3 Spezifische Herausforderungen in der Arbeit mit Betroffenen von DIS und PTBS

3.1 Zur Vielzahl der Themen

Neben den beschriebenen psychosozialen Stressoren ergeben sich aus der schweren Symptomatik Betroffener zusätzlich zahlreiche Alltagsschwierigkeiten. Wie bei anderen Betroffenen von schwerem Kindesmissbrauch können bei ihnen Probleme in allen Lebensbereichen auftreten. Dazu gehören Probleme im Bereich von Sexualität, Intimität, Beziehungen insgesamt, Eheprobleme, familiäre Probleme, Probleme mit Schwangerschaft und Geburt, Probleme in Bezug auf Schlafen und Essen, schulische und berufliche Probleme sowie gesundheitliche Probleme (vgl. Zimmermann et al. 2010).

Der Komplexität dieser Alltagsprobleme entspricht außerdem eine komplexe innere Welt mit den traumatisierten Persönlichkeitsanteilen, die unter den Traumaerinnerungen leiden und Träger zahlreicher traumaassoziierter Symptome sind. Aus den für die DIS typischen Konflikten zwischen den Persönlichkeitszuständen beziehungsweise Persönlichkeitsanteilen ergeben sich massive Ambivalenzen und Spannungszustände, die die Betroffenen entsprechend ihrer defizitären Lernerfahrungen nur mit dysfunktionalen und selbstschädigenden Strategien bewältigen können. Dazu gehören auch wiederholte Suizidversuche und schwere Selbstverletzungen (vgl. Gast & Wirtz 2022). Zusätzlich bestehen teils schwerwiegende und komplexe Komorbiditäten, die ihrerseits vielfach zu akuten Dekompensationen führen. Bei den allermeisten Betroffenen von DIS und PTBS finden sich weitere psychische Störungen (siehe Kapitel 1.2.5, S. 17). Auch schwere somatoforme Begleitsymptome sind sehr häufig, teilweise gehen sie mit schweren funktionalen Störungen, teilweise mit schweren Schmerzsyndromen einher (vgl. ebd., S. 43).

Durch diese Vielzahl von Problemen kann es für Behandelnde schwierig sein, mit den Betroffenen konsequent an Themen zu arbeiten. Stattdessen kann die Therapie einem »Feuerlöschen« von immer neu auftretenden Brandherden ähneln. Für eine gelingende Behandlung sollte der rote Faden, das zentrale Thema der Sicherheit, konsequent verfolgt werden, was sowohl die äußere Lebenssituation als auch die innere Lebenswelt der Betroffenen umfasst (siehe Kapitel 5.1.2, S. 41). Dabei geht es um den Aufbau von mehr Autonomie und Selbststeuerung in Beziehungen und hinsichtlich der eigenen Lebenssituation, aber auch um den Aufbau von funktionalen Selbstregulationsfähigkeiten und Symptommanagementkompetenzen.

3.2 Zur Diskontinuität des Bindungsverhaltens Betroffener – Umgang mit Wechseln in andere Persönlichkeitszustände

Im Rahmen der vielen Bindungstraumatisierungen, die Betroffene in ihren gefährlichen und unvorhersehbaren Lebenskontexten erfahren mussten, haben sich je nach Persönlichkeitsanteil unterschiedliche Bindungsstile getrennt voneinander entwickelt (siehe Kapitel 1.4.3, S. 22–23). Die DIS kann auch als Ausdruck eines fragmentierten Bindungssystems angesehen werden. Jeder Anteil weist ein eigenes Bindungsverhalten und ein eigenes Bindungsmuster auf. Je ausgeprägter und dysfunktionaler und je stärker diskrepant diese Bindungsmuster sind, desto größer ist die therapeutische Herausforderung in der Arbeit mit den Betroffenen (vgl. Gysi 2021, S. 175).

