Ein fliehendes Pferd

Ein fliehendes Pferd
Authors
Walser, Martin & Kiesel, Helmuth
Publisher
Suhrkamp Verlag
Tags
novellen
ISBN
9783518188354
Date
2002-08-18T00:00:00+00:00
Size
0.46 MB
Lang
de
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Helmut Halm, Lehrer an einem renommierten Stuttgarter

Gymnasium, und seine Frau Sabine verbringen, wie seit Jahren schon, ihre Ferien

am Bodensee. Ein Paar in mittleren Jahren, ein vielleicht wohltuend

ereignisloses Leben. Man liest, wandert, schottet sich ab. Diese Ferienidylle

wird jäh unterbrochen, als Klaus Buch, ein ehemaliger Mitschüler Halms und

dessen junge Frau Helene, Hel genannt, auftauchen.

So wenig spektakulär beginnt Martin Walsers wohl immer noch erfolgreichstes

Buch Ein fliehendes Pferd. Die Novelle von 1978 wurde von Lesern und

Kritikern gleichermaßen begeistert aufgenommen. Walser stellt parabelhaft die

Biographien beider Männer gegenüber, hier der etwas behäbige, Kierkegaard

lesende Studienrat Halm, dort der freie Journalist und Aussteiger Klaus Buch und

seine Vorzeigefrau Hel, bronzefarben, erfrischend junggeblieben. Halm ahnt,

diese Quälgeister wird man in diesem Urlaub nicht mehr los. Klaus Buch, außer

sich vor Freude über das unverhoffte Wiedersehen mit seinem alten Studienfreund,

beginnt, die Urlaubsplanung zu übernehmen.

Walsers Auge für allerfeinste Details im Zwischenmenschlichen, seine

Fähigkeit, scheinbar Banales in große Zusammenhänge zu bringen, macht diese

Novelle zu einem Jahrhundertwerk. Alles bleibt klein und erst dadurch wird es

groß. Die Schilderung des wachsenden Konfliktes der einstigen Freunde, die

grelle, missionierende Aufdringlichkeit des Klaus Buch, auf die Halm nur mit

hilfloser Ironie zu reagieren vermag (schließlich gerät beinahe noch Halms Ehe

ins Wanken, da sich Sabine von Buchs zupackender Art angezogen fühlt), all dies

bringt uns Walser mit einer Wortgewalt herüber, die in der Literatur

ihresgleichen sucht.

Lassen wir uns also in einem furiosen Schlusskapitel auf das Segelboot

entführen, das auf dem sturmdurchtosten Bodensee treibt. Der ängstliche Halm und

der tollkühne Buch, diese im Innern sich doch sehr ähnlichen Männer, treten noch

einmal zu einem dramatischen Schlußgefecht an, das in einer völlig unerwarteten

Wendung der Ereignisse zu seinem überraschenden Höhepunkt findet. --Ravi

Unger