[Ronco 270] • Missouri-Guerillas

[Ronco 270] • Missouri-Guerillas
Authors
Grey, John
Publisher
Pabel/Möwig Verlag
Tags
heft-ronco
Date
0101-01-01T00:00:00+00:00
Size
0.18 MB
Lang
de
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2. März 1881

Die Höhen der Sierra Datile recken sich weit nördlich von mir in den Himmel. Milde Frühjahrswinde streichen von den Bergrücken im Westen heran.

Ich reite nordwärts, auf der Spur eines Mannes. Er hat eine Verbindung zu Andrew Hilton, der sich zwar in Mexiko versteckt hat, aber wieder äußerst rege und aktiv geworden ist und seine Fühler durch Mittelsmänner längst wieder über die Grenze ausgestreckt hat.

Das allein aber ist nicht der Grund, warum ich auf der Spur dieses Mannes reite. Er wird vom Gesetz gesucht, und das Gesetz vertrete ich.

Es ist fast drei Wochen her, seit ich die Ernennungsurkunde überreicht erhielt, aber es fällt mir noch heute schwer, es selbst zu glauben: In meiner Tasche steckt ein silbernes Abzeichen, das mich als US-Deputy-Marshal ausweist. Mich, einen Mann, der von dem Gesetz jahrelang erbittert gejagt wurde. Zu Unrecht, wie sich herausstellte.

Ich bin auch weiterhin entschlossen, meine Geschichte aufzuschreiben. Als ich damit anfing, tat ich es, weil ich nicht glaubte, jemals rehabilitiert zu werden, weil ich wollte, daß zumindest ein Dokument von mir übrigbleibt, in dem die Wahrheit steht. Heute tue ich es für meinen Sohn, damit er eines Tages das Leben seines Vaters kennt und lernt, mich zu verstehen.

Im Jahre 1865 war ich siebzehn Jahre alt, und ich war bereits ein Mann. Die Erfahrungen, die ich damals sammelte, erweisen sich noch heute als nützlich. Der Bürgerkrieg war damals gerade vorüber. Es war Ende April. Die Waffen schwiegen, und ich war sicher, daß alle, die den Krieg in seiner dreckigen Erbärmlichkeit erlebt hatten, sich nach dem Frieden sehnten wie ein Verdurstender nach einem Schluck Wasser. Das war ein Irrtum, denn – und das war eine der Erfahrungen, die ich zu jener Zeit sammelte – der Frieden ist immer eine Sache der Vernunft. Aber die Unvernunft ist ewig. Das Blutvergießen und Sterben gingen weiter, auf den Schlachtfeldern des heimtückischen Buschkrieges, unter dem Zeichen der verlogenen Ideale des Guerillakampfes. Und ich war dabei. Wieso, warum – ich weiß es nicht. Mich lockte bestimmt nicht der Kampf, nicht das Abenteuer. Diese Phase meiner Entwicklung hatte ich hinter mir. Ich war wohl einfach zu tief in all dem verstrickt. Ich konnte mich davon nicht einfach befreien. Als Scout der Unionsarmee war ich ein Teil dieses Krieges geworden, und damit auch automatisch ein Teil seiner teuflischen Nachgeburt. Schon in jenen Jahren war ich zu der Überzeugung gelangt, daß der Kampf wohl mein Schicksal war. Je heftiger ich versuchte, ihm zu entrinnen, je tiefer verstrickte ich mich in ihm. Mein Weg war vorgezeichnet …