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„Ein Schatten ihrer selbst“

Letzte Jahre

Livadia – Erster Sohn der Dolgorukowa – Hochzeit der Tochter Maria mit dem Herzog von Edinburgh (1874) – Augusta Stanley – Verlobung Wladimirs mit Marie zu Mecklenburg – San Remo – Bernhard von Bülow in St. Petersburg – Serbisch-türkischer Krieg – Aufstand in Bulgarien – Agitation für die Südslawen – Eingreifen Russlands – Berliner Kongress (Juni/Juli 1878) – Letzte Reise an die Côte d’Azur – Fünftes Attentat auf Alexander (1879)

1872–1880

„Heute Morgen ist die Herrscherin und Kaiserin auf die Krim abgereist“, notiert Minister Walujew im März 1872 in seinem Tagebuch. „Ihr werden am Freitag der Herrscher und Königin Olga folgen, deren Aufenthalt hier durch den kränklichen Zustand der Kaiserin plötzlich verkürzt wurde. Über das Wesen und den Grad der Erkrankung eine genaue Vorstellung zu erhalten, ist bei der Vielzahl unterschiedlicher Gerüchte sehr schwer. Es scheint aber, dass die Lungen tatsächlich angegriffen sind und dass Doktor Hartmann das Übel nicht rechtzeitig erkannt und es außer Acht gelassen hat. Doktor Botkin hat die Krankheit diagnostiziert, und die Reise auf die Krim wird auf seine Veranlassung hin unternommen.“1

Anders als die (zumeist deutschstämmigen) Hofärzte hatte sich Dr. Sergej P. Botkin, seit 1870 Leibmedikus des Kaiserlichen Hofes und der erste Russe auf diesem Posten, bei der Diagnose nicht auf ein simples Befragen der Patientin beschränkt, sondern sie gründlich untersucht und war zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kranke an einer Lungentuberkulose im Anfangsstadium litt. Seine Anordnung, sie auf die Krim zu schicken, war daher zwingend. Nur das dortige Klima schien ihm geeignet, der Kaiserin Erleichterung zu verschaffen, sie womöglich zu heilen. Maria fasste sofort Vertrauen zu Dr. Botkin und veranlasste ihn, sie in den Süden zu begleiten.

So musste sie nicht miterleben, dass Katharina Dolgorukowa im Mai 1872 ihr erstes Kind schreiend auf dem Sofa im Kabinett und Sterbezimmer Nikolaus’ I. im Erdgeschoss des nordwestlichen Risalits des Winterpalastes zur Welt brachte! Ausgerechnet dort, ein ungeheurer Fauxpas! Die Mätresse hatte darauf bestanden, im Palast zu entbinden, damit jedermann bei Hofe erfuhr, um wessen Kind es sich handelte. Alexander war bei der Geburt dabei, und als es Komplikationen gab, entschied er, dass auf jeden Fall die Mutter zu retten sei. Das Kind war ein Sohn, der Georgij („Gogo“) genannt wurde und den Vatersnamen Alexandrowitsch erhielt, was einer Anerkennung der Vaterschaft durch den Kaiser gleichkam.

Nach ihrer Rückkehr aus Livadia im Herbst musste Maria – gut erholt – hinnehmen, dass „diese Frau“ ihren Mann nun auch im Palast aufsuchte. Aus dem Fenster des Himbeerfarbenen Kabinetts konnte sie die Equipage sehen, die fast täglich vor dem Saltykow-Eingang vorfuhr, worauf wenig später ein Lichtschein aus den Fenstern des Kabinetts Nikolaus’ I. fiel. Nun verstand sie, dass diese Affäre keine flüchtige Laune war. Aber sie schwieg und verschloss ihren Kummer in sich. Alexander sorgte sich zwar um seine Gattin und behandelte sie höflich, doch die alte Vertrautheit war dahin.2 Maria war tief verletzt, suchte Trost im Glauben und ging nun dreimal am Tag in die Messe in der Kleinen Palastkirche.3

Fürst Kropotkin, der sich einst so freundlich über die Kaiserin geäußert hatte, sah sie nun kritisch: „Die Kaiserin Marie Alexandrovna wurde, da ihr Gatte sich von ihr wandte und die neue Phase des Hoflebens sie wahrscheinlich abstieß, mehr und mehr zur Betschwester, und es dauerte nicht lange, so befand sie sich ganz in den Händen des Palastpopen, des Vertreters eines ganz neuen Typus – des jesuitischen – in der russischen Kirche.“4 Kropotkin meinte Protopresbyter Wassilij B. Baschanow, den Beichtvater der kaiserlichen Familie, der manchen als Fanatiker galt. Er hatte Maria in der Orthodoxie unterwiesen und war auch Religionslehrer ihrer Kinder gewesen.

Neben ihrem Schlafzimmer hatte Dr. Botkin, der in Kliniken und Praxen bekannter Ärzte in Westeuropa gearbeitet hatte, ein Zimmer einrichten lassen, in dem sie außer Sauerstoff auch Wasserdampf mit verschiedenen Zusätzen inhalieren konnte. Abends wurde sie mit Salbe eingerieben, die helfen sollte, die schweren nächtlichen Anfälle zu mildern.5

Im Januar 1873 starb Großfürstin Jelena Pawlowna, die Alexander bei seinem Reformwerk so tatkräftig unterstützt hatte. Somit waren Anfang der 1870er Jahre von den Reformern nur noch Konstantin Nikolajewitsch, der General-Admiral, und Kriegsminister Dmitrij A. Miljutin an Alexanders Seite. Besonders Kosty nervte den Bruder und versuchte, den früheren Reformer wieder zu wecken. Doch die Zeit der Reformen war vorbei, die Zeit des Terrors war gekommen. Und Alexander war müde.

„Was für ein auffallender und trauriger Vergleich mit den Umständen, unter denen ich vor 13 Jahren in die Regierung eingetreten bin“, notiert Miljutin, ein kluger Mann, der für die Militärreform verantwortlich zeichnete und sein Werk noch nicht vollendet sah. „Damals strebte alles vorwärts, jetzt zieht alles zurück. Damals fühlte der Herrscher für den Fortschritt, er selbst bewegte sich vorwärts; jetzt hat er das Vertrauen in alles verloren, was er geschaffen hat, in alles, was ihn umgibt, sogar sein Selbstvertrauen.“6 Miljutin war im Begriff, die allgemeine Wehrpflicht einzuführen und die aktive Dienstzeit von 15 auf 6 Jahre zu verkürzen.

Im Frühjahr 1873 wünschte sich die Kaiserin in Italien zu erholen, und Fjodor I. Tjuttschew verfasste die Grußadresse An Ihre Majestät aus Anlass ihrer Abreise. Ihre Wahl war auf Sorrent gefallen. Am 1./13. März 1873 reiste sie ab.

Der Kaiserin Maria Alexandrowna

Wir treten Sie der Sonne des Südens ab,

Sie allein – müssen wir bekennen,

Liebt Sie wärmer als wir,

und dennoch, obwohl hier das Reich des Winters ist,

würden wir diese Orte mit keinen anderen Ländern tauschen.

Hier bei uns bleibt Ihr Herz.

