[Ronco 380] • Der Weg nach Vera Cruz
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- Authors
- Jones, Everett
- Publisher
- Pabel/Möwig Verlag
- Tags
- heft-ronco
- Date
- 0101-01-01T00:00:00+00:00
- Size
- 0.18 MB
- Lang
- de
20. Juni 1882
Ich denke oft viel nach. Mitunter empfinde ich Angst vor dem nächsten Tag. Dabei dürfte sich ein Mann in meiner Situation genau dieses nicht erlauben. Angst vor dem Tod habe ich nicht, zumindest glaube ich, sie nicht zu haben. Dem Tod bin ich schon so häufig begegnet, daß ich meine, er hätte seinen Schrecken für mich verloren, wie alles seine Schrecken verliert, wenn es alltäglich wird.
In Gefahr schwebte ich immer. Kein Tag verging, der mir nicht irgendwelchen brandheißen Ärger brachte, und das von Kindesbeinen an.
Damals, nach dem fürchterlichen Massaker im Halcon Canyon, war es für mich ein grausamer Schock, was ich alles entdecken mußte. Zum Beispiel, daß die Regierungsbehörden gar nicht immer so gradlinig handelten, wie sie taten, und allzu häufig ein doppeltes Spiel betrieben. So suchten sie angeblich nach den Waffenschiebern, die man für den Indianeraufstand am Rio Doro verantwortlich machte, aber gleichzeitig taten sie sich mit diesen Halunken zusammen, um Juarez in Mexiko mit Gewehren, Revolvern, Munition und Sprengpulver zu beliefern und damit seinen Krieg gegen den fremden Kaiser im Lande zu unterstützen.
Ich mußte damals immer mehr erkennen, daß ich drauf und dran war, gegen einen massiven Felsen aus Granit anzurennen, gegen den ich nie eine Chance haben konnte.
Sie hatten mich zum Mörder gestempelt und schienen auch tatsächlich die Macht zu haben, über mein Leben zu entscheiden. Vielleicht wäre es klüger von mir gewesen, aufzugeben und in der Weite der Wildnis zu verschwinden. Leider lag mir das nicht.
Ich befand mich auf dem Weg durch Mexiko. Das Land lag nach dem Sturz von Kaiser Maximilian in einem Taumel von Freude, Angst und Terror. Die Revolution hatte Kräfte freigesetzt, die sicherlich nur schwer wieder zu zügeln sein würden. In den weiten Teilen des Landes regierten Mordbanden. Und mitten da hindurch wollte ich meine Freunde nach Vera Cruz begleiten. Blieb die Frage, ob wir dort auch ankommen würden. Ich hoffte es jedenfalls. Und ich hoffte auch, in der Küstenstadt die Spur meiner erbarmungslosen Gegner wieder aufnehmen zu können. Doch eine Menge sprach dagegen, daß mir dies gelingen würde. Ich spielte mit meinem Leben. Das ist auch heute nicht anders als damals – 1867…