Vier oder fünf Tage nach der schauerlichen Begebenheit, von der wir hier berichtet haben, hantierte Don Antonio eifrig in seinem Garten herum, gab den Rosen Wasser und schalt die Signorine Ameisen, die sich allzu viel herausnahmen gegenüber einem Mann, der immerhin mit Feuer und Schwefel gegen sie vorgehen konnte.
Don Cirillo schlief dagegen seelenruhig in seiner Zisterne, zugedeckt von einem Haufen Ziegeln.
Eine herrliche Morgensonne strich über das Grün rund um die Laube und sprenkelte den Weg und den alten Pfarrer von Santafusca mit zahllosen Goldtupfern, die wie kleine Flammen flackerten.
Als rüstiger Mann von siebzig Jahren genoss Don Antonio die Freude dieser frühen Brise, denn der Morgen bedeutet die Jugend des Tages, die zuverlässig wiederkehrt, während die seine, inzwischen längst vergangen, leider nie wiederkehren würde.
Andererseits, so dachte der brave alte Pfarrer, dem der Tau seiner Pflanzen das Silberhaar betröpfelte, andererseits hält die Liebe zu Gott einen jeden jung, weshalb das Herz eines Gläubigen nicht altert.
Diesen Gedanken sann er, die Gießkanne in der Hand, noch immer nach, als Martino angetrabt kam, um ihm mitzuteilen, dass Salvatore einen furchtbaren Schwächeanfall erlitten und mitten auf der Straße zusammengebrochen sei. Don Antonio müsse sofort mit Salböl zu ihm eilen und beten, es möge nicht schon zu spät sein. Er, Martino, wolle loslaufen, um die Glocken zu läuten.
Don Antonio überließ seine Ameisen sofort sich selbst, hastete in die Kirche, setzte sein Birett auf, um sich gegen die Sonne zu schützen, steckte die Stola und das Gefäß mit dem heiligen Öl in seine Tasche und machte sich, so schnell ihn seine Füße trugen, Richtung Anwesen auf, wobei ihn unterwegs schon ein paar Bauern einholten, die halfen, Salvatore ins Haus zu bringen.
Der arme Diener lag im Sterben. Ein zweiter Schlag, der die bereits mitgenommene Kreatur endgültig dahinraffen würde. Salvatore bewohnte im Anwesen eine Kammer zu ebener Erde, in der man einst Vögel während der Mauser untergebracht hatte. Ein paar Lumpen, eine alte Kommode, zwei Stühle und ein Strohsack stellten seinen ganzen Reichtum dar. Am Kopfende des Bettes hing eine alte Flinte, die seit zehn Jahren keinen einzigen Vogel mehr um sein Leben gebracht hatte. Rost hatte sie inzwischen in aller Stille zerfressen.
Der Sterbende brabbelte lediglich ein paar zusammenhanglose Worte, doch da Don Antonio ihm erst im letzten Jahr die Beichte abgenommen hatte, ging er nun davon aus, dass der arme Mann seitdem nicht einmal mehr das Verlangen nach einer Sünde verspürt haben dürfte, und erteilte ihm in articulo mortis die Absolution, segnete ihn und schloss ihm mit einem in vitam aeternam, amen die Augen.*
Martino hielt zusammen mit dem Postboten des Ortes die Totenwache.
»Wäre nun auch dieser Mann in seinem Hafen eingelaufen«, murmelte Don Antonio auf dem Weg zurück ins Pfarrhaus. Und während er gemächlich den schmalen Pfad entlangtrottete, überlegte er, wie er die bescheidene Beerdigung ausrichten könne, und suchte bereits nach den nötigen Worten, um dem Baron die traurige Nachricht mitzuteilen, als ihm plötzlich der Schatten auffiel, den sein Hut in der Sonne warf. Jäh blieb er stehen. Er drehte den Kopf ein wenig, damit der Schatten über den Weg huschte. Da schien es ihm, dass er nicht den vertrauten Schatten sah, also nicht den, der seit Jahren seine Spaziergänge bei Sonnenschein begleitete.
Der Unterschied lag in den Umrissen. Während der Schatten sonst den ganzen Weg einnahm, spannte er doch die Flügel, als wären es Segel im Wind, und erinnerte dadurch an einen Vogel, der sich mit matten Schwingen über einen Meeresarm tragen ließ, hatte der Vogel, der heute auf seinem Kopf saß, etwas deutlich Frischeres an sich, mehr Grazie sozusagen, als wäre er der Sohn des bisherigen Luftbewohners.