Gehen Sie, fahren Sie mit Gott,

aber Ihr Herz ist uns ein Pfand,

dass Sie bald zu uns zurückkehren […]7

In Sorrent stieg sie im Imperial Hotel Tramontano ab, das heute noch stolz darauf ist, eine Kaiserin von Russland zu seinen Gästen gezählt zu haben. Der hinreißende Blick auf die Bucht von Neapel und den Vesuv mag dazu beigetragen haben, dass sie längere Zeit in Sorrent blieb, und da Dr. Botkin die Kaiserin nun immer begleiten musste, hatte er dort genug Gelegenheit, seine Patientin und ihre Suite aus nächster Nähe zu beobachten. Sein Urteil über das Gefolge der Kaiserin fiel nicht schmeichelhaft aus: Selbstliebe, Neid, Egoismus, leere Phrasen, Heuchelei usw. „Besonders schwer ist, dass man sich vollkommen allein fühlt“, schreibt Botkin seinem Bruder, „nur Bücher, nur die Kranken, ohne jedes Mitgefühl – schwer. Die angenehmste Person ist sie selbst [d.h. die Kaiserin, M.B.], aber Du kannst Dir vorstellen, dass die Beziehungen zu ihr die drückende Leere der übrigen Gesellschaft nur unzureichend ausgleichen.“8 Die Leere muss auch Maria selbst empfunden haben.

Sie war in Sorrent, als Wilhelm I. noch einmal nach Petersburg kam, das er in seiner fernen Jugend so oft besucht hatte. Der alte Kaiser wurde außerordentlich herzlich empfangen.9 Eine riesige Menschenmenge schrie begeistert Hurra, als Alexander mit seinem Onkel auf den Balkon des Winterpalastes trat.10 Seine erste Ausfahrt führte Wilhelm in die Festung an die Gräber Nikolaus’ I. und Charlotte-Alexandras, die seine Lieblingsschwester gewesen war. Er verstand sich gut mit seinem Neffen, sie hatten sich immer gut verstanden. Zuletzt hatten die beiden sich im Sommer 1871 auf dem Heiligenberg getroffen, „und ihr Verwandtschafts- und Freundesverhältnis schien inniger denn je zu sein“.11 Wilhelm liebte Russland, er hatte die preußisch-russische Waffenbrüderschaft im Kampf gegen Napoleon nicht vergessen. Ihm wäre es vielleicht gelungen, Marias Preußenfeindlichkeit zu mildern. Ein Gemälde von Mihaly Zihy zeigt „Onkel Willy“ und seinen Neffen Sascha beim Frühstück im Himbeerfarbenen Salon der Kaiserin im Winterpalast. Man kann sich vorstellen, dass die beiden über den Konsultativpakt zwischen Russland, Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich gesprochen haben, der im Oktober 1873 abgeschlossen wurde und als Dreikaiserabkommen in die Geschichte eingegangen ist. Es war eine Neuauflage der Heiligen Allianz, eine Bekräftigung konservativer Solidarität in Europa. Damit hatte Bismarck das neue Deutsche Reich in die europäische Bündnispolitik eingebunden und Frankreich vorübergehend isoliert.

Für den Beginn der zweiten Welle der „Bewegung ins Volk“ im „verrückten Sommer“ 1873 gab es keinen aktuellen Anlass. Allerdings war das Studium im Ausland wieder verboten worden, und eine Reihe radikal gesinnter Studenten, die im Ausland, u.a. in Genf, Zirkel gebildet hatten und die Revolution predigten, kehrte nach Russland zurück.12 Nun waren es Tausende, die „ins Volk“ gingen, bei den bäuerlichen Massen aber wieder nichts ausrichteten, von den Bauern oftmals sogar den Gendarmen ausgeliefert wurden. Enttäuscht und desillusioniert radikalisierten sich diese jungen Menschen, und aus den Idealisten wurden Terroristen.

In ihren Briefen an den Bruder erwähnt Maria nun häufig Anarchisten und Verschwörer, die angeblich den „schrankenlosesten Sozialismus und die Vernichtung aller jener durch Gift und Eisen predigen, die nach ihrer Meinung der privilegierten Klasse angehören“.13

Im November 1873 brachte die Dolgorukowa ihre Tochter Olga zur Welt. Und es wurde nun immer deutlicher, dass der Kaiser faktisch zwei Familien hatte, obwohl er selbst meinte, sein Verhältnis sei ein Geheimnis. Es war ein öffentliches Geheimnis.

Größten Kummer bereitete ihm, dass seine geliebte Tochter Maria nun auch heiraten würde. Ihren Bräutigam, Alfred Duke of Edinburgh, den zweiten Sohn Victorias, hatte sie vor ein paar Jahren auf dem Heiligenberg kennengelernt, und schon damals hatte „Affie“ erklärt, dass er sie heiraten wolle. Seine Mutter war nicht erbaut von den Heiratsplänen ihres Sohnes. Seit dem Krimkrieg hatte sie eine tiefe Abneigung gegen Russland und die Romanows. Die Antipathie beruhte auf Gegenseitigkeit. Die Kaiserin äußerte sich abfällig über Victoria, und Alexander nannte die Königin, in die er sich einst ein bisschen verliebt hatte und die zwei Jahre jünger war als er, ein „silly old fool“. Aber seine Tochter zog den Briten jedem deutschen Prinzen vor und setzte sich durch.

Die Hochzeit fand am 23. Januar 1874 in St. Petersburg statt – ohne die Mutter des Bräutigams. Die anglikanische Trauung vollzog Arthur Stanley, Dean of Westminster, der seine Predigt vorher der Brautmutter und der Braut vorlesen musste. Gräfin Bludowa hatte den Auftrag, die englischen Damen aus der Suite des Herzogs zu betreuen, bevor sie der Kaiserin vorgestellt wurden. „Sie erschien bald, sah aus wie eine alte runde französische Lady, dick, mit Haube – nette Augen, sehr klug – sprach Englisch ‚à fond‘ und war sehr versiert in allen theologischen und kirchlichen Fragen“, schreibt Augusta Stanley. „Uns wurde erzählt, dass sie von vielen als ‚devot‘ gehasst wird und als jemand, der beträchtlichen Einfluss auf die Kaiserin hat und sie in ihrem religiösen Eifer russischer als die Russen macht.“14

Lady Augusta war aufgeregt, als sie der Kaiserin endlich vorgestellt wurde, obwohl sie als Hofdame der Queen Erfahrung in höfischen Sitten hatte. „Die Kaiserin war ganz allein, in Dunkelgrün gekleidet, mit einer schwarzen Schleife im Haar“, berichtet sie ihrer Schwester. „Sie empfing uns sehr herzlich, und ich war recht eingenommen von ihrer Grazie und ihrem Charme […]. Sie sieht keinem Mitglied der Familie Hessen auch nur im mindesten ähnlich, so viel vornehmer und gutaussehend. Sie sprach über uns und unsere Reise und Arthur etc. etc., und dann kam die Großfürstin [die Braut], lieb und strahlend. Ich fand nicht, dass sie so hübsch war wie auf ihrem Foto: aber so nett und frei, wie Du sie beschrieben hast, und sie sah so glücklich aus. […] die Kaiserin traute sich offensichtlich nicht, über das zu sprechen, was ihrem Herzen am liebsten war, und ich glaube, sie hat sich niemals erlaubt zusammenzubrechen. Armes Ding, ich glaube, sie findet, so gut es geht, Trost und Halt beim Anblick ihrer Tochter und ihres Glücks, aber es ist einfach eine Qual für sie – für beide.“15

