Die Feuer von Eden
- Authors
- Simmons, Dan
- Publisher
- Goldmann Wilhelm Verlag
- Tags
- roman-horror
- ISBN
- 9783442415977
- Date
- 1976-12-31T23:00:00+00:00
- Size
- 0.81 MB
- Lang
- de
Dan Simmons hat mit Hyperion und Göttin des
Todes Genre-Meilensteine geschrieben. Zusammen mit Dean Koontz und Stephen
King gehört er zum Dreigestirn des amerikanischen Horrors. Fires of Eden
schrieb er, bevor er seinen Hyperion-Zyklus mit Endymion. Pforten der
Zeit und Endymion. Auferstehung abschloß.
Die Feuer von Eden -- damit sind die mächtigsten und aktivsten Vulkane
der Welt gemeint, die auf Hawaii, besonders Mauna Loa und der benachbarte
Kilauea. 9670 Meter ragt der Mauna Loa vom Meeresboden des Pazifiks auf -- der
höchste Berg der Welt. Ereignet sich in dieser Gegend ein Seebeben, verwüstet
wenig später eine tsunami von ungeheurer Wucht die Küstenstriche.
In dieser von Elementarkräften der Natur beherrschten Welt hat sich bis in
unsere Zeit eine vielfältige Mythologie erhalten. In ihr beherrscht die Göttin
Pele die Kräfte des Vulkanfeuers und des Erdbebens. Sie hat zahlreiche Feinde,
darunter Kamapua, der mit Sturm und Regen ihre Feuer zu ersticken versucht. Er
erscheint seinen Opfern, deren Seelen er frißt, als riesiger Eber. Um die
Gebete, um diese beiden Naturgottheiten zu beschwören, wissen nur noch die
kahunas, die weisen Männer auf Hawaii. Doch wie sich herausstellt, gibt es auch
noch die Schwesternschaft Peles, die im Verborgenen wirkt. Optimale
Voraussetzungen für einen horrormäßigen Zombie-Roman.
Der amerikanische Milliardär Byron Trumbo hat drei Frauen und ein teures
Hotel. Zwei der Frauen will er loswerden, zugleich mit dem Luxushotel, das auf
Big Island, der größten Insel von Hawaii, liegt. Als er es baute, zog er sich
den Zorn der Insulaner zu, weil in einer heiligen Gegend baute, gar nicht weit
weg von Mauna Loa. Inzwischen häuft sich das mysteriöse Verschwinden von
Hotelgästen. Als er einfliegt, um das Hotel samt riesigem Areal mit zwei
Golfplätzen an Japaner zu verscherbeln und sich damit zu sanieren, sind bereits
neue Opfer zu beklagen. Die Gäste werden unruhig. Kurz nach seinem Eintreffen
finden sich auch seine drei Frauen ein: seine Ex, seine Ex-Geliebte und seine
aktuelle Loverin, eine Minderjährige. Damit beginnt für Byron Trumbo eine Kette
von mittleren bis größeren Katastrophen -- er bewältigt sie allerdings mit
bewundernswerter Dickschädeligkeit. Trumbo ist ein richtiges New Yorker
Arschloch, das seine Untergebenen opfert, wenn es ihm nur die eigene Haut rettet
oder ihm einen Vorteil verschafft.
Dr. Eleanor Perry ist Doktor der Philosophie in Ohio. Sie stellt
Nachforschungen auf der Insel an, die auf Informationen aus dem Tagebuch ihrer
Ururururgroßtante Lorena Kidder beruhen, die im Jahr 1866 Big Island besuchte,
zu einer Zeit, als Missionare versuchten, die Heiden zu bekehren und dabei
manchmal Opfer von Pogromen der Einheimischen wurden. In Kidders Begleitung
befand sich der junge Korrespondent Samuel Langhorne Clemens, besser bekannt
unter seinem Schriftstellerpseudonym Mark Twain. Tante Kidders Tagebuch stellt
eine parallel geschaltete Handlungsebene dar, die die unheimlichen Geschehnisse
im Mauna Pele Hotel von Byron Trumbo auflockern, antizipieren und in ein neues
Licht rücken. Tante Kidder steigt nämlich mit Mr. Clemens in die Unterwelt
hinab, um eine vom Gott Kamapua geraubte Seele zurückzuholen.
Begleitet wird Eleanor bei ihren Forschungen ins Unheimliche von Cordie
Stumpf, einer pummelig und weich erscheinenden Geschäftsfrau aus Illinois, die
sich jedoch als ein gestandenes Weibsbild herausstellt, die ebenso mit ihrer
spitzen Zunge wie mit ihrem 38er-Revolver umgehen kann. Und die am Schluß für
eine ziemliche Überraschung gut ist. Eleanor hat Cordie das Tagebuch von Tante
Kidder zu Lesen gegeben, und so weiß Cordie, womit sie es zu tun haben, als
ihnen ein schwarzer Hund mit Menschen- statt Hundezähnen über den Weg läuft und
als Cordie auf dem Wasser von einem Haifisch mit Menschenbeinen attackiert wird.
Es sind Dämonen, die von Kamapua angeführt werden. Sie wurden von kahunas
herbeibeschwört, die Trumbo vertreiben wollen. Das Tor zur Unterwelt ist
geöffnet, und die kahunas können es nicht mehr schließen...
Ein Mitarbeiter Trumbos nach dem anderen wird ein Opfer der Dämonen.
Krampfhaft versucht der Milliardär, nichts davon merken zu lassen, aber es nützt
ihm nichts, als eines nachts auch einer der Japaner verschwindet. Nachdem auch
Eleanor das Opfer von Kamapua geworden ist, wird er schließlich von Cordie
gezwungen, mit ihr zusammen -- wie weiland Tante Kidder und Mark Twain -- in die
Unterwelt zu steigen. -- Mehr soll nicht verraten werden.
Fazit: Die Feuer von Eden ist hochgradig spannender Lesestoff -- die
letzten 50 Seiten sind einfach un-put-down-able! Die unheimliche Atmosphäre des
Buches wird nicht vom Autor behauptet, sondern entsteht aus dem Zauber des
Ortes, der in aller gebotenen Tiefe erklärten Mythologie und Kultur sowie durch
die zeitliche Spanne zwischen 1866 und der Gegenwart der Erzählung. Was damals
galt, gilt nun auch weiterhin -- und wer sich, wie Trumbo, diesen Gesetzen
widersetzt, muß büßen. Da nützt auch Trumbo all seine Kaltschnäuzigkeit nichts,
die ihn selbst in der Unterwelt zu einer frechen Antwort an Kamapua veranlaßt!
So erscheint das Geschehen ebenso plausibel wie spannend. Simmons zieht den
Leser unmerklich tiefer in den Bann der Story. Doch nicht allein Horror ist
darin das treibende Element, sondern auch die keimende Liebe zwischen Tante
Kidder und Samuel Clemens, einem höchst gegensätzlichen Paar, das dennoch in
einer Unternehmung des blanken Wahnsinns -- wer steigt schon freiwillig in die
Welt der Toten und Dämonen? -- zueinander findet. Allerdings gibt sie ihm nicht
das Ja-Wort, was zwar ein Jammer ist, aber verhindert, daß ihre Geschichte in
einem kitschigen, aufgesetzten Happy End ihren Abschluß findet. (Mark Twain fand
wenig später die Frau seines Lebens.)
Und am Schluß hat man etwas fürs Leben gelernt: Die Inseln von Hawaii gehören
gewiß zu den magischsten Orten der Welt!
Empfehlung: uneingeschränkt lesenswert! --Michael Matzer