[Ronco 210] • Im Tal der Mormonen
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- Authors
- John Grey
- Publisher
- Pabel/Möwig Verlag
- Tags
- heft-ronco
- Date
- 0101-01-01T00:00:00+00:00
- Size
- 0.19 MB
- Lang
- de
23. Februar 1880
Vor uns liegt Medano in Colorado. Seit meiner letzten Eintragung ist viel Zeit vergangen. Vieles, fast alles, ist ganz anders gelaufen, als ich erwartet habe.
Nachdem es Lobo und mir gelungen war, den jungen Bradford unmittelbar vor der Exekution zu retten, sind wir nur noch auf der Flucht gewesen. Pausenlos sind wir kreuz und quer durch das Land gehetzt worden. Der junge Lieutenant Bradford, das heißt, jetzt ist es kein Lieutenant mehr, hatte mich einst verbissen gejagt. Dann aber hatte er begriffen, daß ich unschuldig war und seine Vorgesetzten, die ihn auf meine Spur gesetzt hatten, ihn nach Strich und Faden belogen hatten. Er war leichtsinnig genug, darüber zu reden. Das hätte ihn beinahe den Kopf gekostet. In aller Stille wollte sich die Armee dieses lästigen Mitwissers entledigen. Nun, Lobo und ich haben ihm helfen können. Was aus ihm geworden ist, weiß ich nicht. Unsere Wege haben sich damals rasch getrennt, denn er mußte genauso wie wir untertauchen. Ich hoffe, er hat alles überstanden, und es geht ihm gut. Er hat noch Verwandte, im Gegensatz zu uns. Vielleicht findet er bei denen einen Unterschlupf, vielleicht ist er aber auch schon tot. Schließlich ist ein halbes Jahr vergangen, seit wir ihn zum letztenmal gesehen haben. Das ist eine lange Zeit. Im Verlauf eines halben Jahres kann viel passieren.
Wir mußten nach Colorado ausweichen, und mir fiel nur ein Ort ein, wo wir eine Chance hatten, endlich wieder Ruhe zu finden.
Medano. Hier waren wir zuletzt vor über einem Jahr, und ich wollte eigentlich nicht eher hierher zurückkehren, bis meine Rehabilitierung feststand. Denn hier lebt die Frau, die ich liebe.
Linda Hilton, die Tochter meines Todfeindes. Sie hält zu mir. Sie wird mir helfen. Ich spüre stärker denn je, daß ich sie brauche.
Es ist spät am Abend. Wir rasten nur drei Meilen von Medano entfernt auf einem Plateau und sehen unter uns die Lichter der kleinen Stadt. Es hat sich viel verändert. In einem Nest zehn Meilen nördlich ist uns gesagt worden, daß bei Medano Silber gefunden worden sei. Ich weiß, was das bedeutet. Ob Silber oder Gold, es ist immer das gleiche. Die Menschen werden verrückt, werden krank vor Gier, vergessen, daß sie Menschen sind und verwandeln sich in zweibeinige Raubtiere, für die nur noch das wertvolle Erz zählt.
Wir wollen erst am nächsten Morgen in die Stadt reiten – ein Gebot der Sicherheit. Die Sonne ist längst gesunken. Wir sitzen an einem kleinen Feuer im Schatten einiger Geröllhalden. Überall liegt hoch Schnee. Es ist verdammt kalt. Die Winter sind hart in Colorado.
Vor neunzehn Jahren war es auch Winter, es war auch Februar, als ich mein letztes Abenteuer beim Pony Expreß erlebte. Es war das Jahr 1861…