Alexander habe „in Arthurs Gegenwart“ weniger Haltung bewiesen als seine Frau und ständig Tränen in den Augen gehabt, schreibt die Lady weiter. Auch ihrer Mutter sei Maria nicht nur Tochter, sondern ebenso Freundin gewesen, sie sei aber spontaner als die Kaiserin. Nun wolle sie „eine vollendete Engländerin“ werden, und das Beispiel ihrer Mutter in Russland habe sie gelehrt, wie das Land ihres Ehemannes zu adoptieren sei.16

„Heute erfolgte, entsprechend dem uralten Zeremoniell, die Hochzeit der Großfürstin Maria Alexandrowna mit dem Prinzen Alfred“, notiert Minister Walujew. „Ich habe den Winterpalast noch nie so voll und überfüllt gesehen. Von den erlauchten Personen waren außer dem Herrscher und der Kaiserin, dem Zesarewitsch und der Zesarewna anwesend zehn Großfürsten, vier Großfürstinnen, der preußische Kronprinz und der dänische, der Prinz von Wales, die Prinzessin von Wales, die preußische Kronprinzessin, die Prinzessin M.M. von Baden, die Prinzessin von Oldenburg, Prinz Arthur von Großbritannien, der Herzog von Coburg, drei Prinzen von Oldenburg und Prinz Alexander von Hessen. Bis zu 50 Ausländer in den Suiten. Die Vielzahl unserer Höflinge wird von Tag zu Tag unangenehmer. Ihretwegen ist nirgends Platz. Ich musste die Kirche verlassen, deshalb war ich bei der Trauung nach unserem Ritus nicht anwesend, aber ich sah und hörte den englischen Ritus gut, den der Dekan von Westminster im Alexander-Saal vollzog. Der Gesichtsausdruck der Kaiserin war während dieses Zeremoniells psychisch und physisch so leidend, dass sich meine Augen bei jedem Blick auf sie von Tränen trübten und ich gezwungen war, sie auf andere Personen zu richten. Die Großfürstin hat beide Riten ungeachtet der Last der Brillantkrone, des Samtmantels usw. ohne Anzeichen von Schwäche durchgehalten. Um 5 Uhr war ein Essen für 700 Personen, tatsächlich speisten 690, während es bis jetzt nicht ein einziges Mal vorgekommen ist, dass mehr als 500 speisten.“17

Auch Lady Augusta war erschüttert vom Anblick der Kaiserin, die sie nur „the poor empress“ nennt: „Die arme Kaiserin, ich kann nicht beschreiben, wie sie aussah, ‚éteinte‘ [erloschen; französisch im englischen Text, M.B.] scheint mir die richtige Beschreibung zu sein. Die Braut war sehr süß und sanft und ruhig, aber froh und sehr charmant.“18 Zum Ball war „the poor Empress“ nicht erschienen. Die Polonaise eröffnete der Kaiser mit Lady Augusta.

Ahnte Maria, dass ihre Tochter in England nicht glücklich werden würde? Das junge Paar liebte sich und hatte gemeinsame Interessen, sie spielte Klavier, er Geige. Aber die neue Herzogin von Edinburgh fand London hässlich, langweilte sich entsetzlich am Hof von St. James und litt unter einem Mangel an Anerkennung. Sie, die Kaisertochter, musste ständig hinter der Princess of Wales, die „nur“ eine dänische Königstochter war, zurückstehen. Zwar war sie von Geburt eine Kaiserliche Hoheit, doch als Frau des Herzogs von Edinburgh war sie nur eine Königliche Hoheit. Wer war also höher gestellt, die Princess of Wales oder die Duchess of Edinburgh? Die Princess of Wales, geb. Alexandra von Dänemark, war eine Schwester der Zesarewna Maria Fjodorowna, geb. Dagmar von Dänemark. Also waren die Prinzessin und die Herzogin Schwägerinnen, aber das hatte nichts zu bedeuten. Maria Alexandrowna wurde keine „vollendete“ Engländerin, sie fuhr häufig nach Hause.

Mit der Hochzeit ihres Schützlings war die Tätigkeit der Gräfin Tolstaja als Erzieherin zu Ende. Sie wurde mit dem St. Katharinen-Orden ausgezeichnet, durfte ihren Rang als Hofdame und deren Einkommen sowie ihre Wohnung im Winterpalast behalten und reiste nun viel, fuhr aber fort, ihre Beobachtungen aufzuzeichnen.

Kaum war seine Schwester nach England abgereist, verlobte sich Wladimir Alexandrowitsch in Schwerin mit Marie („Miechen“) zu Mecklenburg-Schwerin, die er in Berlin kennengelernt hatte. Alexander fuhr hin und begab sich danach für acht Tage nach England. Alexej begleitete ihn. Victoria fand ihn „sehr nett, aber schrecklich verändert, so dünn und sein Gesicht sieht so alt, traurig und erschöpft aus“.19 Es kam zu keiner englisch-russischen Annäherung, zu unterschiedlich waren die Interessen der beiden Mächte in Asien.

Im August 1874 heirateten Wladimir und „Miechen“, die nun Maria Pawlowna hieß. Sie war die erste deutsche Prinzessin seit Charlotte von Braunschweig-Wolfenbüttel, der Schwiegertochter Peters des Großen, die Lutheranerin blieb, wahrscheinlich sehr zum Missfallen ihrer Schwiegermutter. Erst viel später entschloss sie sich, doch noch zu konvertieren.

Den Winter 1874/75 verbrachte Maria zum ersten Mal in San Remo, wo Alexej K. Tolstoj sie besuchte. Da er stark hustete, tat es ihr schnell leid, dass sie ihn hatte kommen lassen. „Und auf ihrem Gesicht war zu sehen, dass es ihr wirklich leid tat“, schreibt Tolstoj seiner Frau. „Die Kaiserin ist allem Anschein nach gesund. Sie fragte mich mehrfach nach Dir, immer mit großem Interesse. Ich frühstücke, esse und trinke Tee bei ihr.“20 In der Gesellschaft des Grafen fühlte sich Maria wohl, und wie Tolstoj seiner Frau berichtet, hatten seine Lesungen großen Erfolg. Über die Satire „Der Traum des Staatsrats Popow“ lachte sie Tränen und bat um eine Abschrift. „Sie ist schrecklich nett zu mir, und alle sehen das. […] Ich muss beim Essen fast immer neben ihr sitzen. […] Ich erzähle ihr alles, was mir in den Kopf kommt, oft auch Anekdoten über Monarchen, Priester und verschiedene Heilige.“21

Sie war traurig, als Tolstoj Anfang Februar 1875 nach Florenz abreiste, um dort seine Frau zu treffen. In Florenz arbeitete er am Poem Der Drache und an Jagderinnerungen, die nicht erhalten sind. Wir können annehmen, dass er seiner Kaiserin die neuen Arbeiten gleich geschickt hat. Der Aufenthalt in San Remo gefiel ihr so gut, dass sie der Stadt zum Abschied 1000 Palmen für eine neue Uferpromenade schenkte, die schon 1875 Corso Imperatrice genannt wurde. Die Stadt erhielt nun ein Kasino und einen Golfplatz, Villen wurden gebaut, und bald war San Remo als Ferienziel beim russischen Adel genauso beliebt wie Nizza.

