[Ronco 185] • Wilde Blume
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- Authors
- Grey, John
- Publisher
- Pabel/Möwig Verlag
- Tags
- heft-ronco
- Date
- 0101-01-01T00:00:00+00:00
- Size
- 0.18 MB
- Lang
- de
Juni 1879
Ich befinde mich noch immer in Colorado. Mit dem Heft auf den Knien sitze ich im Schatten eines Baumes, während Lobo einen Toten begräbt.
Wir sind völlig erledigt. Die ganze Nacht haben wir im Sattel gesessen und nach dem Mann gesucht, der jetzt, nur ein paar Schritte von mir entfernt, mit zerschossenem Schädel im Gras liegt.
Der Tote ist ein Schriftsteller aus den Oststaaten – oder besser, er war es. Erst war er wild darauf, über mich zu schreiben, dann stahl er mir einen Teil meiner Tagebuchaufzeichnungen und verschwand. Seitdem bin ich hinter ihm her. Jetzt habe ich ihn gefunden, aber das nutzt mir nichts mehr. Jemand hat ihn umgebracht, und ich werde herauskriegen müssen, wer es war, denn der Mörder hat die Leiche ausgeplündert und auch meine Aufzeichnungen mitgenommen. Ich kann mir nicht erklären, was für ein Interesse er daran haben kann. Vielleicht hat er sie nur irrtümlich eingesteckt, aber das glaube ich nicht. Ich vermute eher, daß schon wieder ein Verfolger auf meiner Spur reitet.
Ich werde es bald genau wissen. Der Mörder hat seine Fährte schlecht verwischt. Sowie Lobo die Leiche unter die Erde gebracht hat, werden wir die Verfolgung aufnehmen. Ich werde mir mein Eigentum zurückholen, das ist sicher, und dann werde ich mir den Mann genau ansehen, der sich dafür interessiert hat.
Die kurze Zeit, die mir für die Rast bleibt, will ich nutzen, um meine Aufzeichnungen fortzuführen. Seit mir ein Teil davon gestohlen worden ist, weiß ich wieder, wie wichtig sie mir persönlich sind. Außerdem lenkt es mich von meiner gegenwärtigen Lage ab, wenn ich an die Zeit meiner Kindheit und Jugend denke.
Vor zwanzig Jahren, 1859, befand ich mich in Kansas, von der Welt des Weißen Mannes, in die ich zurückgefunden hatte, ziemlich desillusioniert. Ich hatte ein Angebot, nach St. Joseph, Missouri, zu kommen und bei einer Postkutschengesellschaft zu arbeiten. Einem Agenten der Gesellschaft hatte ich am Arkansas River beigestanden, und ich glaube, ich hatte dem Unternehmen ein wenig nützlich sein können. Erst hatte ich das Angebot abgelehnt, aber da ich ohne Ziel war und keine festen Pläne hatte, hatte ich mich dann doch entschieden, den Weg nach St. Joseph anzutreten. Irgendwie mußte ich für meinen Lebensunterhalt sorgen, und es gab schlechtere Möglichkeiten, als für eine Kutschengesellschaft zu arbeiten.
Begleitet wurde ich noch immer von Shita, dem treuen Bastardhund, der mir ein echter Freund geworden war. Ich war froh, nicht allein zu sein, als ich ostwärts durch Kansas zog …