geistiger Erstarrung. Allen voran der liebenswürdige Schloßherr, aber auch sein Sohn Woldemar, die geheimnisvolle Gräfin Melusine und deren stille Schwester Armgard, sie alle sind davon überzeugt: Wer Zukunft gewinnen will, muß aus der Enge heraus. In diesem Sinne ist der verträumte Stechlinsee ihr bewundertes Vorbild, hat er doch Fühlung mit der großen Welt. Wenn es in fernen Ländern rumort, dann regt es sich auch in ihm, ein Wasserstrahl steigt empor, und zuweilen zeigt sich ein roter Hahn, der laut ins märkische Land hineinruft.

Der sagenumwobene märkische Stechlinsee ist der große Mitakteur in Fontanes letztem Roman, einem der schönsten Bekenntnisbücher der deutschen Literatur. Erneuerung durch Weltoffenheit ist seine Botschaft, die von denen vernommen wird, die sich in dem alten reizvollen Herrenhaus zu amüsanten Plauderstunden zusammenfinden.

"Hohe, heitere und wehe, das Menschliche auf eine nie vernommene, entzückende Art umspielende Lebensmusik sind diese Plaudereien" (Thomas Mann).

**

### Buch der 1000 Bücher

Copyright: Aus Das Buch der 1000 Bücher (Harenberg Verlag)

Der Stechlin

OA 1899 (Vorabdruck 1897 in Über Land und Meer)Form Roman Epoche Realismus

In seinem postum erschienenen Altersroman zeichnet Theodor Fontane ein monumentales und vielschichtiges Bild der Gesellschaft am Ende des 19. Jahrhunderts.

Inhalt: Es geschieht nicht viel, aber doch entschieden mehr als Fontanes Zusammenfassung – »Zum Schluss stirbt ein Alter und zwei Junge heiraten sich« – vermuten lässt. Den äußeren Rahmen bildet die Geschichte zweier Familien: Auf der einen Seite steht der ehemalige Gesandte Graf Barby, ein eleganter Weltmann, der mit seinen Töchtern, der schillernden Melusine und der soliden Armgard, in Berlin lebt, auf der anderen der alte Dubslav von Stechlin, ein märkischer Junker, mit seinem Sohn Woldemar. Der Name der Stechlins leitet sich vom sagenumwobenen Stechlin-See her, der seit jeher auf Naturkatastrophen in der ganzen Welt mit hohen Wasserfontänen reagiert.

Hauptperson des Romans ist Dubslav von Stechlin, der seine Mitmenschen und die Zeitläufte abgeklärt betrachtet. Von der Grunddisposition her konservativ, beobachtet er dennoch offen und liberal die Zeichen einer neuen Zeit. Im Gegensatz zu seiner adelsstolzen Schwester Adelheid, Äbtissin eines Damenstifts, sind Dubslavs hervorstechendste Charaktermerkmale Toleranz und (Selbst-)Ironie.

Das Romangeschehen erstreckt sich über sechs Monate, in denen sich Verlobung und Heirat Woldemars mit Armgard ereignen, Woldemar einen kurzen dienstlichen Aufenthalt in England absolviert und Dubslav von Stechlin als Kandidat der Konservativen im Wahlkampf gegen einen Sozialdemokraten unterliegt, was ihn nicht sonderlich berührt. Nach Dubslavs Tod scheinen der ernsthafte Woldemar von Stechlin und seine sozial engagierte Frau Armgard gute Garanten für die Zukunft zu sein; hierin spiegelt sich Fontanes Wunsch nach einem neuen Preußentum.

Struktur: Fontane gestaltet seine Figren, wie häufig, kontrastierend. So bekommt die herbe, verschlossen wirkende Armgard von Barby erst vor der Folie ihrer pikanten Schwester Melusine Konturen. Woldemar verlobt sich mit Armgard, während er Melusine, die den alten Stechlin nachhaltig entzückt, nicht gewachsen wäre. Melusine entbehrt wegen ihrer traumatischen Eheerfahrung nicht der Tragik, doch nur Pfarrer Lorenzen ahnt ihr wahres Ich. Lorenzen, als positiver Gegensatz zum blasierten Superintendenten Koseleger konzipiert, vertritt eine aufgeklärte, christliche, sozial verantwortliche Haltung, die der politischen Haltung des alten Fontane wohl entsprochen hat.

Über weite Strecken ist der Roman bestimmt durch Konversation; die Folge von Dialogen, Monologen und Gedanken rückt ihn bereits in die Nähe des modernen Bewusstseinsromans. Elementare Themen wie Vergänglichkeit, mitmenschliche Verantwortung, sinnvolle und sinnlose Konventionen werden scheinbar plaudernd aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Die dezente Erzähler-Ironie verhindert, dass der Leser alle Äußerungen des alten Stechlin als fontanesches Vermächtnis interpretiert.

Wirkung: Bei zeitgenössischen Kritikern war der Roman wegen seiner Handlungsarmut umstritten. Häufig wurde die Figur Dubslav von Stechlin allzu sehr mit Fontane gleichgesetzt. Erst im 20. Jahrhundert erkannte man die Modernität dieses Romans, der heute als Höhepunkt von Fontanes Schaffen gilt. D. Ma.

### Pressestimmen

»Ein lesenswerter, ja moderner Klassiker, bei welchem sich auch nach mehrmaliger Lektüre immer wieder neuen Bedeutungskomponenten (nicht nur die des Titels) eröffnen.«

*Fraz – Frauenzeitung Sept. 2007*