Als Maria Anfang 1875 nach Petersburg zurückkehrte, hatte sich etwas verändert oder begann sich zu verändern. Es ist aber fraglich, ob sie diese atmosphärischen Änderungen wahrgenommen hat. Wir wollen deshalb eine andere Zeitzeugin zitieren. „Gleich nach meiner Rückkehr nach Petersburg im Jahre 1876 bemerkte ich eine Änderung in den Beziehungen der Gesellschaft und der Regierung; allenthalben äußerten sich in den Gesprächen Kritik und Unzufriedenheit“, schreibt Elisabeth Naryschkina-Kurakina, die Oberhofmeisterin und Staatsdame. Sie konnte nicht wissen, dass ein Teil der „Volksfreunde“, enttäuscht vom Versuch, im Dorf Fuß zu fassen, nunmehr von der Predigt zur Aktion übergehen wollte. Im Sommer 1876 entstand eine zweite geheime Organisation namens Land und Freiheit, die ihr Augenmerk nun schon auf die städtische Arbeiterschaft richtete und ihre Ziele nicht nur durch Agitation und Propaganda erreichen wollte, sondern auch durch individuelle Terrorakte gegen verhasste Beamte und entlarvte Polizeispitzel. Attentate könnten, so meinten die Revolutionäre, Signale zur Mobilisierung der Volksmassen, womöglich sogar zum Aufstand sein.

Während die Aktivisten ungeduldig darüber diskutierten, wie es weitergehen sollte, kamen vom Balkan ganz andere Signale. „In der äußeren Politik zeigten sich drohende Wolken“, schreibt die zitierte Oberhofmeisterin Naryschkina-Kurakina weiter. „Die Südslawen regten sich. Anlässe hierzu waren sicher in genügendem Maß vorhanden, aber die Unruhe wurde besonders durch die Agenten unseres Botschafters in Konstantinopel […] geschürt, der von einer glänzenden Revanche für den Krimkrieg träumte und vermeinte, der Augenblick für den Sturz des Ottomanischen Reiches und für die Aufrichtung des Kreuzes auf der Hagia Sophia sei gekommen.“22 Davon träumte auch die Kaiserin, die seit langem aktiv für die Verbreitung der Orthodoxie eintrat, in Europa, im Kaukasus und in Palästina, und allerlei Missionsgesellschaften unterstützte.

Die Südslawen „regten“ sich nicht nur, sie hatten sich im Sommer 1875 gegen die 500-jährige Türkenherrschaft erhoben, zuerst in der Herzegowina, dann in Bosnien und schließlich, im April 1876, in Bulgarien. Die Aufständischen wurden von Montenegro und Serbien unterstützt. „Der Orient verursacht uns immer größere Sorgen“, schreibt Maria ihrem Bruder, „die nachsichtige Geduld Europas macht den Türken nur störrisch. Mein Herz empört sich bei dem Gedanken an die blutigen Kämpfe während der heiligen Woche. Ich hoffe, dass die letzte türkische Infamie, Montenegro angreifen zu wollen, endlich Europa an seine Pflicht als Christenmacht erinnere.“23

Doch selbst die besonders grausame Niederschlagung des Aprilaufstandes in Bulgarien im Mai rief in ganz Europa nur verbalen Protest hervor. Viele Prominente erhoben vergeblich ihre Stimme, während sich die Kaiserin von Russland die Karten des Verkehrsministeriums und des Generalstabs ansah und die Karten der Türkei und Mittelasiens besonders gründlich studierte.24 „Die Kaiserin nimmt sich die Lage der türkischen Slawen zu Herzen und entrüstete sich über die Passivität unserer Diplomatie“, notiert Kriegsminister Miljutin. „Sie hat sich in diesem Sinn auch vor anderen Personen geäußert, darunter vor vielen Offizieren des Großen Generalstabs.“25

In dieser Lage reiste der Kaiser zur Kur nach Ems. Auch dorthin folgte ihm wieder die Dolgorukowa, die nun immer in seiner Nähe sein musste. Alexander besaß sogar die Unverfrorenheit, seine Geliebte und den kleinen „Gogo“ auf den Heiligenberg mitzunehmen! Jedenfalls wurde Marie von Erbach-Schönberg, die Tochter Alexanders von Hessen, „eines Tages“ von einem Darmstädter Hofherrn mit einer jungen Frau verwechselt, die mit ihrem Sohn „unten im Tal“ spazieren ging. „Erst nach des Kaisers Abreise teilte mir meine Mutter mit, wer die mir so ähnlich sehende junge Dame mit dem kleinen Jungen gewesen sei. Damals ist etwas in mir zerbrochen.“26 Marie hat ihrem verehrten „Onkel-Kaiser“ nie verziehen, „dass er meiner geliebten Tante, seiner Gemahlin, das Schwerste angetan, was eine Frau erleben kann.“27 Die Episode zeigt, dass das Verhältnis des Kaisers spätestens ab 1876 in Darmstadt und auf dem Heiligenberg gut bekannt war. Man hat nur nicht darüber gesprochen, denn der Ehebrecher war der Kaiser, und dem war alles erlaubt.

Wir können annehmen, dass Alexander die Entwicklung auf dem Balkan, wo die Fürstentümer Montenegro und Serbien dem Osmanischen Reich inzwischen den Krieg erklärt hatten, mit größter Sorge verfolgt hat. Auf dem Rückweg nach Russland traf er Anfang Juli in Weimar den österreichischen Kaiser und vereinbarte mit ihm Neutralität in diesem Krieg, bis klar sein würde, wer die Oberhand gewinnt, um dann erst Verabredungen zu treffen.28

Womöglich wusste Alexander zu diesem Zeitpunkt nicht, dass seine Frau inzwischen begonnen hatte, sich aktiv auf dem Balkan zu engagieren. Die von ihr seit 1867 protegierte „Gesellschaft zur Versorgung der verwundeten und kranken Soldaten“ war inzwischen in Russische Rotkreuzgesellschaft umbenannt worden. „Die Kaiserin betont dadurch ihre Sympathie für die Slawen, dass sie ihnen unter dem Schutz des Roten Kreuzes Ärzte, Medikamente und Sanitätsmaterial schickt“, notiert Kriegsminister Miljutin.29 Als der Minister der Kaiserin gegenüber andeutet, dass Russland Gefahr laufe, in einen Krieg einzutreten, soll sie ihn mit „unzufriedener Miene“ angesehen haben.30Eine Welle des Nationalismus überrollte Russland, die Kriegsbegeisterung wuchs. Bald zogen gut ausgerüstete Freiwillige, darunter fünfzig Gardeoffiziere, los, um in die serbische Armee einzutreten. Anfang Oktober komponierte Peter Tschaikowskij in nur fünf Tagen den Serbisch-Russischen Marsch, ein Auftragswerk für ein Benefizkonzert zugunsten der Kriegsopfer in Serbien, das unter dem Titel Slawischer Marsch veröffentlicht wurde.