Typischerweise berichten Betroffene von extrem widersprüchlichen Erfahrungen mit ihren Bindungspersonen. Beispielsweise beschreiben sie zwei Gesichter ihrer Herkunftsfamilie: Nach außen wird eine funktionierende und angepasste Fassade präsentiert, innen herrscht ein despotischer Stil mit Unterdrückung, Einschüchterung und Gewalt (vgl. Kluft 1984). Solchermaßen getrennte Wirklichkeiten können traumatisch bedingte Spaltungsprozesse noch verstärken. Sehr eindrucksvoll beschrieben ist dies in Marilyn Van Derburs Buch Tagkind – Nachtkind (2019). Die ehemalige amerikanische Schönheitskönigin wurde jahrelang von ihrem Vater schwer missbraucht, während sie nach außen die Rolle der Vorzeigetochter aus einer perfekten Familie spielte. Im Spannungsfeld dieser vollkommen widersprüchlichen Lebenswelten entwickelte sie zwei Persönlichkeitsanteile, die dissoziativ voneinander getrennt waren.

Viele Betroffene berichten auch von Manipulationen im Zusammenhang mit Gewalt durch Bindungspersonen. So geben sie an, dass die Täterpersonen, die sie eben noch mit teils schwerer Gewalt zu sexuellen Handlungen gezwungen hatten, kurz danach voller Zuwendung und Lob waren, den Betroffenen Geschenke oder Belohnungen gaben und über diese Strategie mehr Abhängigkeit erzeugten (vgl. Zimmermann et al. 2010). Aufgrund der konträren Botschaften, die durch die Betroffenen internalisiert werden, können solche Wechsel zwischen Bedrohung, Gewalt und Aufwertung Spaltungsprozesse noch verstärken.

Entsprechend der Spaltung auf Bindungsebene bei Betroffenen von DIS und Trauma ist die therapeutische Beziehung ebenfalls verschiedensten Bindungserwartungen ausgesetzt. Schon in der ersten therapeutischen Interaktion werden häufig starke und auch widersprüchliche Übertragungsreaktionen wie Idealisierung, Abwertung und Ängste bei Betroffenen aktiviert (vgl. Chu 2008). Mit vielen DIS-Betroffenen ist dennoch zunächst ein sehr gutes therapeutisches Bündnis herstellbar, in welchem ein stringentes, konstruktives Arbeiten möglich ist. Dieses funktionale therapeutische Verhältnis erfährt einen abrupten Abbruch, wenn es zu Switchen in fragile oder kontrollierende Persönlichkeitszustände kommt. In diesen Zuständen können die Betroffenen manipulativ, grenzüberschreitend, klammernd, feindselig, unterwürfig agieren.

FALLBEISPIEL

Die 33-jährige Patientin war schon mehrfach in stationärer Behandlung und dort in verschiedene Konflikte verstrickt. Diese betrafen sowohl Mitpatientinnen als auch das therapeutische Team. In unterschiedlichen Ich-Zuständen verhielt sich die Patientin zu den Konflikten unterschiedlich. Ein Beschützeranteil kritisierte sehr scharf und vorwurfsvoll, welche Fehler die Konfliktpersonen gemacht hätten. Ein erwachsener Alltagsanteil zeigte sich hilflos und verzweifelt. Ein kindlicher Alltagsanteil lenkte ein und validierte die Perspektive der anderen. Ein weiterer erwachsener Anteil reagierte wütend auf Klärungsangebote, weil er das Gefühl hatte, sich unterwerfen zu müssen.

Behandlerpersonen sind dann herausgefordert, empathisch auf diese veränderten Bindungsangebote einzugehen und ihre Körperhaltung, ihre Sprache und ihre Aufmerksamkeit entsprechend anzupassen (siehe Kapitel 5.1.3, S. 41–43). Gleichzeitig müssen sie in Kontakt bleiben mit dem funktionalen Modus, aus dem heraus der Gesprächsfaden unterbrochen wurde. In der Interaktion mit dem augenblicklich aktivierten Persönlichkeitsanteil müssen sie weiterhin das zuvor besprochene Thema im Blick behalten. Jeder Switch sollte möglichst hinsichtlich der Inhalte, die zuvor besprochen wurden, verstanden und eingeordnet werden; ebenso die Beziehungsbotschaften in den veränderten Persönlichkeitszuständen. Diese multifokale Aufmerksamkeit – für den aktuell aktivierten Persönlichkeitsanteil und sein Erleben, für den Auslöser des Switches, für das zuvor verfolgte Thema und die innere Ambivalenz zwischen den beiden Persönlichkeitsanteilen – zu erbringen, verlangt therapeutischerseits eine hohe Wachheit und Involviertheit (siehe Kapitel 5.1.1, S. 39–41).

