[Gutenberg 41882] • Der Tor: Roman

[Gutenberg 41882] • Der Tor: Roman
Authors
Kellermann, Bernhard
Publisher
S. Fischer Verlag / Berlin
Tags
german fiction
Date
1909-01-01T00:00:00+00:00
Size
0.29 MB
Lang
de
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Es regnete, als man Grau begrub. Viele Leute waren gekommen, auch Fremde, die man noch nie gesehen hatte. Eine Menge Kränze und Blumen bedeckten Graus Sarg und noch Tage, ja Wochen nach seinem Tode trafen Kränze ein. Ein Gärtner hatte einen wunderbaren Kranz mitgebracht, man hatte noch nie zuvor solch einen Kranz in der Stadt gesehen. Auch Adele war gekommen.

Der Dekan von Weinberg hielt die Rede. Es war ein schöner Mann mit blondem Vollbart, der sich selbst stets einen echten Germanen nannte. Er prüfte, ob das Brett fest sei, das man wegen des Schmutzes gelegthatte, und der Kirchner mußte die ganze Zeit einen Regenschirm über ihn halten.

Dicht am Grabe standen zwei fremde Offiziere, die Helme in der Hand. Sie hatten rötliches Haar und helle Augen und jeder sah, daß sie Graus Brüder waren.

Der Dekan sprach, er sprach von dem jugendlichen Eifer Graus, seiner großen Nächstenliebe, den himmlischen Herrschern und vielem anderen. Je mehr er sprach, desto spöttischer lächelte Eisenhut, schließlich räusperte er sich unverschämt und endlich hustete er. Der Dekan mit dem blonden Vollbart warf ihm zornige Blicke zu.

Der Dekan hatte geendigt, da trat Eisenhut ans Grab. Er hob die Hand, zum Zeichen, daß er sprechen wolle. Dann sprach er.

„Hochverehrte Anwesende —“ so sprach Eisenhut —„dieser Mensch, den wir heute begraben — er ist —“

Er konnte nicht fortfahren. Eisenhut war kein Redner. Die Leute sahen ihn erstaunt an und unterdrückten ein Lächeln.

Adele ging hinaus zu Mütterchen. Mütterchen saß allein in der Stube, die Hände im Schoß.

„Welche Freude!“ sagte sie. „Wenn Susanna wüßte, daß Sie mich besuchen!“

Adele setzte sich in den Sessel.