Nur der alte Fürst Wjasemskij erhob warnend seine Stimme: „Alles, was jetzt in der Orientfrage unternommen wird, ist für mich ein Alptraum“, schreibt er. „Müssen wir in unserem Körper leiden und unser Blut opfern, vielleicht auch unsere zukünftige Prosperität, damit die Serben und die Bulgaren blühen? Die Serben für die Serben! Die Bulgaren für die Bulgaren! Die Russen für die Russen! Es ist eine Verrücktheit unsererseits, uns mehr für Slawen als für Russen zu halten. Die Religion hat in all dem nichts zu suchen. Ein Religionskrieg ist der schlimmste aller Kriege. Das ist eine Anomalie und ein Anachronismus. Die Türken sind nicht zu tadeln, weil Gott sie als Moslems geschaffen hat, und da möchte man, dass sie christliche Tugenden besitzen. Das ist absurd. Vertreibt sie aus Europa, wenn ihr könnt, oder tauft sie, wenn ihr wisst, wie man das anstellt. Wenn nicht, lasst sie in Frieden, sie und die Orientfrage.“31 Wjasemskij hatte Recht, aber niemand hörte auf ihn, auch die Kaiserin nicht, der er sonst so nahe stand.

„Unter dem Vorwande der Mitarbeit an dem humanitären Werke des Roten Kreuzes sammelten sich slawophile Elemente um die Kaiserin“, beobachtet auch General von Schweinitz. „Die Frauen waren besonders tätig; der Kaiser, welcher damals sein Verhältnis zur Fürstin Dolgoruki noch mit einem, wenn auch sehr durchsichtigen Schleier zu umhüllen suchte, war wohl gerade dieses unseligen Verhältnisses wegen nachgiebiger gegen seine Gemahlin, als er es unter anderen Umständen gewesen sein würde. Die Geldsammlungen für die Serben hatte er schon gestattet; die Oberhofmeisterin Ihrer Majestät [die alte Gräfin Protassow] und die Gemahlin des Hausministers [Gräfin Adlerberg] gingen, von Hoflakaien gefolgt, auf dem Newski Prospekt und in den großen Marktgewölben des Gostiny Dwor herum und sammelten für die slawischen Brüder. Die Teilnahme am Schicksal dieser Brüder, welche dem russischen Volke selbst dem Namen nach unbekannt waren und nicht als Verwandte, sondern nur als Glaubensgenossen sein Mitgefühl erregten, war noch immer eine sehr geringe geblieben. Durch das Hervortreten des Hofes und die damit verbundene Aussicht auf persönliche Vorteile und Orden kam Bewegung in eine in Russland zahlreich vertretene Kategorie von Individuen, welche nun unter dem Zeichen des roten Kreuzes eine rührige Agitation betrieben.“32

Es war eine gefährliche Agitation, die Russland früher oder später in einen neuen Krieg gegen die Türkei führen würde, den Alexander vermeiden wollte. Doch Maria hielt den Zeitpunkt für günstig, die Schwäche der Türkei zu nutzen, die in St. Petersburg immer übertrieben wurde. „Die Türkei geht ihrer völligen Desorganisation entgegen“, schreibt sie ihrem Bruder im August. „Der Sultan ist nicht genügend wahnsinnig, um auf die Seite geschafft werden zu können, aber doch zu sehr, um zu regieren, die Truppen sind schlecht gezahlt und noch schlechter ernährt. All dies sind ebenso viele auflösende Elemente. Österreich möchte jetzt, glaube ich, einen Teil Bosniens annektieren, der Rest soll sich dann in für das slawische Element möglichst lebensunfähiger Weise organisieren, weil man es in Wien so fürchtet und noch mehr hasst. Bismarck ist für mich eine Sphinx, die sicherlich darüber nachdenkt, wie im Trüben zu fischen sei. Er schont besonders England und lauert in Varzin, der alte Fuchs. Wird er jemals jemand finden, der noch geriebener ist als er?“33 Ende August reiste sie auf die Krim.

Doch Bismarck hatte nicht vor sich einzumischen, falls Russland auf dem Balkan Krieg führen sollte, während die Engländer es mit allen Mitteln eben daran hindern wollten, weil sie keinen Machtzuwachs Russlands auf dem Balkan wollten. Sie verlangten eine Konferenz der Mächte in Konstantinopel.

Schließlich sah Alexander sich gezwungen, dem Treiben seiner Gattin und ihrer Freundinnen ein Ende zu bereiten, indem er den Thronfolger, der seine Mutter unterstützte, auf einer Sitzung mit seinen Ministern im Oktober 1876 in Livadia quasi öffentlich zurechtwies: Er und die Kaiserin handelten gegen seinen Willen!34 Die sogenannte „slawische Sache“ vertiefte die Entfremdung der Ehegatten.

Am Abend des 31. Oktober 1876 traf General von Schweinitz in Jalta ein und wurde am folgenden Morgen zum Frühstück nach Livadia geladen. „Kurz vor 1 Uhr war ich im Speisesaal des Kaiserlichen Landhauses von Livadia“, schreibt er. „Der Hof war in der Kirche; bald erschienen die Majestäten, beide ernst, blass, tief bekümmert aussehend; die Kaiserin ging gerade auf mich zu und sagte: ‚Nun, ich hoffe, wir werden Sie nie auf der Seite unserer Feinde finden.‘ Wir setzten uns dann zum Frühstück […], das Ganze war aber höchst unbehaglich und trübselig, fast niemand sprach ein Wort, und der Eindruck, welchen die hohen Herrschaften auf mich machten, wurde noch dadurch verstärkt, dass alle in Trauer waren, weil es der Jahrestag des Todes der Kaiserin-Mutter war.“35 Im November wurde Tschaikowskijs Slawischer Marsch in einem Benefizkonzert für das Rote Kreuz in Moskau uraufgeführt. Es war ein Riesenerfolg.

Inzwischen hatte Russland die Pforte ultimativ aufgefordert, den Serben, die mehrere empfindliche Niederlagen erlitten hatten, obwohl ein russischer General ihre Armee kommandierte, einen Waffenstillstand zu bewilligen, und Alexander hatte, um der Forderung Nachdruck zu verleihen, eine Teilmobilmachung angeordnet. Die Antwort wurde mit größter Spannung erwartet.

Die Pforte gewährte den Waffenstillstand, und in Livadia kam Freude auf.36 Aber es war wohl weiter von Krieg die Rede, sonst hätte Maria ihrem Bruder gegenüber nicht räsoniert: „Die türkischen Truppen werden unendlich weniger gut die Winterunbilden ertragen als die unsrigen. Das ist sicher. Sie (die Türken) sind scheinbar schon durch die Kälte und Krankheit demoralisiert.“37

Doch erst einmal folgte um die Jahreswende 1876/1877 die Konferenz der europäischen Mächte in Konstantinopel, die von der Pforte verlangte, Frieden mit Serbien und Montenegro zu schließen und die Autonomie Bulgariens anzuerkennen. Die Durchführung dieser Beschlüsse wollten die Großmächte kontrollieren. Die Pforte lehnte ab, weil sie ihre Souveränität bedroht sah, machte dann aber doch noch allerlei Konzessionen, ohne freilich die nötigen Garantien anzubieten.38 Deren Fehlen führte schließlich dazu, dass Russland – gegen den Rat des Kriegsministers und des Finanzministers – dem Osmanischen Reich im April 1877 den Krieg erklärte. Unter dem Druck der Öffentlichkeit hatte Alexander keine andere Wahl mehr, als für die heilige Sache der Befreiung aller Slawen und orthodoxen Brüder vom Joch der Türkenherrschaft zu kämpfen. Er hätte diesen Krieg lieber vermieden.