Es gibt DIS-Betroffene, die auch in Alltagszuständen ein problematisches Bindungsverhalten zeigen. In diesem Fall kann zusätzlich eine Persönlichkeitsstörung als Komorbidität vorliegen. Es kann sich aber auch um ein Verhalten eines Persönlichkeitsanteils handeln, das sich als Überlebensstrategie im Erwachsenenalter entwickelt hat. Manche Betroffene sind beispielsweise im Alltagszustand misstrauisch, zurückhaltend und kontrollierend im Kontakt, da sie viele negative therapeutische Erfahrungen gemacht haben. Andere sind übermäßig zugewandt, betonen die Wichtigkeit der Behandlerperson, machen Geschenke oder andere Sympathiebekundungen, um die Bindung zu erhalten. Wieder andere verhalten sich fordernd und vorwurfsvoll, da sie glauben, dass ihnen sonst keine Aufmerksamkeit geschenkt werde.

Behandlerpersonen sind in jedem Fall herausgefordert, ein stabiles und authentisches Gegenüber für alle Bindungsangebote und -erwartungen zu sein (siehe Kapitel 5.1.1) und Betroffene darin zu unterstützen, diese immer mehr zu integrieren. Dazu bedarf es eines geeigneten therapeutischen Rahmens, der destruktives Verhalten konsequent begrenzt und konstruktives Verhalten konsequent fördert (siehe Kapitel 8, S. 71–82).

3.3 Zur Widersprüchlichkeit im Verhalten Betroffener

Je nach vorherrschendem Persönlichkeitszustand beziehungsweise -anteil bringen Betroffene häufig höchst widersprüchliche Vorstellungen, Erwartungen und Absichten mit in die Behandlung. Dabei können sie anfangs diese Widersprüchlichkeiten in der Regel aufgrund der dissoziativen Barrieren zwischen den Persönlichkeitsanteilen nicht explizieren. Stattdessen werden diese im Außen inszeniert, indem beispielsweise unterschiedliche Anteile unterschiedliche Absichten äußern.

FALLBEISPIEL

Die 23-jährige Patientin wollte zwei Tage nach der Aufnahme in die Klinik wieder abreisen. Als Begründung gab die Patientin an, »hier falsch« zu sein, sie brauche keine Therapie und wollte jetzt zu ihren Eltern. Die Dienstärztin wurde informiert.

Aus der Aktenlage ging hervor, dass sie unter schweren dissoziativen Symptomen sowie selbstverletzendem Verhalten und einer Essstörung litt; außerdem, dass sie den Kontakt zu den Eltern abgebrochen hatte und in einem betreuten Wohnprojekt lebte.

Darauf angesprochen, wiederholte die Patientin stereotyp, sie sei gesund und wolle heim, sie wohne bei den Eltern, diese würden auf sie warten. Nach einiger Zeit kam es zu einem Wechsel und es zeigte sich der Anteil, der zwei Tag zuvor angereist war. In diesem Zustand war die Patientin wieder vollständig orientiert hinsichtlich Zeit und Ort und gab an, auf eigenen Wunsch hier zu sein und eine Traumatherapie machen zu wollen. Sie hatte eine Amnesie in Bezug auf die vorangegangene Situation.

