[Ronco 220] • Der Revolvermarshal

[Ronco 220] • Der Revolvermarshal
Authors
Conagher, Ken
Publisher
Pabel/Möwig Verlag
Tags
heft-ronco
Date
0101-01-01T00:00:00+00:00
Size
0.17 MB
Lang
de
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24. April 1880

Eine harte Zeit liegt hinter uns. Lobo ist bei mir. Wir befinden uns im Südwesten New Mexicos. Ich bin nicht mehr weit von meinem Ziel entfernt. In meinen Satteltaschen habe ich die Beweise für meine Unschuld. Sie sind hieb- und stichfest. Niemand wird sie widerlegen können. Wie gut diese Beweise sind – wie gefährlich für Andrew Hilton –, habe ich bereits erfahren müssen. Hiltons Jäger sind hinter mir und den Papieren her wie die Teufel nach der armen Seele – bisher ergebnislos.

Hier im Südwesten New Mexicos leben nicht nur meine größten Feinde, sondern auch meine besten Freunde. Einer von ihnen ist Jerome Braddock, ein Großrancher. Er gehört nicht zu den geld- und machtgierigen, skrupellosen Rinderbaronen. Er ist einer der anständigen und sauberen Männer. Einmal konnte ich ihm helfen, ihm und Senator Vaud F. Wilson, der ebenso ein Mann ohne Fehl und Tadel ist.

Auf Vaud F. Wilson ist Verlaß. Er ist einflußreicher als irgendein Richter in einer Stadt oder einem Country. Ihm werde ich meine Beweise übergeben, und er wird sie den richtigen Stellen übergeben – jenen Stellen, die Hiltons Einfluß nicht mehr erreicht.

Nur noch vierzig Meilen, dann sind Lobo und ich in Sicherheit. Seit Tagen reitet kein Jäger mehr auf unserer Spur. Wir haben sie alle abgeschüttelt. Niemand weiß, wo wir uns aufhalten, und ich denke, daß ich meinen Gegnern eine böse Überraschung bereiten werde.

Während ich dies schreibe, sitzen wir an einem Feuer in einer Bodensenke nördlich von Cow Spring, der Stadt Senator Wilsons. Es wird Abend, und ich will die Zeit, bevor es dunkel wird, nutzen und meine Geschichte weiter aufschreiben. Es war heute ein heißer Tag. Unsere Pferde sind ziemlich erschöpft. Obwohl der Sommer noch nicht begonnen hat, herrscht hier unten im Süden tagsüber bereits die Hölle.

Auch damals, vor fast zwanzig Jahren, erlebte ich einen heißen Sommer. Das war 1861. Seit fast einem halben Jahr tobte der Bürgerkrieg. Die Schlacht am Bull Run war geschlagen. Im fernen Westen spürte man nichts davon. Ab und zu berichtete eine Zeitung vom Kriegsgeschehen – sofern eine solche Zeitung überhaupt in den Westen gelangte. Hier und da gab es Familien, deren Söhne freiwillig in den Krieg gezogen waren und Post nach Hause schickten.

Es war fast so, als sei der Bürgerkrieg etwas, das in eine andere Welt gehöre. Über die Sklavenfrage zerbrach sich niemand den Kopf. Hier draußen gab es andere Probleme. Hier ging es um das Überleben in der Wildnis.

Ich befand mich in Idaho, einem Territorium, das zu jener Zeit kaum besiedelt war. Die Ranch des Nachbarn war soweit entfernt wie der Mond. Nur wenige Overlandstraßen zogen sich durch das Land und von einer Stadt zur anderen. Stadt? Das war eine großzügige Bezeichnung für ein mieses Nest, das man nur in tagelangen Ritten erreichte.

Ich war ohne Ziel unterwegs und suchte irgendwo eine Arbeit oder einen Platz, an dem ich bleiben konnte. Irgendwo wollte ich Fuß fassen und vielleicht eine neue Heimat finden. Idaho war ein jungfräuliches Land – vielleicht bot es mir die Chance für einen neuen Anfang …