Im Juni 1877 reiste der Kaiser selbst an die Front: Er wurde von Alexander („Sandro“) von Battenberg begleitet, dem zweitältesten Sohn Alexanders von Hessen, der sich für die seiner Familie erwiesenen Wohltaten Russlands durch die Teilnahme am Krieg gegen die Türken bedanken wollte. Der Zwanzigjährige war Leutnant bei den hessischen Dragonern.

„Nun sind sie abgereist! Möge Gott über sie wachen und sie glücklich zurückführen“, schreibt Maria ihrem Bruder aus Zarskoje Selo. „Ich hoffe, dass die Abwesenheit des Kaisers nicht länger als sechs Wochen dauert. Das wäre in jeder Beziehung wünschenswert … Möge sich dieser Krieg überhaupt nicht in die Länge ziehen und England ruhig bleiben. Sie haben ganz einfach Angst und trotz ihrem praktisehen Sinn halten sie uns für fähig, dass wir Konstantinopel behalten und selbst Indien erobern wollen! Furcht ist aber ein schlechter Ratgeber. Schließlich wird geschehen, was Gott will. Hoffentlieh fällt Österreich nicht ganz von uns ab, wie es das englische Kabinett wünscht.“39 Österreich blieb neutral, England hätte eine russische Eroberung Konstantinopels als casus belli betrachtet, und Preußen wollte sich nicht einmischen. Bismarck hatte Russland nur „wohlwollende Neutralität und diplomatische Unterstützung“ zugesagt, der Balkan war ihm bekanntlich nicht die gesunden Knochen eines einzigen pommerschen Grenadiers wert.

Nach raschen Anfangserfolgen lief sich die russische Offensive vor der Festung Plewen (russ.: Plewna) fest. Sie konnte erst nach drei Anläufen unter schweren Verlusten genommen werden. Alexander, der den Sturm auf Plewna selbst kommandiert hatte, besuchte Verwundete, tröstete Sterbende und – erwartete in Bukarest den Besuch seiner Geliebten. Ende Januar 1878 stand seine Armee vor den Toren Konstantinopels, am 31. Januar bat der Sultan um einen Waffenstillstand.

Im (Vor)Frieden von San Stefano vom 3. März 1878 erhielt Russland Gebiete zurück, die es 1856 im Frieden von Paris hatte abgeben müssen. Serbien, Montenegro und Rumänien wurden unabhängig, Bulgarien autonomes Fürstentum im Osmanischen Reich. „Im Herbst kehrte der Kaiser in seine Hauptstadt zurück“, schreibt die Staatsdame Naryschkina-Kurakina. „Er war gealtert, und seine Züge trugen die Spuren der erlittenen seelischen Erregungen. In allen Gemütern gärte es. Nach den großen, für die Bulgaren gebrachten Opfern erwartete nun auch Russland seinen wohlverdienten Lohn. Allgemein wurde offen von einer Konstitution gesprochen, dieses Wort schwebte gleichsam in der Luft, und es war in allen Zeitungsspalten zu lesen.“40 Doch der Lohn – die Verfassung – blieb aus. Schlimmer noch: Die Zensur wurde wieder verschärft, und das Wort „Konstitution“ durfte in der Presse nicht mehr erwähnt werden.

„Allgemein war die Enttäuschung über den Ausgang des Krieges, den Russland 1877 gegen die Türkei begonnen hatte“, schreibt auch Peter Kropotkin. „Vor dem Ausbruch des Krieges loderte im Lande das Feuer der Begeisterung für die slawischen Brüder hoch auf; auch glaubte man damals vielfach, der Befreiungskrieg auf der Balkanhalbinsel werde den Anstoß zu einer fortschrittlichen Bewegung in Russland selbst geben. Aber die Befreiung der vom Türkenjoch unterdrückten Slawen war nur zum Teil erreicht worden. Die entsetzlichen Opfer von russischer Seite waren infolge verschiedener Missgriffe der Heeresleitung vergebens gebracht. Hunderttausende hatte in Schlachten, die nur halbe Siege waren, ihren Tod gefunden, und die der Türkei abgerungenen Zugeständnisse gingen durch den Berliner Kongress wieder verloren. Außerdem wurde in weiten Kreisen bekannt, dass die Unterschlagung öffentlicher Gelder während dieses Krieges fast in demselben Maße stattgefunden hatte, wie während des Krimkrieges.“41

Die Empörung wuchs, als rund 200 Volksfreunde (Narodniki), die z.T. seit 1873 in Haft waren, vor Gericht gestellt wurden und Alexander die relativ milden Urteile nicht weiter milderte, sondern verschärfte. Er war froh, wieder bei Katja zu sein.

Von der Existenz seiner zweiten Familie, die er „geheim“ glaubte, wusste mittlerweile ganz Petersburg. Es war auch bekannt, dass der Kaiser in Zarskoje Selo und in Pawlowsk mit seinen jüngeren Kindern auszufahren pflegte. Jedoch hielt die Kutsche nach einiger Zeit, der Herrscher verabschiedete sich von seinen Kindern, stieg aus und ging allein weiter. An einer bestimmten Stelle wartete ein Flügeladjutant mit einem Pferd. Alexander saß auf und ritt in eine Richtung weiter, die allgemein bekannt war. „Der zweite Teil der Ausfahrt endete in der Gesellschaft der geheimen Freundin“, schreibt Alexandra Tolstaja und fügt hinzu: „Dieses Manöver wiederholte sich täglich.“42 Es war gefährlich, dieses Manöver, denn Attentäter konnten überall lauern. Es kam auch vor, dass ein Lakai die Dolgorukowa mit ihren Kindern heimlich in den Palast brachte.

„Ich kann mich bis jetzt nicht völlig erholen, trotz des schönen Klimas und der herrlichen Luft unserer Küste“, schreibt Maria Ludwig II. aus Livadia. „Diese Krankheit kam nach einem schweren Prüfungsjahr und fand mich folglich schon sehr angegriffen, deshalb dauern die Folgen so lang. Deine warmen Worte der Bewunderung für unsere herrliche Armee haben den Kaiser und mich erfreut u. gerührt. Wir haben so viele Feinde und so wenig Freunde, dass jeder Beweis der Theilnahme uns doppelt Werth ist; der Kaiser trägt mir auf, Dir es auszusprechen, nebst seinen herzlichsten Grüßen und Wünschen für Dich. Gottlob bekommt ihm die Krim vortrefflich, Luft und Seebäder stärken die Gesundheit, so wie die Bergluft Deines schönen Bayernlandes. Möge sie Dir gut bekommen, lieber Ludwig, u. die Liebe Deines Volkes Dich beglücken, dies der innige Wunsch Deiner Dich liebenden Tante Marie.“43

