[Das neue Abenteuer 169] • Wendung im Fall Kilversberg

[Das neue Abenteuer 169] • Wendung im Fall Kilversberg
Authors
Bengsch, Gerhard
Publisher
Verl. Neues Leben
Tags
[heft] , das neue abenteuer
Date
1959-04-15T00:00:00+00:00
Size
1.62 MB
Lang
de
Downloaded: 190 times

In den letzten Monaten war Charlotte Kilversberg stets matt, wie nach einer großen körperlichen Anstrengung, von den Besuchen im Gefängnis zurückgekommen. Leos Hoffnungslosigkeit hatte sie angesteckt, nicht ihn ihr gewollt heiterer Mut. Ihr Gang war, wenn sie schließlich wieder in die Rythener Straße einbog und sich ihrem Haus näherte, schwer und schleppend gewesen. Sie kommt von ihrem Mann! sagten dann die Nachbarn, und mancher mitleidsvolle Blick verfolgte die fünfzigjährige Frau, deren Mann, der Magistratsdirektor Dr. Leopold Kilversberg, vor einem Jahr ganz überraschend aus den Diensten der Stadtverwaltung von F. entlassen und bald darauf verhaftet worden war.

An diesem Abend bog die Frau jedoch ungewohnt schwungvollen Schrittes in die einsame, mit gleichförmigen Landhäusern bebaute Straße ein. Die Mitteilung, daß der Prozeßtermin endgültig festgelegt worden sei, verlieh ihr Zuversicht. Nach mehr als neun Monaten Haft sollte die Verhandlung gegen Leo nun am 15. Oktober eröffnet werden. Endlich sollte er Gelegenheit haben, sich zu rechtfertigen. Schon heute nachmittag, während der kurzen Besuchszeit von zehn Minuten, war er ausgeglichener und fröhlicher als sonst gewesen. Charlotte wußte: Wenn Leo erst im Gerichtssaal steht, wird auch der letzte Rest seiner Mutlosigkeit von ihm abfallen. Beherrscht, beharrlich und unnachgiebig wird er sich verantworten, wie es seine Art ist. Und er wird sich durchsetzen. Und seinem Rechtsanwalt Krull wird es Spaß machen, die flaue Anklage Punkt für Punkt zu zerpflücken. Trotz der Angriffe, die in der letzten Zeit auch gegen Dr. Fritz Krull gerichtet wurden, galt er immer noch als einer der fähigsten und erfolgreichsten Verteidiger im Bundesland Hessen. „Ich hau’ ihn raus!“ hatte er heute nachmittag trompetet. „Verlassen Sie sich drauf, ich hau’ ihn raus!“ – Was also konnte noch passieren? Wenn Krull so redete, mußte er seiner Sache sicher sein.

Der Oktoberwind riß trockenes Laub von den jungen Eichen am Straßenrand und wirbelte es durch die spärlich erleuchtete Straße. Charlotte Kilversberg hob einen Zweig auf, der im Schein einer Gaslaterne am Boden lag. Die rotbraunen Blätter paßten gut in Leos chinesische Vase..................