[Gutenberg 44272] • Schwarz-Weiß-Rot: Grotesken
- Authors
- Mynona
- Tags
- goethe , 1749-1832 -- miscellanea , johann wolfgang von
- Date
- 2013-12-25T00:00:00+00:00
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- 0.17 MB
- Lang
- de
SCHWARZ-WEISS-ROT
ODER
DEUTSCHLANDS SIEG ÜBER ENGLAND UNTER GOETHES FARBEN
ES ist im höchsten Grade ominös, daß Deutschland ganz buchstäblich *Goethes
Farben* trägt, nämlich außer den Extremen aller Farben, Weiß und Schwarz,
gerade Rot, die Farbe aller Farben im Sinne Goethes; und daß Goethe mit
dieser seiner Farbenauffassung seit mehr als einem Jahrhundert so
vergeblich gerade gegen *England* , nämlich gegen den lichtverfinsternden
Farbenlehrer Isaac Newton kämpft, welcher in einer jede Treue des deutschen
Goetheauges verletzenden Art unglaublich falsch Farbe bekennt.
Längst würde die deutsche Wissenschaft den farbenblinden Engländer mit
Goetheschen Waffen niedergestreckt haben, wenn dieser sich nicht auf der
Insel Mathematik mit scheinbarer Unüberwindlichkeit verbollwerkt hätte und
von dorther seit über 200 Jahren die Welt aller Farben despotisch
brutalisierte. Dieser Engländer lehrt messen und rechnen: aber Goethe lehrt
*sehen*! Und man soll doch erst sehen lernen, *bevor* man zählt und mißt,
was man sieht. Es ist sehr charakteristisch für den Engländer, daß er sich
verrechnen muß, weil er mit seiner Rechenkunst zu voreilig ist -- und
sollte auch Jahrhunderte lang die scheinbare Präzision seiner Rechnung den
falschesten Postenansatz verdecken. Goethe wird hoffentlich mit Deutschland
so mitsiegen, daß Deutschlands Schulkinder sehr bald über die englischen
Farben lachen lernen, die angeblich im Lichte stecken, während sie sich für
jedes deutsche, d. h. Goethesche, also gesunde Auge ganz offenbar aus
Finsternis und Licht, aus *Schwarz und Weiß* also, erzeugen und im Rot das
liebste Kind dieser Eltern haben:
»Es stammen ihrer sechs Geschwister
Von einem wundersamen *Paar* «
sagte bereits Schiller vor Goethe. Ein großer Rechenmeister war dieser
englische Fürst der Geister, Newton. Aber er hat ausgespielt, wenn
Deutschland auf preußische Manier und mit Goethes Augen *Schwarz-Weiß*
sehen lernt: es wird sich dann das Rot noch göttlicher herausrechnen, wenn
es erst *sieht* , daß dieses freudig errötende Grau zwischen Schwarz und
Weiß so wenig aus dem Lichte allein stammt wie das preußisch nüchterne, das
ja ganz unverkennbar eine Mischung aus Schwarz und Weiß ist. Laßt Euch doch
nicht von englisch perfekter Rechenkunst betören, die auf Lug und Trug, auf
Augentäuschung beruht, und führt Eure Farben auch zum Sieg deutscher
Gründlichkeit unter dem Farben-Generalfeldmarschall Goethe, diesem
Über-Hindenburg aller Farbenlehre!