Bliefe von dlüben · Der China-Crashkurs

- Authors
- Schmidt, Christian Y.
- Publisher
- Rowohlt Verlag
- Tags
- reisen-china
- Date
- 2009-10-04T22:00:00+00:00
- Size
- 0.48 MB
- Lang
- de
Einen humoristischen Kontrapunkt zur selbstverordneten regimekritischen Political Correctness auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse, die ganz im Zeichen des Gastlandes China stand, setzte Christian „Y.“ Schmidt mit seinen Bliefe von dlüben. Eine Anspielung auf das ebenso hartnäckige wie unbegründete Klischee vom angeblichen Unvermögen des Chinesen, das „R“ guttural oder rollend aussprechen zu können, mit der der Autor anfangs seine Probleme gehabt haben will, ehe er sich entschloss, es wie alle anderen Vorurteile, von denen sein Werk letztlich lebt, im wahrsten Sinne des Wortes mit Humor zu nehmen.
Bei Schmidts Buch handelt es sich um einen dramaturgisch gegliederten und ergänzten Neuaufguss der besten gleichnamigen Kolumnen, mit der er als ehemaliger Redakteur von Deutschlands führendem Satiremagazin Titanic das Blatt sozusagen in seiner neuen Eigenschaft als Auslandskorrespondent in Peking beliefert hat, nachdem er seiner chinesischen Frau zurück in ihr Heimatland gefolgt war, wo er nun schon seit einigen Jahren – inzwischen offenbar auch einigermaßen glücklich und zufrieden – lebt.
Wie schon in seinem viel beachteten Reisetagebuch Allein unter 1,3 Milliarden, in dem er die Eindrücke einer Expedition niedergeschrieben hat, die er auf sich allein gestellt bald nach seiner Ankunft in einer Art Selbstversuch quer durch die „Hölle“ des Reiches der Mitte unternommen hatte, verarbeitet Schmidt einmal mehr mit der spitzen Feder des Satirikers den Kulturschock, den wohl jeder erleben würde, wenn er ähnlich blauäugig, bar jeglichen Vorwissens und ohne eines Worts der Landessprache mächtig zu sein quasi über Nacht – in Wirklichkeit nach einer längeren Zwischenstation in Singapur – in das quirlige Millionenmoloch geworfen würde, als das sich die Hauptstadt Chinas dem Mitteleuropäer auf den ersten Blick präsentiert.
Ein besonderer Reiz dieses Versuchs, sich auf unterhaltsame Art China anzunähern, liegt darin, dass es sich hier um die Reflexionen eines ehemaligen Maoisten und glühenden Verfechters der Kulturrevolution handelt, der seine politische Sozialisation wesentlich als Mitarbeiter von Postillen wie der ultralinken konkret oder der Nachfolgerin des Anarchosatireblattes Pardon genossen hat. Umso mehr als der bekennende Altlinke heute obendrein mit einer Frau verheiratet ist, die drauf und dran ist, im nach wie vor als maoistisch verblümten Staatskapitalismus Chinas Karriere als Investmentbankerin zu machen. Schmidt: „Natürlich wusste ich damals noch nichts von den Prügelexzessen und Morden. Und wahrscheinlich hätte ich davon auch nichts wissen wollen." – Franz Klotz
Kurzbeschreibung
Der Journalist und Satiriker Christian Y. Schmidt kennt sich in China bestens aus, ist er doch mit einer Chinesin verheiratet und lebt in Peking. Hier beobachtet, probiert und kostet er, was er an typisch Chinesischem, an Seltsamem und Bemerkenswertem so vorfindet. Fünf Jahre lang berichtete er darüber in seiner «Titanic»-Kolumne «Bliefe von dlüben». Jetzt gibt er alles: Er hat ein ganzes Buch geschrieben. Und zwar das Handbuch für künftige Chinaversteher.
Kultur, Alltag, Politik – kein Bereich wird ausgespart.
Mit viel Charme und zuweilen grellem Witz erzählt Schmidt, wie er sich unerschrocken durch den chinesischen Alltag manövriert: Im Restaurant bekommt er lebenden Fisch serviert, und die Raubkopie von «Bridget Jones», auf die er sich so freute, hat «Piano»-Untertitel. Außerdem kennen Taxifahrer hier keine Anschriften; sie orientieren sich grob am Stand der Sonne, dem Vogelflug und den Gezeiten. Aber es geht Schmidt auch um ganz solide Fragen, zum Beispiel, welche Folgen die von der chinesischen Regierung initiierten Zivilisierungsmaßnahmen (nicht rotzen, nicht rauchen, nicht im Pyjama rausgehen) für Chinas Kultur haben. Kurz: In diesem Buch findet sich alles, was man über China wissen will – komisch, unterhaltsam, lehrreich.