Der Konsolidator
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- Authors
- Defoe, Daniel
- Publisher
- Edition Phantasia
- Tags
- weltliteratur
- ISBN
- 9783924959937
- Date
- 2016-06-01T07:00:00+00:00
- Size
- 0.82 MB
- Lang
- de
Daniel Defoe kennen wir so bisher nicht: als Mondreisenden. »Der Consolidator«, sein schon 1705 verfasster Roman, ist satirische Aufklärung in einem Europa des Absolutismus.
An der Epochenschwelle vom 17. zum 18. Jahrhundert, als das Empire auf dem Weg zur Weltmacht war, schrieb Daniel Defoe seinen Mondroman und erfüllte sich den Wunsch, endlich die lunare Welt zu bereisen und das außergewöhnliche Wissen der Mondbewohner zu erkunden.
Relaisstation für den Mondflug ist China. Die Mondzivilisation teilt ihre Technologie mit der ältesten Kultur auf der Erde. »Consolidator« heißt die Raumfähre, Defoe wird bequemerweise in Schlaf versetzt, am Ziel wacht er wieder auf. Die Erkundungen der lunaren Welt und das Kennenlernen der hochentwickelten Mondbewohner führt uns spektakuläre und amüsante Erfindungen vor, aber neben solcher Science-Fiction vor allem auch den großen Satiriker Defoe: er beobachtet anspielungsreich die Erdendinge aus der Ferne mit besonderer Schärfe und hält der realen Welt vom Mond aus einen Spiegel vor.
....... Wer vom Mond spricht, diesem uns nächsten und selbst mit bloßem Auge bis in seine Details kenntlichen Himmelskörper, der sagt in Wahrheit etwas über die Erde; will es aber nicht gesagt haben, da er doch den Transfer vollzieht; und hofft, auf diese letztlich ziemlich transparente Weise die irdischen Autoritäten zu äffen.
Bei Defoe sieht das so aus: Ein recht plumpes Raumschiff, genannt der Consolidator, steigt Richtung Mond in den Himmel auf, beflügelt von 513 exakt identischen Federn, 256 links und 256 rechts, sowie einer Steuerfeder in der Mitte. Diese präzisen Angaben verschafften den Zeitgenossen die befriedigende Gewissheit, dass hier eine Satire auf das britische Unterhaus mit seinen 513 Abgeordneten einschließlich Parlamentspräsident vorlag. Was das Verständnis damals beschwingte, erschwert es freilich in der Gegenwart. Ohne Anmerkungen erschließt sich dem Leser die satirische Allegorie nicht mehr.
.......
Man versteht Defoe sehr gut, wenn er nach der Erfahrung des Prangers (mit Blumen oder ohne) einem weiteren Prozess wegen "seditious libel", aufrührerischer Verleumdung also, aus dem Weg gehen wollte. Er wird gerade eben so deutlich, dass sein Publikum ihn begriff, und bleibt undeutlich genug, um der Strafverfolgung ein Schnippchen zu schlagen. Eine literarische Qualität ist das nicht. Seiner Transponierung englischer in lunare Verhältnisse muss man eine gewisse ermüdende Mechanik bescheinigen. Die Anglikaner werden zu "Solunariern", die Katholiken zu "Abrogatziern", die Dissenter (Protestanten, die sich von der Staatskirche distanzierten und denen Defoe selbst nahestand) zu "Crolianern". Und gerade so wie auf der Erde finden die englische Glorious Revolution, der Spanische Erbfolgekrieg und überhaupt alles in striktester Parallelität statt. Defoes Buch ist sicherlich eine unvergleichliche Quelle...............
(Süddeutsche Zeitung, 18. Dezember 2018)