Kamikaze · Ein Todesflieger führte Tagebuch

Kamikaze · Ein Todesflieger führte Tagebuch
Authors
Arct, Bohdan
Publisher
Weymann Bauer
Tags
tagebuch
ISBN
9783929395389
Date
1998-07-15T07:14:14+00:00
Size
0.33 MB
Lang
de
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Weise Leute behaupten, die nackte Wahrheit sei ungewöhnlicher

als die kühnste Phantasie. Die weisen Leute haben recht.

Ich wähle also nachdrücklich die Wahrheit, und sei es nur

deshalb, weil sie dem Flug der Phantasie mehr Raum läßt.

Ich bin jedoch dem Leser wenigstens eine kurze Erklärung

schuldig. Denn immerhin: Ich bin noch nie in Japan gewesen,

habe mich bislang nicht mit Fragen, die den Fernen Osten

betreffen, befaßt. Und nun plötzlich ein Roman, der im Fernen

Osten spielt! Wie so oft, hat auch hier ein Zufall entschieden. Ich bekam

das Tagebuch eines japanischen Fliegers in die Hand. Da ich

meistens über die Fliegerei schreibe, erweckte der Stoff mein

Interesse. Als ich aber zu lesen begann, faszinierten mich die

Erlebnisse dieses Menschen, die Prüfungen, die er durchmachen

mußte, die Tragödie eines Fliegers, den man zum

Kamikaze bestimmt hatte. Kamikaze. Der Name hat seinen Ursprung in der Geschichte :

Vor fast siebenhundert Jahren drohte dem Land der aufgehenden

Sonne die Gefahr, von der mächtigen Armee

Chubilai-Khans, des großen Mongolenführers und Enkels des

berühmten

Dschingis-Khan, vernichtet zu werden. Im Jahre 1274

verließen dreihundert Schiffe mit fünfzigtausend mongolischen

Kriegern an Bord die koreanische Küste und griffen die

Inseln Nippons an. Die Japaner verteidigten sich tapfer und

zwangen die Angreifer, auf die Schiffe zurückzukehren. Am

Tage darauf erhob sich ein Sturm, der Tausende von Mongolen

das Leben kostete. Doch Chubilai-Khan verzichtete

nicht auf eine Eroberung, und im Jahre 1281 bedrängte seine

Flotte Japan von der im Westen gelegenen Insel Kyushu, von

der Hakata-Bucht her. Fünfzig Tage verteidigten sich die

Japaner verzweifelt. Plötzlich schien es, als wäre die Natur

dem Inselvolk wieder zu Hilfe gekommen. Ein gewaltiger

Taifun trieb die Flotte der Angreifer auf die Felsenriffe.

Chubilai-Khan verlor die Hälfte seiner Krieger und mußte

abziehen. Die abergläubischen Japaner nannten aus Dankbarkeit

jenen Sturm Kamikaze - den göttlichen Wind; denn er

hatte sie vor der Vernichtung bewahrt. Knapp siebenhundert Jahre später beschwor der oberste

Kriegsrat des Imperiums den „göttlichen Wind" - wenn auch

in etwas anderer Form.

Waren jedoch alle Kamikaze Freiwillige? Wurzelte der Fanatismus

so tief, daß Tausende junger Menschen ohne mit der

Wimper zu zucken für den Tenno, den die meisten von ihnen

nie zu Gesicht bekommen hatten, in den Tod gingen? Rüstete

sich der durchschnittliche Flieger mit der gleichen Begeisterung

zu dem selbstmörderischen Flug auch dann noch, als er

schon begriffen hatte, daß das Ende des Krieges und die Niederlage

nahten? Die Wahrheit übertrifft die kühnste Phantasie, wie die weisen

Leute behaupten....