[Al Capone 01] • Der Nebelmörder

[Al Capone 01] • Der Nebelmörder
Authors
Cann, Al
Publisher
Kelter, Martin Verlag
Tags
roman-krimi
ISBN
9783863773663
Date
2014-08-12T00:00:00+00:00
Size
0.48 MB
Lang
de
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Schwere Nebelschwaden lasteten über den dunklen Straßen Chicagos. Die Luft roch nach Schwefel und Kohlenruß. Alle Geräusche schienen gedämpft zu sein und wie von weit herzukommen. Von der St. Patrick-Church schlug die achte Abendstunde. Es sollte die letzte Stunde des Ireen Moreland sein. Mit raschen Schritten hatte die dunkelhaarige junge Frau das Chekman-House in der 77th Street verlassen und ging an der Southshore Highschool vorbei der Stony Island Avenue entgegen. Hier war der Nebel schwächer, aber schon an der nächsten Straßenecke wälzte sich ihr wieder eine graue Wand entgegen, die die ganze Straße erfaßte. Die Frau blieb unwillkürlich stehen und mußte plötzlich gegen ein dumpfes Gefühl der Angst ankämpfen. Dabei waren die Straßen um diese Stunde nicht etwa schon leer. Im Gegenteil, trotz des scheußlichen Nebels kämpften sich eine Unzahl von Fahrzeugen durch die breite Avenue, und auch aus den Seitenstraßen quollen die Autos nur so heraus. Aber der Nebel verschluckte sie alle, und die Menschen, die vor einem auftauchten, erschienen wie Schemen und verschwanden ebenso körperlos wieder. Scheußlich, dieser Chicagoer Nebel, ging es durch den Kopf der Frau. Wie lange schon hatte sie versuchen wollen, die Stadt zu verlassen. Sie haßte diese schweren erstickenden Nebel im November, die Nässe und die Düsternis. Eine sonnenlose Stadt! Seit Rodger sie damals verlassen hatte, um sich eine andere Freundin zu nehmen, schien ihr die Stadt selbst in ihrem kurzen Sommer unfreundlich und abstoßend. Rodger! Er war der einzige Mann gewesen, der das Leben der Ireen Moreland in Unruhe versetzt hatte. Aber es war eine Unruhe, die die dunkelhaarige Ireen gern weiter ertragen hätte - viele Jahre noch, bis ans Ende ihres Lebens. Die damals schon Dreiundzwanzigjährige hatte geglaubt, das große Glück ihres Lebens mit ihm gefunden zu haben. Doch dann war er nach fast fünf Jahren gegangen - und hatte eine Neunzehnjährige genommen. Eine Welt war für Ireen zusammengebrochen.