Brenn Weiten

- Authors
- Katz, Holly
- Tags
- roman
- Date
- 0101-01-01T00:00:00+00:00
- Size
- 0.34 MB
- Lang
- de
Rose Hardy hat gerade ihr Studium beendet und mit ihrem Volontariat im Auslandsressort einer großen Londoner Tageszeitung angefangen, als sie auf ihren ersten Auslandseinsatz geschickt wird - zusammen mit Jamie Braidwood, der seit Jahren als Kriegsberichterstatter in den Krisengebieten dieser Welt unterwegs und alles andere als begeistert davon ist, dass er plötzlich auf eine blutige Anfängerin aufpassen muss.
Aber Rose überrascht nicht nur sich selbst, sondern auch ihn - und als sie irgendwann zwischen die Fronten eines Konflikts geraten, der sie plötzlich auch persönlich betrifft, wird aus ihrer vorsichtigen Freundschaft mit einem Mal etwas ganz anderes.
James Braidwood kommt jeden Tag gegen elf in die Redaktion, einen Kaffee in der Hand, noch immer mit Dreitagebart, meistens in Jeans und Pulli, und sein heiseres Lachen, das klingt, als hätte er zuviel Whiskey getrunken und zuviel geraucht, ist im ganzen Raum zu hören. Joss hat sie einander vorgestellt, irgendwann Mitte der Woche, aber bis auf einen Händedruck und ein distanziertes „Herzlich willkommen“ haben sie nicht miteinander gesprochen. „Na, hast du deinem Helden erzählt, dass er dein großes Vorbild ist?“ stichelt Mel, als sie zurück ist an ihrem Platz, und Rose zieht eine Schnute. „Lass mich bloß in Ruhe. Ich sage doch, ich lese die Leute lieber als dass ich sie sehe. Ist spannender.“ „Komm schon.“ Mel schickt ihr einen Augenaufschlag über die Wand, der Eisberge schmelzen lassen könnte. „James Braidwood anzuschauen ist alles andere als unspannend.“ „Ist mir egal“, murmelt Rose, in Gedanken schon wieder bei dem Artikel, den sie gerade bearbeitet. Dem ersten, den sie selbst geschrieben hat. Zwar nur eine halbe Spalte ganz weit hinten im Auslandsteil, und trotzdem feilt sie seit Tagen daran. Nippt an ihrem Kaffee und lehnt eine Stunde später ab, als Dan und Ed, die sich anscheinend zusammengetan haben, sie zum Mittagessen mitnehmen wollen. Ihr Blick trifft den von James Braidwood, als sie den beiden hinterhersieht, und sie ist sich nicht sicher, was sie darin lesen kann. Herablassung? Amüsement? Oder ist er einfach nur nachdenklich? Sie hat weder Zeit noch Lust, sich über seine Gemütsverfassung Gedanken zu machen. Sein Ego ist wahrscheinlich so gigantisch wie die Preise, die er reihenweise gewinnt, und sie ist hier, um ihren Job zu machen und nicht, um über schwer fassbare Kollegen nachzudenken. Sie zwirbelt ihre Haare mit ihrem Bleistift zusammen und setzt sich wieder an ihren Text über die Hintergründe zu einem in Ungnade gefallenen General in Südostasien. Und trotzdem fällt ihr immer wieder auf, dass sich die Atmosphäre in der Redaktion ändert, wenn er da ist. Diejenigen, die ihn kennen, scharen sich in Trauben um ihn, der wegen seiner permanenten Auslandseinsätze keinen eigenen Arbeitsplatz hat und sich dort ausbreitet, wo gerade Platz ist, manchmal in der Lobby vor dem Fahrstuhl, manchmal in einer der Boxen, und eines Tages sitzt er mit seinem aufgeklappten Laptop vor sich auf dem Ledersofa in der Kaffeeküche. „Kaffee ist alle“, brummt er, als Rose auf der Suche nach dem nächsten Schuss den Raum betritt, und sie wirft ihm einen fragenden Blick zu, aber er schaut nicht einmal auf. „Normalerweise macht derjenige den Kaffee, der die Kanne leer gemacht hat“, murmelt sie vor sich hin, aber anscheinend kann sie nicht erwarten, dass seine journalistische Heiligkeit sich mit so profanen Aufgaben befasst. Also kippt sie Kaffeepulver in den Filter, füllt das Wasser auf und wartet, bis der Kaffee durchgetröpfelt ist. Es wird gemunkelt, dass er für eine Ehrung der Queen in Frage kommt, und sie ist am Ende nur eine kleine Volontärin.