Wasserimport aus Regionen ohne Wasser

Doch der Erdbeerkauf ist noch mehr als eine Frage des Geschmacks. Das hat auch damit zu tun, dass Deutschland nur etwa 20 Prozent seines Obstes selbst produziert, beim Gemüse beträgt der Selbstversorgungsgrad auch nur knapp 40 Prozent. Bei Gemüse und Obst ist Deutschland also stark auf Importe aus dem Ausland angewiesen, bei Erdbeeren sogar zu rund 60 Prozent, wobei Spanien das mit Abstand größte Lieferland ist. Mit den Erdbeeren aus Spanien importiert Deutschland auch Wasser von dort, man kann die Menge bei 300 Litern pro Kilo Obst ansetzen, so viel verbraucht die Erzeugung, wie der WWF einmal ausgerechnet hat. Aus der umgekehrten Perspektive könnte man sagen, dass wir das Problem des knappen Guts Wasser exportieren und vor Ort verschärfen. Und das gilt nicht nur für spanische Erdbeeren, sondern auch für viele andere Obst- und Gemüsesorten aus dem Ausland, deren Erzeugung dort nicht nur die kostenlose Sonnenenergie in Anspruch nimmt, sondern auch die Böden auslaugt und mit Pestiziden belastet, Landschaften zerstört und Wasserkrisen verschärft.

Besonders schlimm ist es im und am Rand des andalusischen Nationalparks Coto de Doñana an der südwestlichen Spitze Spaniens unweit von Sevilla. [1] Das Feuchtgebiet ist ein Eldorado für Zugvögel und andere Tiere und Pflanzen, die UNESCO hat es vor vielen Jahren zum Weltnaturerbe erklärt. Doch es droht auszutrocknen und zu veröden – auch wegen des Anbaus von Erdbeeren für deutsche und europäische Supermarktketten. Im und um den Nationalpark in der Provinz Huelva, die als der größte Erdbeerproduzent der Welt und Europas Obstgarten gilt, soll es rund tausend illegale Brunnen geben, aus denen Bäuerinnen das immer knapper werdende Wasser pumpen, um ihre Erdbeer-, Himbeer- und Heidelbeerfelder sowie Zitrusplantagen zu bewässern. Illegal sind nicht nur viele Brunnen, sondern auch viele Felder und Plantagen. Die Folge: Der kontinuierlich sinkende Grundwasserspiegel bedroht die gesamte Region. [2]

So sind der Nationalpark und seine exportorientierten Obstbauern längst zum europäischen Politikum ersten Ranges geworden: Weil spanische Behörden und Politikerinnen seit Jahren weitgehend untätig zuschauen und der auf Export ausgerichteten Landwirtschaft keine Grenzen setzen, reichte die EU -Kommission Klage beim Europäischen Gerichtshof ein. Der verurteilte Spanien Mitte 2021 wegen unverhältnismäßiger Grundwasserentnahme und wegen Verstoßes gegen die europäischen Wasserrichtlinien. Doch damit ist der Konflikt zwischen wirtschaftlichen Interessen und Naturschutz, zwischen regionalen und europäischen Anforderungen nicht ausgestanden. Denn es gibt Anzeichen dafür, dass die andalusische Regionalregierung die illegale Bewässerung legalisieren will – ungeachtet der Wassernot und des Klimawandels.

Und mittendrin im Konflikt um Obst und Gemüse aus wasserknappen Anbaugebieten stecken die deutschen Supermarktketten. Aldi zum Beispiel betreibt jetzt nach eigenen Worten »Wasserschutzpolitik« und verpflichtet seit Mitte 2022 viele seiner Lieferanten zu wassersparenden Produktionsmethoden. Die Vorgaben gelten für die 15 meistverkauften Obst- und Gemüseartikel, die aus Wasserrisikogebieten stammen, darunter Avocados aus Peru und Tomaten aus Spanien, aber auch Erdbeeren, Bananen, Weintrauben, Äpfel, Kartoffeln und Kopfsalat.

Wie Aldi arbeitet auch Edeka mit der Natur- und Umweltschutzorganisation WWF zusammen. Gemeinsam bewerten sie die Wasserrisiken in den Lieferketten und zertifizieren Betriebe, die nachweisen, dass sie ihr Wasser legal beziehen. In einem Projekt mit zwölf Zitrusfarmen unweit des Doñana-Nationalparks habe man innerhalb eines Jahres 1,4 Milliarden Liter Wasser eingespart, heißt es im Edeka-Geschäftsbericht (2020).

Doch Wasser zu sparen bedeutet nicht zwingend, weniger Wasser zu verbrauchen , wie der WWF deutlich macht: Auf Wasserknappheit würde meist mit technologischem Fortschritt und Effizienzsteigerung reagiert. Doch in Anbauregionen wie Südspanien zeige sich, »dass selbst eine auf die Spitze getriebene Bewässerungseffizienz das Problem des Wassermangels nicht mehr löst«, sondern sogar verstärken kann. Dann nämlich, wenn »das eingesparte Wasser für eine Ausweitung der Produktion genutzt wird. So wird zwar ein Verlust von Wasser vermieden, letztlich aber insgesamt mehr verbraucht. Dieses bekannte Phänomen nennt man Rebound-Effekt oder Jevons-Paradoxon.« [3]