Während des vergangenen Krieges hatte die Rotkreuzgesellschaft ihre Tätigkeit auf Marias Betreiben hin ausgeweitet, und wieder hatte sie erhebliche Mittel gespendet: Sie hatte Lazarettzüge ausgerüstet und an die Front geschickt und eine Reihe großer Feldlazarette eröffnet. Der Krieg hatte sie stark mitgenommen. „Um 6 Uhr Galadiner von etwa 80 Personen“, notiert Botschafter von Schweinitz im Frühjahr 1879. „Die Kaiserin war zu krank, um ihm beizuwohnen, ließ mich aber nach Tisch mit Anna in ihren Salon rufen und war sehr herzlich. Sie erinnerte mich daran, dass sie mich seit dem 3. Juni, dem Tage nach dem Attentat Nobilings [auf Wilhelm I., M.B.], nicht gesehen habe, seit welcher Zeit sie ohne Unterbrechung leidend gewesen sei. Ich fand sie sehr verändert und abgemagert. Der Kaiser, welcher die Uniform unseres Alexander-Regiments trug, war so heiter, wohl und gesprächig, wie ich ihn lange nicht gesehen habe. Vor und nach Tisch sprach er in besonders offenherziger Weise über unsere Beziehungen und über Politik im Allgemeinen.“44

Wenige Tage nach dem Diner, am 2./14. April 1879, schoss der Lehrer Alexander K. Solowjow von der Gruppe Semlja i wolja (Land und Freiheit) bei den Toren des Generalstabs der Garde an der Moika auf den Kaiser, der nach seinem täglichen Spaziergang auf dem Weg zurück zum Winterpalast war. Wieder kam er mit dem Schrecken und einer leichten Fußverletzung davon. Wie immer informierte er selbst seine Frau gleich nach dem Anschlag. „Du kannst Dir denken, was in mir vorging“, berichtet diese ihrem Bruder. „Das allererste war, dass wir Gott zusammen auf den Knien für die wunderbare Errettung dankten. Der Kaiser ist bewunderungswürdig in seiner Ruhe und Abklärung … Er ist fest entschlossen, auch vor den energischsten Maßnahmen nicht zurückzuschrecken … Ich gebe zu, ich fühle mich gebrochen, gierig nach Ruhe, die auch dem Kaiser so nötig ist. Er fühlt sich überdies beschämt, dass er nur von Kosaken eskortiert ausgehen kann, was man von ihm mit Mühe erreicht hat … Möge Gott sich unser erbarmen.“45

Das Attentat hatte ihr den Rest gegeben. „Die schwache Gesundheit der Herrscherin war nach dem Anschlag vom 2. April 1879 endgültig untergraben“, schreibt Alexandrine Tolstaja. „Danach hat sich ihr Zustand schon nicht mehr gebessert. Ich sehe sie jetzt noch wie an jenem Tag – mit fiebrig glänzenden Augen, gebrochen, verzweifelt. ‚Es lohnt sich nicht mehr zu leben‘, sagte sie mir, ‚ich fühle, dass mich das umbringt.‘ Sie sprach diese Worte mit einem Eifer, der ihrer Natur nicht eigen war. Dann fügte sie hinzu: ‚Wissen Sie, heute hat der Mörder ihn gehetzt wie einen Hasen. Es ist ein Wunder, dass er sich retten konnte.‘

Ich wartete, bis die Herrscherin sich beruhigt hatte, erst dann ließ ich sie allein und ging ins Kabinett des Herrschers, der mich sofort empfing. Ich schüttelte ihm bewegt die Hand, aber er schien durch die eben erlebte Gefahr überhaupt nicht beunruhigt zu sein.“46 Der Eindruck täuschte. Natürlich war er beunruhigt, weniger seinetwegen als vielmehr ihretwegen: Katjas wegen. Sorgen machte er sich vor allem um sie und ihre Kinder. Jede Fahrt zu ihr war gefährlich, und auch sie in ihrer Kutsche, die jeden Tag vor dem Saltykow-Eingang hielt, war gefährdet. Das konnte er nicht länger riskieren und ließ seiner Geliebten eine Wohnung im dritten Stock des Winterpalastes einrichten, die durch einen Aufzug mit seinen Gemächern verbunden wurde.

Katjas Übersiedlung in den Winterpalast wurde von der Petersburger Öffentlichkeit als ungeheure Taktlosigkeit der kranken Kaiserin gegenüber empfunden. Sogar bei Hofe kam Kritik am Monarchen auf. „Vor dem Umzug der Fürstin Dolgorukaja in den Winterpalast äußerten die Höflinge nur flüsternd und sehr selten Kritik“, beschreibt Mark Aldanow die Lage in seinem großen historischen Roman Istoki (Ursprünge). „Jetzt lösten sich alle Zungen. Fast ohne die Stimme zu senken, sagten sie, dass das ein unerhörter, die Dynastie kompromittierender Skandal sei. Sogar die Alten, die nicht gewohnt waren, das Benehmen der Zaren zu verurteilen, oder diese Gewohnheit während der letzten Herrschaft verloren hatten, schlugen betrübt die Hände über dem Kopf zusammen. ‚Eine schreckliche Sache ist die Altersliebe‘, sagte einer von ihnen. Alle hatten Mitleid mit der kranken Zarin, weil sie verstanden, dass sie die Wahrheit unmöglich nicht erfahren konnte. Ihre Zimmer lagen neben den Zimmern des Zaren. Die Kaiserin hat es wirklich sehr schnell erfahren – obwohl als letzte.“ Sie habe der Hofdame Gräfin Tolstaja hustend gesagt: „Je pardonne les offenses qu’on fait à la souveraine, mais je ne puis pardonner les tortures qu’on inflige à l’épouse.“A1

Es soll nun immer häufiger vorgekommen sein, dass Maria in den Räumen über sich die Kinder der anderen laufen und lärmen hörte, und im Sommer spielten sie in Zarskoje Selo direkt unter ihren Fenstern. Dem Personal gegenüber erfand sie dann natürliche Gründe für den Lärm oder entfernte sich schweigend.“47 Ihrem Mann gegenüber verlor sie kein Wort über all das, sah ihn nur mit wissendem, allverzeihendem Blick an und setzte ihn gerade dadurch ins Unrecht. Ihm war auch nicht wohl in seiner Haut. Seine Umgebung sah ihm an, dass er sich unbehaglich fühlte. „Der Herrscher sieht müde aus“, notiert Walujew im Sommer 1879 in seinem Tagebuch, „und sprach auch selbst von der Nervenanspannung, die zu verbergen er sich bemüht. Eine gekrönte halbe Ruine. In einer Zeit, in der er Kraft braucht, darf man offensichtlich nicht darauf rechnen.“48

Und in Pawlowsk notiert K.R.: „Unsere Familie speiste beim Zaren; die Kaiserin ist außergewöhnlich schwach, sie sieht krank und müde aus, sie hustet stark. Vor Schwäche nahm sie fast nicht am Gespräch zwischen dem Herrscher und Papa teil, sie saß reglos im Sessel, schloss häufig die Augen und sah einfach jämmerlich aus. […] Man muss zugeben, dass wir diese Essen unter uns weder fröhlich noch interessant fanden.“49

