[Gutenberg 47322] • Alfried Krupp: Ein Lebensbild
- Authors
- Frobenius, Herman
- Publisher
- Dresden und Leipzig. Verlag von Carl Reißner.
- Tags
- alfred , 1812-1887 , krupp
- Date
- 2014-12-02T00:00:00+00:00
- Size
- 0.28 MB
- Lang
- de
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I.
Das väterliche Erbe.
Im selben Frühjahr, in welchem Napoleon Bonaparte sich anschickte, seine sieggewohnte Armee dem Verderben in Rußlands unermeßlichen Gefilden entgegenzuführen und damit seine tyrannische, fast ganz Europa umfassende Herrschaft dem ersten, bis in die Grundfesten sie erschütternden Stoße aussetzte, im selben Frühjahr erblickte der Mann in dem Städtchen Essen das Tageslicht, dessen geniale Schaffenskraft das starke Werkzeug schmieden sollte, welches 58 Jahre später der deutschen Armee zur Vernichtung des herrschsüchtigen Neffen, des letzten Napoleoniden, diente. Dasselbe Jahr, welches als Wendepunkt in der Geschichte der deutschen Nation sie eintreten ließ in eine Periode der kräftigsten Entwickelung, des ungeahnten Aufschwunges, es gab ihr auch mit der Geburt des Meisters die Waffen, um den übermüthigen Erbfeind zu Boden zu schlagen und dem Vaterland die langersehnte Einheit zu erkämpfen.
Am 12. April 1812 ward Alfried Krupp geboren.
Mitten in Deutschlands wichtigstem Steinkohlengebiet, in dem reizlosen, aber fruchtbaren, hügelbekränzten Thale der Ruhr, dort wo er mit seines Lebens schwerer Arbeit auch seine ans Wunderbare grenzenden Erfolge errang, in dem kleinen Städtchen Essen stand seine Wiege. Ja! klein, auffallend klein war noch der Ort mit seinen 4000 Einwohnern trotz des vollen Jahrtausends, auf das es seine Geschichte rückwärts verfolgen konnte. In jener Zeit der Geburt des ersten Deutschen Reiches, als das weite Erbe des großen Karl der Schauplatz der blutigen, ländergierigen Bruderkriege war, welche mit der endgültigen scharfen Trennung der gallischen und germanischen Volksstämme einen Abschluß fanden, damals ward Essen gegründet. Und ebenfalls ein Alfried war es, der Bischof Alfried von Hildesheim, welcher mit der Erbauung des alten Münsters den Mittelpunkt für die neue Ansiedelung formte; überaus langsam entwickelte sie sich, bis nach Verlauf eines Jahrtausends der zweite, größere Alfried, der, obgleich Protestant, den Namen des Schutzpatrons erhielt, die schlummernden Kräfte zu neuem, schaffensreichem Leben zu erwecken wußte und nicht nur seine Vaterstadt einem plötzlichen, überraschenden Wachsthum zuführte (die Einwohnerzahl betrug in seinem Todesjahre an 68000), sondern ihr die erste Stelle unter den Fabrikorten derjenigen großen Industrie errang, welche unter seiner Führung die Uebermacht des Auslandes siegreich überwand und die erste Bresche legte in die britische Weltherrschaft. Wie ein welterschütternder Heroldsruf wirkte dieser Sieg des Essener Fabrikherren auf den deutschen Handel und auf die deutsche Industrie und, wie er dem Heere die starke Waffe schmiedete zur Wiedergewinnung der seit 1000 Jahren der deutschen Nation zustehenden, heimtückisch vor 3 Jahrhunderten ihr geraubten linksrheinischen Lande, so führte er durch die selbstgeschaffene Bresche im friedlichen Wettkampf Deutschlands Handel und Industrie Schritt für Schritt vorwärts in Gebiete, welche Britannien bisher als seine alleinige Domäne zu betrachten sich angemaßt hatte. So erweiterte sich die von Alfried Krupp voll gelöste Lebensaufgabe aus der des patriotischen Waffenschmiedes, welche sich auf Stärkung der Wehrkraft des Vaterlandes und auf den Schutz seiner Grenzen richtete, zu der eines Bahnbrechers für die Idee eines „größeren Deutschland”, und er verstand in weiser Umsicht die beiden Wege zu betreten, welche diese zum Ziele führen müssen: Zusammenschluß der vaterländischen Kräfte durch friedliche Lösung der sozialen Aufgaben und Ueberflügelung der ausländischen Industrie durch intensivste Entwickelung u