Da die Betroffenen meist amnestisch für die Handlungen anderer Persönlichkeitsanteile sind und damit zusammenhängende Symptome häufig ignorieren, ist es wichtig, Hinweise darauf in der Therapie zu beobachten und auch gezielt nach Hinweisen darauf zu fragen. Das können zum Beispiel Veränderungen sein, die Betroffene in ihrer Wohnung vorfinden, die nur von ihnen selbst stammen können und deren Motivation ihnen fremd ist. Oder sie finden Kleider in ihrem Schrank, die sie selbst nie tragen würden, Musik auf dem Handy, die sie selbst nicht hören würden. Es können auch Veränderungen an sich selbst sein, die sie bemerken, zum Beispiel Selbstverletzungen, die stattgefunden haben, ohne dass sie es bemerkt haben; oder aber sie finden sich an einem anderen Ort oder zu einer anderen Zeit wieder, ohne sich das erklären zu können. Hinweise können auch von anderen Menschen stammen, die Betroffene auf Situationen ansprechen, an die diese sich nicht erinnern können und in deren Schilderung sie sich nicht wiedererkennen. Vielleicht benutzen diese Menschen auch einen anderen Namen, mit dem sich die Betroffenen nicht identifizieren können.

Ambivalente, widersprüchliche Handlungen dissoziierter Persönlichkeitsanteile haben teilweise schwere Auswirkungen und verstärken die Probleme des Lebensalltags, da die Betroffenen dadurch immer wieder in der Verfolgung von Zielen, in der Gestaltung von Beziehungen und in der Selbstfürsorge massiv gestört sind.

FALLBEISPIEL

Die 56-jährige Patientin hat eine sehr schwere Kniegelenksarthrose mit massiven Deformierungen. Rezidivierend kam es zu akuten Ergüssen und Reizzuständen, sodass die dringend notwendige OP immer wieder verschoben werden musste. Im Alltagszustand litt die Patientin unter stärksten Schmerzen und ging mit Gehhilfen. Es war ihr unklar, warum es immer wieder zu den schweren, akuten Befundsverschlechterungen kam.

In der Therapie stellte sich heraus, dass ein anderer Anteil regelmäßig joggen ging. Dieser Anteil glaubte, in einem jungen, gesunden Körper zu wohnen, empfand keinerlei Schmerzen und wollte sich nicht vom Training abbringen lassen. Im therapeutischen Rahmen wurde dieser Anteil nach und nach auf die Gegenwart einschließlich des gegenwärtigen Körpers orientiert und lernte in Schritten, dessen Beeinträchtigungen anzuerkennen. Die Patientin lernte gleichzeitig, mehr Kontrolle über diesen Persönlichkeitsanteil zu erreichen. Auf diese Weise konnten die akuten Exazerbationen der Gonarthrose reduziert werden.

Für die Therapie bedeutet dies, dass die widersprüchlichen Verhaltensweisen einzelnen Persönlichkeitsanteilen zugeordnet werden müssen (siehe Kapitel 5.1.4, S. 43); zudem gilt es, das zugrundeliegende Erleben und Verhalten der einzelnen Persönlichkeitsanteile dazu sorgfältig zu explorieren (siehe Kapitel 5.1.2, S. 41). Indem dann ein Austausch zwischen den Persönlichkeitsanteilen angeregt und unterstützt wird, können diese lernen, im Kontakt miteinander Lösungen und Kompromisse für die Ambivalenzen zu entwickeln (siehe Kapitel 5.1.4), sodass die Gesamtperson mehr Kontrolle bezogen auf das eigene Handeln aufbauen kann (siehe Modul 8 und 10, S. 127–130 und 137–140).

3.4 Zum Ausmaß des berichteten Leids

Betroffene können in der Präsentation ihrer Symptome zwischen starken Extremen schwanken (vgl. Brand et al. 2006): Manchmal herrschen Symptome der Untererregung vor, die Betroffenen wirken abgestumpft, distanziert, unbeteiligt; dann wiederum werden sie von Affekten überflutet, zeigen starke Übererregungssymptome, fühlen sich eingeengt und sind panisch.

