[Ronco 165] • Stadt in Angst

[Ronco 165] • Stadt in Angst
Authors
Grey, John
Publisher
Pabel/Möwig Verlag
Tags
heft-ronco
Date
0101-01-01T00:00:00+00:00
Size
0.19 MB
Lang
de
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1. Februar 1879

Bis vor einer Viertelstunde bin ich westwärts geritten. Jetzt raste ich im Windschatten eines Arroyos. Es herrscht heftiges Schneetreiben. Man kann keine fünf Schritte weit sehen.

Der Schnee wird meine Fährte zudecken. Das ist gut. Vielleicht werde ich auf diese Weise die Verfolger los, die auf meiner Spur reiten. Viel Hoffnung habe ich nicht. Menschenjäger verlieren selten eine Fährte.

Dennoch bin ich nicht unzufrieden, auch wenn meine Lage sich seit meiner letzten Eintragung nicht geändert hat, auch wenn ich immer noch gejagt werde und um mein Leben kämpfen muß.

Mein größter Gegner, die Andrew-Hilton-Company, hat einen schweren Schlag hinnehmen müssen. Was sich daraus für mich ergeben wird, weiß ich in diesem Augenblick noch nicht. Ohne Folgen wird das aber sicherlich nicht bleiben.

Ich will mich nicht voreilig in Erwartungen hineinsteigern, denen dann womöglich wieder eine bittere Enttäuschung folgt. Diejenigen, die mir ihre Verbrechen in die Schuhe geschoben haben, sind immer noch einflußreich und mächtig. Sie sind nicht leicht aus dem Sattel zu heben. Aber sie sind auch nicht unverwundbar. Das haben mir die letzten Tage gezeigt. Mir ist klar geworden, daß ich eine gute Chance habe, sie eines Tages zu überführen und mich zu rehabilitieren, und das stärkt meine Hoffnung.

Jetzt jagen sie mich wieder. Aber sie sind angeschlagen, und der Tag wird kommen, da werden sie die Gejagten sein.

Doch noch begegnet mir fast überall mein eigener Steckbrief. Und solange das so ist, kann ein einziger Schuß meine Hoffnungen und Ziele zerstören. Heute schon, oder morgen, oder sonst irgendwann. Ich bin nicht kugelfest.

Ich bin allein, während ich das schreibe. Lobo liegt verletzt in einem alten Heuschober im Farmland, und ich bin unterwegs, um unsere Spuren zu verwischen, damit er Ruhe hat und sich von seiner Verwundung erholen kann. Der Schnee hat mir die Arbeit abgenommen. Sowie das Schneetreiben etwas nachläßt, reite ich zu ihm zurück. Bis dahin schreibe ich weiter an meiner Geschichte, die wenig Höhepunkte hat, dafür aber lang und bitter ist, vor allem bitter. So wie damals im Jahre 1859, als ich aus der Stammesgemeinschaft der Chiricahuas herausgerissen worden war und gefesselt auf dem Wagen eines Traders lag, der nordwärts rollte und das Land der Apachen, meine Heimat, weit hinter sich zurückließ …