Das Gedächtnis der Haut

Das Gedächtnis der Haut
Authors
Grossman, David
Publisher
Hanser, Carl Verlag
Tags
roman
ISBN
9783446255180
Date
2016-10-12T00:00:00+00:00
Size
1.83 MB
Lang
de
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David Grossman erzählt von der Liebe, von Schauls Eifersucht über den Geliebten seiner Frau Elisheva und von der Schriftstellerin Rotem, die ihrer Mutter Liebesentzug vorwirft. Dabei erfahren wir immer wieder von Augenblicken größter Nähe und tiefster Einsamkeit der Protagonisten: Geschichten voller geheimer Träume und Obsessionen.

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Esti traut ihren Ohren nicht. Ihr Schwager Schaul, der wortgewandte sarkastische Wissenschaftler, zu dem ein herzliches Verhältnis kaum möglich schien, sitzt mit gebrochenem Bein und noch gebrochenerem Selbstwertgefühl auf dem Rücksitz ihres Wagens und liefert bewegende Bilder seiner täglichen Tortur. In immer wiederkehrenden, grausam vergrößerten Detailaufnahmen zeichnet Schauls überhitzte Fantasie jedes sexuelle Detail nach, das seine Frau Elisheva mit ihrem Liebhaber zelebriert. Bilder, die Schaul allmählich zerfressen -- und Bilder, von denen er zehrt. Es wird eine Nachtfahrt ins Schattenreich der Liebe.

In atemlosen, hitzigen und kaum enden wollenden Satzserpentinen und einer unbändigen Bildersprache lotet David Grossman jenes „Niemandsland der Seele“ aus, in dem Schauls geliebte Elisheva offenbar angelangt ist. Die archaische Urkraft seines Widersachers Paul, beileibe kein attraktiver Mann, den seine Frau so unwiderstehlich findet, lässt den dürren Rationalisten Schaul förmlich schrumpfen. Und auch Esti gehen während dieser nächtlichen „Raserei“ in die tiefsten menschlichen Abgründe die Augen gründlich auf.

Das Themenfeld Haut, Berührung, Besitz und Verlust -- und die Obsessionen, die damit einhergehen können; ein schönes, ein mutiges Unterfangen, da Grossman in körperlich-seelischen Tiefen schürft, die man gemeinhin -- falls überhaupt -- eher seinem Psychiater anvertrauen würde. In der zweiten, Titel gebenden Novelle, taucht die Schriftstellerin Rotem am Sterbebett ihrer Mutter Nilli mit einem selbstverfassten Manuskript auf. Eine alte Narbe wird erneut aufgerissen. Nilli, die ehemalige Yoga-Lehrerin, hatte einst einem Vater versprochen, dessen 15-jährigen, mutterlos aufgewachsenen Sohn in die Geheimnisse seines Körpers einzuführen. Nilli, die den seltsamen Auftrag nur widerstrebend angenommen hatte, lässt nun Lektion für Lektion in dem zarten und wunderschönen Kobi den Mann heranwachsen. Haut an Haut hatte sich so zwischen dem Heranwachsenden und der wesentlich älteren Frau eine kuriose Liebe entzündet. Eine Liebe, die der Schriftstellertochter ein Leben lang schmerzlich versagt bleiben sollte.

Das Gedächtnis der Haut mag unbegrenzt sein, die Erinnerung an ihre Berührung ist oft grausam und schmerzlich. David Grossman hat dies auf sensible und hocherotische Weise in poetischen Bildern dargelegt. *--Ravi Unger*