18. Illusion Verbrauchermacht

Unser Rundgang durch den Supermarkt bestätigt auf ganzer Linie jene Verbraucherumfragen, denen zufolge die Mehrheit der Menschen bemängelt, die Qualität von Lebensmitteln beim Einkauf nicht erkennen zu können: Gemäß der eingangs erwähnten Untersuchung der Marketingberatung Zühlsdorf + Partner und des Lehrstuhls »Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte« der Universität Göttingen räumten 86 Prozent der Befragten ein, bei vielen Angaben auf Lebensmitteln nicht mehr oder nur noch teilweise durchzublicken; gut 70 Prozent bejahten, dass auf Lebensmittelverpackungen »viel getrickst« wird, weitere 25 Prozent stimmten teilweise zu. Das bedeutet, dass keine fünf Prozent (!) der Menschen im Supermarkt den Eindruck haben, dass sie offen und ehrlich informiert werden. Welch schallende Ohrfeige für die Handelskonzerne. [1]

Profunde Kenntnis über Lebensmittel, das ist die zentrale Erkenntnis dieses Buchs, kann unsere Einkäufe gar nicht leiten. Denn wir wissen nicht wirklich, was drin ist in den Lebensmitteln. Wie sie hergestellt wurden. Ob sie Pestizide enthalten. Wo die Ware genau herkommt. Wie ihre Klima- und ihre »soziale Bilanz« aussehen. Was die Zusatzstoffe bewirken. Und weil wir all diese qualitätsbildenden Parameter nicht oder nur schemenhaft erkennen können, wissen wir auch nicht, ob das Produkt im Vergleich zu einem anderen seinen Preis wert ist. Wir wissen so wenig und sind gezwungen, einfach zu vertrauen. Wir sind nicht die souveränen Marktteilnehmer auf Augenhöhe, die über eine wirkliche »Wahlfreiheit« verfügen, und auch nicht diejenigen, die durch ihre Nachfrage eine Art »Volksabstimmung an der Kasse« (O-Ton Rewe-Sprecher) abhalten. Wir können nur kaufen, was uns die Supermärkte in die Regale stellen.

Bio-Produkte sind eine teurere Alternative und verbessern die Wahlfreiheit. Die ökologischen Vorteile durch den (weitgehenden) Verzicht auf Pestizide, Mineraldünger und Gentechnik liegen auf der Hand, auch wenn der Ausstoß von Treibhausgasen insbesondere bei der Fleisch- und Milcherzeugung mit der konventionellen Herstellung vergleichbar ist. Auch Wasserverschmutzung, Waldzerstörung oder klimaschädliche Transportwege sind für den gesetzlichen Öko-Standard keine Kriterien. Bei verarbeiteten Bio-Lebensmitteln werden – je nach Anbauverband – weniger Zusatzstoffe eingesetzt, das ist unbestreitbar ein Vorteil. Doch bezüglich der Transparenz, etwa über die Herkunft oder unerwünschte Substanzen wie Mineralöl, sind Bio-Lebensmittel kaum besser. Dies ist nicht verwunderlich, denn für sie gelten im Prinzip die gleichen Kennzeichnungs- und Transparenzvorschriften wie für konventionelle Produkte.

Auch vegetarische und vegane Lebensmittel sind kein Ausweg aus der Transparenzfalle in den Supermärkten. Für die vegane Kost spricht zwar, dass keine Tiere leiden müssen. Doch auch diese alternativen Ernährungsweisen sind mit negativen Umweltauswirkungen (Treibhausgase, Pestizide, Mineraldünger) verbunden. Auch Täuschungspraktiken sind bei veganen und vegetarischen Lebensmitteln an der Tagesordnung. Und vor unausgewogenen, ungesunden Produkten schützt diese Ernährungsweise ebenfalls nicht.