Da er sich dieses seltsame Phänomen einfach nicht zu erklären wusste, zog Don Antonio sich das Birett vom Kopf und bemerkte sogleich die Verwechslung. Das war nicht sein alter, schon leicht ramponierter Hut, sondern ein Schmuckstück von Hut, ein nigelnagelneues Stück mit Seidenbändern und azurblauem Seidenfutter, wie die Mozetta auch dies etwas für einen Kardinal.
»Was geht hier vor?«, rief Don Antonio aus. »In der Heiligen Schrift habe ich wohl gelesen, dass ein Rabe dem Propheten Elias Brot bringt, aber kein Wort davon, dass Gott einem armen Priester einen neuen Hut zukommen lässt.«
Das Schönste freilich war, dass der Hut ihm wie angegossen passte, beinahe, als hätte Gott eigenhändig bei ihm Maß genommen.
Wie er sich dieses Mysterium erklären sollte, wusste Don Antonio nicht genau, vermutete jedoch, dass es in der Kammer des Toten zu einer Verwechslung gekommen sein musste. Martino gegenüber wollte er dies zunächst mit keinem Wort erwähnen. Als er dann zur Beerdigung zum Anwesen zurückkehrte, schaute er sich sorgsam um und entdeckte seinen Hut tatsächlich auf einem Stuhl in einer Ecke, während auf der Kommode noch ein helles Rund in der Staubschicht von dem neuen Hut kündete.
Sein Gewissen verlangte selbstverständlich, den neuen Hut sofort an seinen Platz zurückzulegen und stattdessen seinen alten an sich zu nehmen. Als indes der Moment kam, gemeinsam mit dem Toten das Haus zu verlassen, da obsiegte Fahrigkeit oder womöglich gar die hässliche Einflüsterung eines boshaften Geistes, der ja bekanntlich umso stärker triumphiert, je reiner das Gewissen, das er erobert, und Don Antonio nahm abermals den neuen Hut an sich, während sein alter auf dem Stuhl verblieb.
»Das ist kein Diebstahl«, beruhigte ihn sein Gewissen, als der Trauerzug sich dem Friedhof näherte, »denn einem armen Toten stiehlt man nichts, wenn man seinen Hut an sich nimmt. Dort unten, unter der Erde, besteht für ihn schließlich keine Gefahr, sich einen Sonnenstich zu holen. Außerdem muss ich mich ja auch irgendwie für diese Beerdigung entlohnen. Salvatore hinterlässt bis auf seinen Hund nichts, und wollte ich darauf hoffen, dass dieser alte Libertin von Baron die Kosten übernimmt, könnte ich wohl lange warten. Bliebe also nur, in Erfahrung zu bringen …«, murmelte sein pingeliges Gewissen unermüdlich weiter, »… nun, eben in Erfahrung zu bringen, ob der Hut auch wirklich Salvatore gehört oder ob er sich nicht rein zufällig in seiner Kammer befunden hat oder ob der brave Diener ihn vielleicht für jemanden aufbewahrt hat. Andererseits habe ich ja meinen alten Hut an der Stelle des neuen dagelassen, und wenn der Besitzer des ersten die Verwechslung bemerkt, könnte er zum Pfarrhaus kommen und seinen eigenen zurückfordern.«
Sobald sein Gewissen sich mit diesem Gedanken beruhigt hatte, sprach er noch am selben Abend mit Martino darüber, schließlich war der einstige Kapuzinerbruder überaus pfiffig, wenn es darum ging, eine Gewissensfrage zu lösen. Doch auch er fand es nur angemessen, dass Don Antonio fortan diesen Hut trüge, der im Grunde ja herrenlos war. Um sein Gewissen vollends reinzuwaschen, knauserte der Priester bei der Fürbitte nicht und las eine Totenmesse, die der armen Seele Salvatores Frieden bringen sollte.
Und so behielt er den Hut.
Salvatore war gestorben, ohne dass er jemandem hätte verraten können, wie dieses Stück zu ihm gelangt war.
Der Hund hätte es wohl zu sagen vermocht, der in alter Gewohnheit im Stroh des Kobens gestöbert hatte, diesen dort gefunden und dann zu seinem Herrn gebracht hatte, wie er es sonst mit erjagten Staren tat.
Aber Hunde sprechen nicht.