[Horror Stories 06] • Tantalos

[Horror Stories 06] • Tantalos
Authors
Keiser, Edgar
Publisher
Edgar Keiser
Tags
horror
ISBN
9781521334423
Date
2013-12-24T00:00:00+00:00
Size
0.42 MB
Lang
de
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Acht Horrorgeschichten zwischen Tantalos und Sisyphus.

Die Geschichte von dem Fernsehkoch, der seine letzte Sendung machte

Die Geschichte von dem Mann, der am falschen Ort Zahnschmerzen bekam

Die Geschichte von dem erfolgreichen Manager, der ein Geschenk erhielt

Die Geschichte von dem Ort, der dunkler war

Die Geschichte von dem Mann, der ein neues Zuhause fand

Die Geschichte von der seltsamen U-Bahn-Fahrt

Die Geschichte von der Frau, die ihr Herz verlor

Die Geschichte von dem Mord, der immer wieder geschah

HORROR STORIES umfasst einen Zyklus von Kurzgeschichtensammlungen. Das Genre „Horror“ wird dabei weitläufig interpretiert; die Grenzen zu „Thriller“, „Fantasy“ und „Science-Fiction“ bleiben fließend. Konzeptionell stellen die gesamten Buchtitel einen Bezug zur griechischen Mythologie her, die in ihrer Vielfalt dem Horrorgenre thematisch seit jeher reichlich Inspiration liefert.

Leseprobe aus Le Dentiste:

Der Bärtige, der Parcival noch immer am Arm hielt, deutete auf die Holzbühne und grinste.

„C’est un dentiste“, verkündete er und schubste Parcival ein wenig in Richtung des Geschehens, dem ein beachtliches Publikum beiwohnte.

„Aber nein, das können Sie doch nicht im Ernst meinen, Monsieur“, protestierte Parcival, doch der Bärtige verstand ihn natürlich nicht und grinste nur breit.

„Dentiste“, wiederholte er fröhlich und zeigte dabei auf sein eigenes Gebiss, dessen kümmerlicher Zahnbestand vermuten ließ, dass er selbst schon oft auf diesem Stuhl gesessen hatte.

Der Mann im Kittel flößte seinem Patienten etwas aus einem Becher ein und wählte dann mit Bedacht eine Zange auf dem Tisch aus, woraufhin ein Raunen durch das Publikum ging.

Mit Entsetzen musste Parcival beobachten, wie sich der Mann mit der Zange im Mund des Unglücklichen zu schaffen machte und mit einem schnellen Ruck einen kleinen gelblichen Gegenstand zutage förderte. Mit würdevoller Geste präsentierte der Zahnarzt den Zahn dem Publikum und schnickte ihn anschließend gekonnt auf den Haufen zu den anderen Zähnen. Die Zange tauchte er kurz in den Eimer ein und legte sie dann wieder zu den anderen Instrumenten auf dem Tisch. Der Mann auf dem Stuhl stieß spitze, helle Schreie aus, bevor sein Kopf zur Seite sank. Er war ohnmächtig geworden.

Bereits nur beim bloßen Hinsehen widerfuhr Parcival beinahe das Gleiche.

Das Publikum zollte respektvollen Beifall, während zwei Helfer des Zahnarztes den Bewusstlosen, dem das Blut über das Kinn lief, losbanden und ihn behutsam von der Bühne führten. In der Zwischenzeit hatte sich bereits der nächste Patient bereit gemacht und ging unsicher zu dem ominösen Stuhl, wo die Prozedur von Neuem begann.

„Oh nein, oh nein“, rief Parcival, riss sich von seinem bärtigen Führer los und stürmte den Weg zurück, den sie gekommen waren. Einige Kinder machten sich über ihn lustig und rempelten ihn absichtlich an, worum er sich aber nicht kümmerte. Er wollte nur weg von diesem Ort. Einen kurzen Augenblick lang hatte er sogar den Eindruck, dass seine eigenen Schmerzen verflogen waren, was sich jedoch gleich darauf als Trugschluss herausstellte. Der Zahnschmerz kam mit Macht zurück und pflügte durch seine linke Gesichtshälfte. Ein stechender Schmerz setzte sich unter seinem Auge fest, untermalt vom schnellen Taktschlag seines eigenen Blutkreislaufs.

Während er durch die engen Gassen hetzte, blickte er sich andauernd um, immer mit der Befürchtung, dass ihm vielleicht der bärtige Riese, der Gewürzhändler, der Zahnarzt oder gar alle zusammen auf den Fersen waren.

Aber es folgte ihm niemand.

Nach einer Weile fand er sich vollkommen verloren im Labyrinth der Medina wieder und wusste nicht mehr vor und zurück. Hier befanden sich wesentlich weniger Menschen auf der Straße, als es noch im äußeren Bezirk der Altstadt von Tunis der Fall gewesen war.

Er entschied sich aufs Geratewohl für eine kleine Straße und hatte vor, so lange in dieser Richtung weiterzugehen, bis ...

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