Ein paar Tage später traf Großfürstin Alexandra Josephowna, die Mutter von K.R., in Zarskoje auf eine mit zwei englischen Pferden bespannte Kutsche, die der Herrscher selbst lenkte. Darin saßen außer ihm die Fürstin Dolgorukowa und deren Kinder. Alexander machte einen verlegenen Eindruck. „Verständlich, dass Mama stark in Verwirrung geriet durch eine solche Begegnung. Ich dankte Gott, dass ich nicht mit Mama gefahren war. Das Herz blutet einem beim Anblick dessen, was unser Zar tut. Der allrussische Selbstherrscher, und noch dazu nach seiner wunderbaren Rettung von einem Anschlag auf sein Leben.“50

Aber niemand aus der großen Familie sagte ihm etwas, niemand traute sich. Die erwachsenen Kinder des Kaiserpaares wagten nicht einmal, untereinander über das Verhältnis ihres Vaters zu sprechen, obwohl nun schon alle davon wussten und mit ansahen, wie ihre Mutter darunter litt. Nur Minnie, die kleine Dänin, die Maria aufgefordert hatte, alles dafür zu tun, dass der Thron nicht an den Sohn der Mätresse fiel, traute sich und sagte ihrem Schwiegervater die Meinung. „Vergessen Sie nicht, dass Sie auch nur meine Untertanin sind“, antwortete er kühl.

Im Oktober 1879 reiste die Kranke ein letztes Mal an die Côte d’Azur. Eigentlich wollte sie nicht mehr verreisen, doch der Kaiser hatte darauf bestanden, dass sie den Winter an der Riviera verbrachte, weil er mit Katja auf die Krim wollte, und nach langem Kampf hatte sie nachgegeben, vielleicht auch nur, weil sie ihren „Heiligen Berg“ noch einmal sehen wollte. „Doch eine große Freude Euch alle und den lieben Berg wiederzusehen“, schreibt sie Alex aus Zarskoje.51

Graf Scheremetjew, der den Zesarewitsch nach Gattschina begleitete, konnte beobachten, wie seine Mutter abreiste: „Auf dem Bahnhof warteten wir lange auf die Ankunft des Petersburger Zuges. Als die Dämmerung schon hereingebrochen war, lief er langsam ein. Beim Fenster zeigte sich der Herrscher Alexander Nikolajewitsch in weißer Furaschka mit breitem Schirm, düster, blass, nachdenklich. Man brachte die Kaiserin an die Côte d’Azur, und Dr. Botkin reiste mit ihr. Es war schon dunkel, und alle Gesichter waren düster, als wenn das ein Beerdigungszug wäre. In Gattschina verabschiedete sich der Zesarewitsch von seiner Mutter, der Zug setzte sich in Bewegung und verschwand aus dem Gesichtsfeld. Er blieb ganz allein stehen, aber er beherrschte sich. ‚Fahren wir‘, sagte er, und wir fuhren zum Baltischen Bahnhof […].“52 Sergej und Paul begleiteten ihre Mutter.

Der kaiserliche Zug zählte zwölf Waggons, auf jedem prangte der Doppeladler. Nach kurzem Aufenthalt in Jugenheim, wo die Gräfin Tolstaja sie besuchte, fuhr sie weiter, jedoch nicht nach Nizza, das voller schmerzlicher Erinnerungen war, sondern nach Cannes, wo sie die luxuriöse Villa des Dunes des Pariser Bankiers Charles Mallet an der Croisette bezog. Das russische Geschwader, das im Golf Juan vor Anker lag, begrüßte sie mit 101 Salutschüssen. Für den Transport der Suite und ihres Gepäcks vom Bahnhof zur Villa wurden 36 Equipagen benötigt.53

In Cannes erhielt sie Besuch von ihrer Tochter, der Herzogin von Edinburgh, und vom Zesarewitsch. Der Boulevard Alexandre III., der von der Croisette abgeht, erinnert an diesen Besuch. Auch Alexander von Hessen kam seine Schwester noch einmal besuchen.

Doch diesmal half die mediterrane Luft nicht, der Winter war nasskalt, und am 1. Dezember schneite es. Als sie erfuhr, dass auf der Rückfahrt des Kaisers von der Krim vor den Toren Moskaus eine Mine unter dem Begleitzug explodiert war, brach sie zusammen. Wieder kam Alexander II. mit dem Schrecken davon. Sie schickt ihm ein Telegramm, auf das er trocken antwortet: „Deine Nachrichten in Tula erhalten. Bedaure, dass Dein Zustand der alte ist. Fühle mich gut und nicht müde. Umarme Dich zärtlich. Alexander.“54 Das fehlgeschlagene Attentat hatte ihn Katja, die mit ihm zurückreiste, noch näher gebracht, seine Frau war sehr weit weg …

„Sie fuhr fort zu verlöschen“, notiert Alexandrine Tolstaja.55 Zu diesem Zeitpunkt hatten die Ärzte die Hoffnung auf Besserung endgültig aufgegeben, und der Kaiser wünschte, dass sie nach Russland zurückkehrte. Nach anfänglichem Widerstreben fügte sie sich, fürchtete aber, die Reise nicht zu überleben. „Mir scheint, mit einer kranken Putzfrau geht man besser um als mit mir“, klagt sie einer ihrer Damen.56 Tatsächlich ging es ihr bereits so schlecht, dass ihre Begleitung während der Fahrt mehrfach mit ihrem Ableben rechnete. Ihr Beichtvater hielt sich jederzeit für die heilige Ölung bereit.

Maria kehrte in ein Land zurück, das sich weiter verändert hatte. „Man hat hier jetzt den Eindruck“, notiert Botschafter von Schweinitz im Januar 1880, „als wenn, abgesehen von der verhältnismäßig kleinen, nicht herrschenden, aber genießenden Klasse, in Russland nur Unzufriedene leben, von denen der weitaus größte Teil apathisch und nur ein sehr kleiner Teil tätig revolutionär ist. Ich habe jedoch zu konstatieren, dass es sich in jener apathischen Masse zu regen anfängt. Die Anzeichen sind schwer zu definieren, für den hier Lebenden aber nicht zu verkennen; eines derselben besteht darin, dass nicht mehr bloß kritisiert und getadelt wird, sondern dass Berufene und Unberufene Vorschläge machen und Denkschriften an hohe und höchste Personen einreichen.“57

Mit einem Wort: Die Gesellschaft verlangte nach politischen Veränderungen, die auf sich warten ließen. Peter A. Walujew, inzwischen Vorsitzender des Ministerkomitees, hatte dem Kaiser noch einmal ein Verfassungsprojekt vorgelegt, aber keine Antwort erhalten, und die Attentate hatten nur die Repressionen verschärft. Im August 1879 war die Organisation Land und Freiheit zerfallen. Aus ihren Resten waren zwei neue Gruppen hervorgegangen. Eine davon war die Partei Volkswille. Deren Exekutivkomitee, also der „sehr kleine Teil“ der „revolutionär Tätigen“, hatte den „Zar-Befreier“ auf seiner ersten Sitzung zum Tode verurteilt.

 

 

 

 A1 „Ich verzeihe die Demütigungen, die man der Souveränin zugefügt hat, aber ich kann die Qualen, die man der Ehefrau auferlegt, nicht verzeihen.“