Strafgefangener, Zelle 32 · Tagebuch
- Authors
- Fallada, Hans
- Publisher
- Aufbau Verlag
- Tags
- tagebuch
- ISBN
- 9783841202628
- Date
- 2017-02-10T00:00:00+00:00
- Size
- 1.85 MB
- Lang
- de
Falladas Gefängnistagebuch: ein wichtiger und literarisch wertvoller Fund aus dem Nachlass.
Wegen Unterschlagung verurteilte das Schöffengericht Bunzlau im Sommer 1923 den Gutsbeamten Rudolf Ditzen zu sechs Monaten Gefängnis. Weil er Geld gebraucht hatte für seine Rauschgift- und Alkoholsucht, hatte er Korn verschoben. Am 20. Juni 1924 trat Ditzen, einem kleinen Leserkreis als Hans Fallada bekannt, die Haft in der Strafanstalt Greifswald an. Am 3. November wurde er vorzeitig entlassen: „Aktenzeichen 2 ER 229/24. Führung: gut. Arbeitsbelohnung: M 20.60.“
Der Gefängnisalltag ist anstrengend und zermürbend, neun Stunden am Tag Arbeit auf dem Holzhof, nachts die Wanzenplage. Als Ditzen die Erlaubnis erhält, abends in seiner Zelle schreiben zu dürfen, wird alles erträglicher für ihn. Er führt Tagebuch. Mit einer Lebendigkeit und Anschaulichkeit, die den künftigen großen Romanautor Fallada spüren lassen, berichtet er vom Gefängnisleben, von dessen geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen, von der Kunst des Streichholzspaltens und des Kippenstukens, von seinen nächtlichen Träumen und davon, wie er, der linkische Intellektuelle, mit diesen Umständen zurechtkommt.
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"Wer einmal aus dem Blechnapf frißt" lautet eine Inschrift der Zelle 32 im Gerichtsgefängnis Greifswald, wo Fallada einige Monate eine Strafe wegen Unterschlagung absitzen muß. Aber als Ideensammlung für spätere Romane oder für eine spätere Veröffentlichung schienen diese Niederschriften nicht gedacht gewesen zu sein, auch wenn er diese Worte als späteren Romantitel verwendet. Denn Fallada besaß die Angewohnheit, Privatleben und Literatenleben streng zu trennen. Seine Werke kennzeichnete er immer mit dem Pseudonym "Hans Fallada". Im wirklichen Leben hieß er Rudolf Dietzen. So nannte er sich auch in seinem Tagebuch, das in seinem Nachlaß entdeckt wurde und nun zum ersten Mal vollständig erscheint.
Hans Fallada ist um die dreißig und hat bereits zwei Romane veröffentlicht, als er im Sommer 1924 der Freiheit für einige Zeit den Rücken kehren muß. Es ist ein Wunder, daß ihm bereits am zweiten Tage im Gefängnis gestattet wird, nach einem langen und schweren Arbeitstag noch zu schreiben. Für ihn als Schriftsteller ist das das Gegengift gegen Einsamkeit, ungewohnte körperliche Arbeit, Tabakentzug und Heerscharren von Wanzen, die Nachts sein Bett bevölkern und ihn mit bösen Angriffen martern.
Der Leser erhält einen interessanten Einblick in den Strafvollzug eines Gerichtsgefängnisses zu Zeiten der Weimarer Republik. Gleichzeitig stellt dieses Werk den einzigen Frühversuch einer Selbstdarstellung dar. Fallada, ein sehr zurückhaltender, bescheidener junger Mann, der sich meistens hinten anstellt, um nicht aufzufallen und keinen Zorn auf sich zu ziehen, meistert das Leben mit stillem Humor und kindlich anmutender Ironie. So ist auch die Stimmung seines Berichtes für die gegebenen Umstände erstaunlich erträglich, auch wenn sich Depressivität und Erschöpfung am Ende immer mehr mit hineinmischen. Fallada versteht es, sich das Leben recht positiv zurechtzuschauen. Die allerkleinsten Dinge deutet er als Anzeichen dafür, daß es ihm hier im Gefängnis wohl besser erginge, als in einem Sanatorium oder einer Irrenanstalt. Durch häufige Selbstreflexion, das Notieren seiner sehr bildhaften Träume, des Tagesablaufes und der besonderen Vorkommnisse, vergewissert er sich in dieser Ausnahmesituation immer wieder seiner selbst und schafft somit ein Zeugnis seiner Zeit und ein aufschlußreiches Bild seiner Persönlichkeit. *--Daphne von Unruh*