Das verleugnete Leben · Die Biopraphie des Heimito von Doderer
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- Authors
- Fleischer, Wolfgang
- Publisher
- Verlag Kremayr & Scheriau
- Tags
- biographie & autobiographie
- ISBN
- 9783218010597
- Date
- 2016-09-29T00:00:00+00:00
- Size
- 1.40 MB
- Lang
- de
"Ein Autor ohne Biographie – das wollte Doderer sein und daher als Person ganz hinter seinem Werk verschwinden. Wolfgang Fleischers Buch holt den Autor aus diesem selbstgewählten Exil hervor und erzählt von dessen Leben, dem unerschöpflichen Fundus eines gewaltigen erzählerischen Œuvres. Viele bislang unbekannte Quellen wurden erschlossen, manche liebgewordene Legende zerstört, die Lücken in der Biographie durch Kombination zahlreicher Details so gut wie ganz zum Verschwinden gebracht. Die Auseinandersetzung mit heiklen Fragen wie der politischen Einstellung Doderers in den dreißiger Jahren oder dem Wust bizarrer sexueller Kalamitäten meidet Fleischer ebensowenig wie eine kritische Diagnose der mentalitätsgeschichtlichen und ideologischen Rahmenbedingungen des Werkes. Detailgenauigkeit und scharf konturierte Epochenüberblicke treten in glückliche Konjunktion, um Doderers gesellschaftlichen Ort zu markieren, und so berichtet diese Biographie nicht nur vom Leben eines bedeutenden Schriftstellers, sondern reflektiert die österreichische Geschichte in den ersten beiden Dritteln dieses Jahrhunderts mit. Die Widersprüche, die Doderers Leben bestimmten, ihn peinigten und doch zu Impulsen für sein Werk wurden, werden nicht geglättet. Die kompromißlose Deutlichkeit, mit der dieser Text Doderers Leistungen und Verfehlungen gerecht wird, ist die redliche Reverenz des Schriftstellers Fleischer für den Schriftsteller Doderer."
Wendelin Schmidt-Dengler
### Prolog. Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaber. Alle Rechte vorbehalten.
Diese Lebensgeschichte ist das klare Gegenteil dessen, was Heimito von Doderer über sich geschrieben hätte wissen wollen. Vom Künstler, dessen Begabung "eine allgemeinere Bedeutung zukommen kann" als dem Leben anderer Talentierter, hatte er in seinem Buch über Gütersloh gesagt: "Nicht Alle haben also ein "Schicksal", sondern nur Wenige. Wer aber eines hat, dessen Leben ist auch schon paradigmatisch, da es wiederum einen neuen möglichen Weg zum "Gral" (heiße er wie immer) oder zur Hölle (heiße sie wie immer) aufzeigt. Die Irrelevanz des äußeren Geschehens, der äußeren Lebenspositionen, aus denen Einer zu seiner Irrfahrt aufbricht oder die er im Verlaufe derselben erreicht, macht es möglich, ein solches Leben rein von seiner paradigmatischen Seite her aufzuzeichnen und zulänglich zu umschreiben, so daß [. . .] auf alle Psychologismen, Anekdota und auf die ganze zusammengebastelte biografische Mosaik leicht verzichtet werden kann." Doch Doderers An- und Einsichten zur Kunst - vor allem jener des Romans , zu einem Rechtfertigungskatalog für ein Leben zu machen, das dann, als obskur gehaltene Legende, nicht mehr näher beleuchtet werden dürfte, würde seine Meinungen in einem geschichtslosen Raum - zu einem rein geistigen Heldenepos stilisieren, wobei jede Frage, die nicht der reinen Kunst entstammt, unzulässig wäre. Einer solchen Wunschvorstellung zufolge müßte hier eine Metaphysik der Kunst mit ihren besonderen Auswirkungen auf die Romantheorie entstehen; der biografische Faden dürfte nur den Entwicklungsphasen von Doderers Erkenntnissen folgen; und obendrein müßte das alles mit jener überzeugten Apodiktik vorgebracht werden, wie sie zu ,Paradigmen' gehört. Statt einer Verabsolutierung von Doderers Lehrmeinungen ist es nicht einmal deren Fragwürdigkeit, die im Mittelpunkt dieses Buches steht. Auch seine Vorstellung, daß Kunst die höchstmögliche -"Adel verleihende" - Lebensform sei, wird nicht als Grundlage zur Betrachtung dieses Lebens übernommen, sondern selbst zu einem Thema der untersuchenden Darstellung. Maßstäbe, die jemand dem eigenen Leben setzt, sind vor allem Äußerungen desselben; wenn der Biograph es als Verpflichtung auffaßte, sie zur Basis seiner Arbeit zu machen, hätte nicht er seinen Gegenstand in der Hand, sondern dieser ihn. Hier wird ein - gerade um der Kunst willen zunehmend "verleugnetes" - Leben erzählt, das von der Österreichisch-Ungarischen Monarchie durch vielfache politische und gesellschaftliche Umorientierungen bis tief in die Zweite Republik reicht. Es ist ein Leben, zu dem - von den Vorfahren, der Kindheit und Jugend angefangen, über beide Weltkriege und bis zum Tod - so reichliches Material auffindbar war, daß dieses Buch, allem ersten Anschein zum Trotz, das Ergebnis eines Bemühens um Knappheit ist: wenn auch auf der unverzichtbaren Basis der Anschaulichkeit.