[Jerry Cotton 1419] • Eliza darf nicht sterben

[Jerry Cotton 1419] • Eliza darf nicht sterben
Authors
Cotton, Jerry
Publisher
Bastei/Lübbe Verlag
Tags
[heft]
Date
1984-08-21T20:54:04+00:00
Size
0.20 MB
Lang
de
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Die weitaufgerissenen Augen der jungen Frau waren auf den Tisch des billigen Motelzimmers gerichtet. Zwei Spritzen lagen dort. Der Schlauch zum Abbinden des Arms lag daneben. Der Mann, der neben dem Tisch stand, grinste teuflisch. Mit einer knappen Handbewegung deutete er auf die beiden aufgezogenen Spritzen.

»In einer ist der goldene Schuß«, sagte er. »Ich weiß, du brauchst das Zeug, aber wenn mir nicht gefällt, was du sagst, bekommst du die falsche Spritze.« Schweiß perlte auf der Stirn der jungen, dunkelhaarigen Frau. Sie war nackt. Unter dem schweren Atem hoben und senkten sich die steilen Brüste. Norma Lighter hatte mit dem Kerl geschlafen, um an den Stoff heranzukommen. Aber das war ihm nicht genug.

Sie brauchte das Zeug. In diesem Moment war sie bereit, ihm ihre Seele für die richtige Injektion zu verkaufen.

»Du Schwein«, sagte sie. Ihre Zunge war so trocken, daß sie ihr wie ein Stein in der Mundhöhle lag. »Ich muß…«

Mit einem Satz löste sich der Mann vom Tisch. Einen Meter vor ihr blieb er stehen. »Du brauchst es, und Campello hat dir nichts gegeben, Baby. Campello ist knapp mit dem Zeug. Die ganze lausige Stadt ist heiß auf den Stoff, nachdem das FBI eine Riesensendung abgefangen hat. Alle sitzen mehr oder weniger auf dem trockenen. Doch wir haben ihn noch, und wir wissen, daß Campello eine große Sendung erwartet. Wir wissen es, Norma, und du weißt es auch. Du kannst es dir aussuchen, Baby. Du erzählst, oder du bekommst die falsche Spritze.«

Sie hatte sich schon lange zum Reden entschlossen. »Ich weiß, daß es kommt, aber ich weiß nicht genau wann und ich weiß auch noch nicht, welche Leute es in die Stadt bringen, Cheng.«

Der Chinese nickte wie ein geduldiger Vater.

»Aber ich kann es herausbekommen, Cheng.«

»Weil Campello mit dir schläft, Baby?«

»Weil ich andere Leute kenne, die gern mit mir schlafen würden und die alles Über dieses verdammte Geschäft wissen.«

»Du weißt, was Campello mit dir machen wird, wenn er es herausbekommt?« Die dunkelhaarige Frau lachte. »Ihr braucht mich. Ihr werdet auf mich aufpassen, Cheng. Und ich nehme an, daß ihr Campello ausschaltet. Das ist die einzige Möglichkeit, um vor ihm sicher zu sein. Er hat sich noch niemals etwas wegnehmen lassen. Erst recht nicht von den Leuten aus Chinatown.«

Der Chinese grinste. Vielleicht sah es auch nur so aus. Norma Lighter war sich nicht sicher. Im Grunde war es ihr auch egal. Alles war ihr egal, wenn sie nur an den Stoff herankam.

Der Chinese holte eine Spritze vom Tisch und gab sie ihr. »Es reicht nicht für lange, Norma«, sagte er, während die dun kelhaarige Frau sich den Arm oberhalb der Beuge abband und für einen Sekundenbruchteil das Gesicht verzog, als sie sich die Nadel in die Vene stieß.

Norma Lighter drückte den Kolben, schnell und hastig, obgleich sie wußte, daß das nicht gut war, weil die Wirkung dann vielleicht zu schnell einsetzte. Sie ließ sich auf das Bett zurückfallen und schloß die Augen. Ein greller Blitz zuckte ihr durchs Bewußtsein. Sekunden später fühlte sie sich gut.

Cheng stand noch vor dem Bett und schaute auf sie hinab. Norma Lighter lächelte und breitete die Arme.

»Komm, Chinese!« sagte sie lockend. »Komm, du hast mich glücklich gemacht! Jetzt werde ich dich glücklich machen. Jetzt sind wir Partner.«