[Gutenberg 45352] • Fräulein Doktor: Roman
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- Authors
- Lehne, Fr.
- Publisher
- Transcript
- Tags
- fiction
- Date
- 2015-01-13T00:00:00+00:00
- Size
- 0.20 MB
- Lang
- de
Fräulein Doktor by Fr. Lehne
Ruhig, mit einem ganz kleinen Lächeln um den feinen, klugen Mund, blickte Beate ihrem aufgeregt im Zimmer herumgehenden Vater nach.
Sie war sich ihrer Sache gewiß, und es stand fest bei ihr, daß sie ihr Vorhaben auf jeden Fall auch ausführen wollte! Halb hatte sie ja den Vater schon bekehrt; der erste Ausbruch seiner Erregung war bereits vorüber — was er jetzt sagte, war nur noch ein schwacher Versuch zum Widerstand.
»Du bist ja verrückt, Beate!« Herr Haßler schüttelte den Kopf und blieb vor der Tochter stehen, die bequem in einem Schaukelstuhl lag, die Hände im Nacken verschränkt.
»Aber warum, Vater?« lautete ihre gleichmütige Frage. »Ich sehe die Berechtigung dieses Ausspruchs nicht ein!«
»Ach was! Larifari,« brummte er, »jeder vernünftige Mensch wird mir recht geben, wenn ich dir kurzerhand verbiete, zu studieren! Ich ärgere mich schon genug, daß ich dir nachgegeben habe darin, ein Gymnasium zu besuchen — wenn ich geahnt hätte —«
»Aber, Vaterchen,« unterbrach sie ihn in schmeichelndem Ton, »aber, Vaterchen, hat dich denn mein glänzend bestandenes Abiturium nicht gefreut?«
»Das wohl, Mädel, und ganz kolossal! Aber ich dachte, damit wäre der Unsinn endgültig vorüber.«
»Nein, jetzt soll es erst recht beginnen.« Sie breitete die Arme weit aus. »Ach, du glaubst nicht, wie ich mich darauf freue, weiter zu lernen!«
»Noch mehr lernen? Ich meine, du hättest gerade genug unnützes Zeug in deinen Kopf gepropft! — Was dir nun noch fehlt, das kannst du hier bei Mutter am besten lernen! Bekümmere dich jetzt mal um die Küche und das Haus — ich glaube, davon verstehst du weniger als ein zehnjähriges Mädchen!«
Beate lachte. »Da magst du schon recht haben, Vaterchen, aber dennoch verspüre ich zu derartigen prosaischen Beschäftigungen durchaus keine Lust — andernfalls würde ich schon schnell hinter die Geheimnisse von Mamas Walten und Wirken kommen! Denn was ich will, das kann ich auch.« Bei diesen Worten trat ein Ausdruck in ihr Gesicht, daß man nicht gut an deren Wahrheit zweifeln konnte.