Insbesondere, wenn Betroffene affektiv überflutet werden, in starke Erregungszustände geraten, Ängste zeigen und dabei möglicherweise in Flashbacks fallen, in denen sie erlebte Gewalt reinszenieren (schreien, wimmern, sich zusammenkauern, umfallen, sich selbst schlagen …), kann das starke Gegenübertragungen auslösen. Aber auch schon die anamnestischen Angaben Betroffener können aversive Wirkung zeitigen. Die Betroffenen berichten häufig von sexualisierter Gewalt in der Herkunftsfamilie seit dem Kindesalter, oftmals von mehreren Täter*innen; von weiblichen Bindungspersonen, die ebenfalls schwer traumatisiert waren und keinerlei stabilen Halt gegeben, sondern sich selbst täterhaft verhalten haben. Manchmal schildern sie folterähnliche Situationen. Teilweise berichten die Betroffenen, sich immer wieder an vermeintliche Helfer*innen gewandt zu haben und dann von ihnen verraten worden zu sein. Sie berichten von tiefer Verzweiflung, verzehrenden Schuld- und Schamgefühlen, schweren Selbstverletzungen, die chirurgische Versorgungen notwendig gemacht hätten, von zahlreichen Suizidversuchen. Häufig sind auch äußere Folgen der autoaggressiven Gewalt sichtbar in Form von tiefen Narben aufgrund von Schnitten und Verbrennungen. Berichte von so schwerer Gewalt und derart schweren Schicksalen können Abwehrreaktionen beim Gegenüber auslösen. So besteht eine mögliche Reaktion von Helferpersonen darin, das Gehörte nicht glauben zu wollen (vgl. Brand 2017). Eine andere mögliche Reaktion besteht darin, den Betroffenen unbedingt helfen zu wollen. Dies kann bei Helferpersonen zur Einnahme einer Retterrolle führen (siehe Kapitel 5.2.1, S. 50), was mit einem hohen Risiko für ein Verlassen der therapeutisch-abstinenten Rolle und einer Grenzüberschreitung verbunden ist.

Es besteht schließlich auch eine besondere Gefahr sekundärer Traumatisierung, wenn sich Behandler*innen auf die Betroffenen und ihre Schilderungen einlassen. Auch hier besteht wieder ein erhöhtes Risiko für diejenigen Helferpersonen, die mit Betroffenen mit anhaltendem Täterkontakt arbeiten (vgl. Daniels 2008; Nick et al. 2019).

Die Arbeit mit den Betroffenen stellt also sehr hohe Anforderungen an die Selbstregulationsfähigkeit und Resilienz von Behandlerpersonen. Besonders relevant ist dabei die Orientierung auf grundlegende professionelle Richtlinien und die Einhaltung professioneller Rahmenbedingungen. Der Aufbau eines Helfernetzwerks ist dabei ein wichtiger protektiver Faktor: Never walk alone (siehe Kapitel 4.1.4 und 4.2.3, S. 33 und 35). Ein weiterer wesentlicher Protektivfaktor für Betroffene und ihre Helfer*innen ist regelmäßige Supervision beziehungsweise Intervision.

Außerdem ist der Aspekt der Eigenverantwortung in der Therapie besonders zu betonen. Trotz der vielen Probleme und Ambivalenzen müssen Betroffene ermächtigt werden, diese aus eigener Kraft aufzulösen. Das hilft ihnen bei der Autonomieentwicklung und stärkt sie für ein Leben mit mehr Freiheit. »Du kannst nichts dafür, dass du das Problem hast, aber du allein bist verantwortlich, es zu lösen« – diesen zentralen Satz hat Marsha Linehan für Betroffene von Borderline-Persönlichkeitsstörung formuliert. Er lässt sich auch gut auf Betroffene von DIS und PTBS übertragen.

Behandler*innen sind herausgefordert, trotz des Entsetzens und Mitgefühls, das Berichtetes auslösen kann (und das durch sie auch angemessen geäußert werden darf), immer wieder die lösungsorientierte therapeutische Perspektive und eine empathisch-abstinente professionelle Haltung einzunehmen (siehe Kapitel 5.1.1, S. 39–41). Eine Kombination aus Validierung des erlittenen Leids einerseits und distanzierender therapeutischer Einordnung andererseits vermittelt Halt und Sicherheit, die Betroffene selten erfahren haben. Gleichzeitig schützt es Behandlerpersonen vor Überforderung, sekundärer Traumatisierung und Burn-out, wenn sie sich darauf besinnen, dass sie Betroffene begleiten, aber nicht tragen müssen.