[Ronco 240] • Der Totenacker
![[Ronco 240] • Der Totenacker](/cover/U9Krj6tHylIdepYW/big/[Ronco%20240]%20%e2%80%a2%20Der%20Totenacker.jpg)
- Authors
- McMillan, Steve
- Publisher
- Pabel/Möwig Verlag
- Tags
- heft-ronco
- Date
- 0101-01-01T00:00:00+00:00
- Size
- 0.18 MB
- Lang
- de
1.Juli 1880
Vor einer Stunde habe ich mein Haus verlassen. Ich habe mein Gewehr und meinen Revolver genommen und Wildcat, meinen Hengst gesattelt. Seit einer Stunde bin ich unterwegs. Es wird Abend. Der Himmel ist bewölkt, die Schatten sind lang. Von Westen weht Wind, und die Luft riecht nach Regen.
Das liebliche Tal mit meiner Farm, wo ich glücklich werden wollte, liegt hinter mir. Ich habe sie zurückgelassen. Ich weiß nicht, ob ich je Saat in die Furchen meiner Felder legen, ob ich je ernten und jemals Vieh auf meinen Weiden sehen werde. Ich weiß gar nichts mehr. Nur, daß ich Rache will.
Rache – das ist etwas, was ich früher immer verabscheut habe. Ich habe selten Haß empfunden. Jetzt empfinde ich ihn.
Ich bin innerlich aufgewühlt. Es fällt mir schwer, ruhig zu denken. Es wird mir klar, daß alles, was ich mir von einem Leben in Frieden, von einem neuen Anfang nach Jahren der Verfolgung, von einer guten Zukunft vorgestellt habe, nur ein Traum war. Ein Traum,, der wie eine buntschillernde Seifenblase zerplatzt ist. Als ich meine Rehabilitierung in der Tasche hatte und annahm, daß ich nicht mehr gejagt werden würde, war ich zufrieden und glücklich. Endlich hatte ich eine Zukunft vor mir. Ich hatte eine Frau, die mich liebte, und ich hatte einen kleinen Sohn, Jellico.
Das gehört alles der Vergangenheit an. Meine Feinde sind noch nicht besiegt. Die Männer, die mich jahrelang gejagt haben, die selbst das Halcon-Canyon-Massaker verursacht haben und ihre Schuld auf meinem Rücken abgeladen hatten, sind nicht untergegangen, als meine Unschuld bewiesen war und ihre Schuld ersichtlich wurde. Sie waren reich genug, sie besaßen genug Einfluß, um ihre Köpfe zu retten. Zumindest die ganz großen unter ihnen.
Wie Andrew Hilton, der mit seinen Schergen nach Mexiko geflohen ist. Dort ist er sicher. Dort ist er frei und besitzt wieder Macht, und von dort aus verfolgt er mich noch immer. Ich habe es nicht wahrhaben wollen. Es ist so. Seine Männer haben herausgefunden, wo ich versuchen wollte, mich niederzulassen und die bösen Jahre zu vergessen. Sie haben mich entdeckt, und sie haben zugeschlagen.
Immerhin war Linda, die Frau, mit der ich gelebt habe, seine Tochter. Eine gute Frau, die sich von ihrem Vater abgewandt hatte, als sie erfuhr, was für ein Mensch er wirklich war, eine Frau, die zu mir gehalten hat, immer, in jeder Situation, die für mich durch tausend Feuer gegangen ist. Eine solche Frau ist ein Gottesgeschenk. Sie war in den Jahren des Unrechts der einzige Lichtblick für mich, sie war mein Mut, meine Hoffnung. Mit ihr zusammen wollte ich eine neue Welt aufbauen, nur für uns und für unseren Sohn Jellico, Andrew Hiltons Enkel.
Hilton hat es mir nicht gegönnt. Er wollte mich weiterjagen. Er wollte sich an mir rächen, weil ich ihm etwas von seiner Macht genommen habe. Er wollte es im Namen all jener tun, die nach meiner Rehabilitierung ihre Ämter verlassen mußten. Obwohl es nicht viele waren und nur die kleinen und unbedeutenden erwischt hat, die wirklichen Gauner aber verschont blieben.
Und Hilton wollte den Triumph, mich doch noch besiegt zu haben. Er will seiner Tochter seinen Willen aufzwingen.
Einen Mißerfolg hat er zumindest wieder gehabt. Er hat mich nicht töten können. Und das wird er noch merken. Ich lebe, und diese Tatsache wird er bald verfluchen.
Er hat mir Linda geraubt. Er hat sie entführen lassen. Zusammen mit unserem Sohn Jellico. Ein bezahlter Killer ist mit beiden unterwegs nach Mexiko. Ich weiß nicht, ob ich ihn einholen und die beiden zurückholen kann. Ich weiß nicht, ob ich das alles überlebe. Aber eines weiß ich: Ich werde keine Rücksicht mehr üben. Ich werde nicht noch einmal das Risiko eingehen, mich dem Größenwahn und den Privatfeldzügen eines Mannes wie Hilton aussetzen. Ich werde Andrew Hilton töten. Und wenn es das letzte ist, was ich tun werde. Ich werde ihn töten, und wenn es Jahre dauert, bis ich ihn finde.
Ich schreibe weiter an meinem Tagebuch, damit die Nachwelt oder diejenigen, die es einmal lesen werden, erfahren, daß ich kein Mörder war, daß ich getrieben worden bin, das zu tun, was ich jetzt tun muß. Als ich begann, diese Hefte vollzuschreiben, war es das Tagebuch eines gejagten Mannes. Das ist es nicht mehr. Jetzt ist es das Tagebuch eines Jägers. Ich werde nicht aufgeben. Nie!