Blut soll fließen

Blut soll fließen
Authors
Ellroy, James
Publisher
Ullstein Verlag
Tags
roman
ISBN
9783550086779
Date
2009-12-30T00:00:00+00:00
Size
0.58 MB
Lang
de
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Er werde nie ein Buch schreiben, das später als 1972 spielt, sagte James Ellroy einmal in einem Interview, womit Blut will fließen der am nächsten an der Gegenwart liegende Roman des großen amerikanischen Ausnahmekrimischriftstellers wäre: Denn das Buch behandelt die vier Jahre von 1968 bis 1972, dreckige Jahre der amerikanischen Geschichte, regiert von Perversion und Korruption bis in die höchsten Spitzen der Politik hinein – so zumindest die Überzeugung Ellroys. Und so spinnt er um die historischen Fakten dieser Zeit – die Ermordung von Martin Luther King und Robert Kennedy, den chaotischen Wahlkampf zwischen Nixon und Humphrey, den Vietnamkrieg und die Studentenproteste, den verbitterten Kampf des FBI-Chefs J. Edgar Hoover gegen die schwarze Bürgerrechtsbewegung, die Versuche des Milliardärs Howard Hughes, sich Las Vegas unter den Nagel zu reißen, und, und, und – eine fiktive Handlung von schmutzigen Geschäften, Millionenbestechungen, Sex, Macht und Gewalt, die einem den Atem raubt.

Ellroys Ansatz ist der eines Verschwörungstheoretikers: Dass es in Politik und Wirtschaft unsauber zugehe, dass die großen Entscheidungen in Wirklichkeit in Hinterzimmern von Drahtziehern getroffen würden, dass alle Mächtigen gehörig Dreck am Stecken hätten – das glaube doch in Wahrheit jeder, so seine Grundannahme. Und so nimmt er sich die Freiheit und konstruiert innerhalb der historischen Eckdaten die denkbar finsterste Alternativversion der Geschichte, die natürlich fiktiv ist, aber immerhin so stattgefunden haben könnte. Nicht von ungefähr beschäftigt Ellroy Rechercheure, die sicherstellen, dass alles, was er schreibt, zumindest keinen historischen Fakten widerspricht. 

Ist dies noch ein Krimi oder schon ein historischer Roman? Spannend wie ein Krimi ist das Buch allemal, schon allein aufgrund der schier unglaublichen Verstrickungen, die Ellroy den Mächtigen und den an die Macht Wollenden, den Strippenziehern und ihren Marionetten, den Schlägern und den Geschlagenen andichtet. Aber, das muss auch gesagt werden: Das Buch ist keine einfache Lektüre, es liest sich alles andere als leicht; das Attribut „sperrig“ ist noch schmeichelhaft. Dies liegt zum einen an Ellroys charakteristischem Stil, der in extremer Dichte stakkatohaft mit Fakten vollgestopfte Hauptsätze aneinanderreiht und die Handlung in nicht nachlassendem Tempo vorantreibt, zum anderen an der kaum zu überblickenden Vielzahl an Figuren – so ist nun mal die Wirklichkeit, scheint Ellroy einem auf jeder Seite zuzurufen, die Dinge sind kompliziert und verwickelt, und es sind immer mehr Leute in die dunklen Machenschaften verstrickt, als einem ein „gewöhnlicher“ Thriller an Figuren zumuten würde. Die Welt ist schlecht, und das Leben ist kein Roman. -- Christoph Nettersheim