Es wird nicht immer Vorräte geben. Wie ich die Lage einschätze, haben wir nur günstige Startbedingungen. Kapital für den Anfang, nicht für ewig … Später werden wir pflügen müssen, noch später lernen, wie man Pflugscharen macht, und noch später, wie man das Eisen für diese Pflugscharen gewinnt … Das Wertvollste bei unserem jetzigen Start ist Wissen. Es ist der Vorsprung, den wir unseren Vorfahren voraushaben.
John Wyndham, Die Triffids
Wie dringend Sie die Landwirtschaft neustarten müssen, hängt ausschließlich davon ab, wie viele Menschen jenes Ereignis überlebten, das den Zusammenbruch der Gesellschaft auslöste. Für die Zwecke unseres Gedankenexperiments wollen wir annehmen, Sie hätten eine gewisse Schonfrist, bevor die Vorräte an konservierten Lebensmitteln aufgebraucht sind. Dies gibt Ihnen genügend Zeit, mit der neuen Situation klarzukommen, nach geeignetem Land zur Wiederansiedlung zu suchen und nach und nach aus Ihren Fehlern auf den Feldern zu lernen, bevor eine verlässliche Ernte zu einer Frage von Leben und Tod wird.
Nach dem Untergang müssen Sie unverzüglich so viele Kulturpflanzen wie möglich bergen und konservieren. Jeder moderne Kulturpflanzenstamm repräsentiert Tausende von Jahren an sorgfältiger Auslesezüchtung, und wenn Sie domestizierte Arten verlieren, verlieren Sie womöglich jede Hoffnung darauf, den Wiederaufbau der Zivilisation abzukürzen. Im Lauf ihrer Domestikation wurden Arten wie Weizen und Mais mit dem Ziel gezüchtet, ihren Nährstoffgehalt so weit wie möglich zu steigern, und sie sind jetzt schlecht an ein Leben ohne uns angepasst. Viele werden schon nach kurzer Zeit von konkurrierenden Arten verdrängt und von Wildpflanzen, die ihre Chance ergreifen, die verlassenen Felder zurückzuerobern, an den Rand des Aussterbens getrieben.
Überwucherte, sich selbst überlassene Schrebergärten oder Gemüsebeete hinterm Haus sind Stellen, an denen man mit ein bisschen Glück noch essbare Pflanzen findet. Sorten wie Rhabarber, Kartoffel und Artischocke werden sich noch lange, nachdem das Beet nicht mehr bestellt wurde, von selbst vermehren. Aber Ährenfrüchte sind unsere Grundnahrungsmittel, und wenn Sie besonders gewissenhaft wären, würden Sie unverzüglich Expeditionen organisieren, um Samen zu sammeln, ehe die Pflanzen absterben und auf den Feldern verfaulen. Oder aber Sie haben das Glück, in verlassenen Scheunen auf Säcke mit Saatgut zu stoßen, das auch nach Jahren noch keimfähig ist.
Das Problem besteht jedoch darin, dass viele der Nutzpflanzen, die in der modernen Landwirtschaft angebaut werden, Hybride sind: Sie werden durch Kreuzung zweier Inzuchtstämme mit den gewünschten Merkmalen gezüchtet, um auf diese Weise Abkömmlinge zu erzeugen, die gleichförmig und außerordentlich ertragsstark sind. Leider behalten die Samen dieser Hybridsorten diese Eigenschaften nicht – sie sind nicht »samenecht«, und daher müssen jedes Jahr neue Hybridsamen für die Aussaat gekauft werden. Unmittelbar nach der Katastrophe sollten Sie daher alte Kulturpflanzensamen sammeln: traditionelle Sorten, die sich von Jahr zu Jahr zuverlässig vermehren lassen. Viele »Preppers« legen für genau diesen Fall Vorräte an alten Kulturpflanzensamen an, aber wohin sollten Sie sich wenden, wenn Sie nicht rechtzeitig im Voraus einen Vorrat angelegt haben?
Es gibt auf der ganzen Welt Hunderte von Samenbanken, die die biologische Vielfalt für die Nachwelt erhalten. Die größte ist die Millennium Seed Bank in West Sussex, vor den Toren Londons. Hier lagern Milliarden von Samen in einem atombombensicheren, mehrgeschossigen unterirdischen Tresorraum – eine lebenswichtige postapokalyptische Bibliothek, nicht von Büchern, sondern von mannigfaltigen Kulturpflanzenstämmen.
Die Samen vieler Pflanzenarten wie Ährenfrüchte, Erbsen und andere Hülsenfrüchte sowie Kartoffeln, Auberginen und Tomaten bleiben in einer kühlen, trockenen Umgebung jahrzehntelang vermehrungsfähig. Doch selbst diese Samen sterben nach einer gewissen Zeit ab, und daher müssen sie zum Keimen gebracht und zu Pflanzen herangezogen werden, um frische Samen für die fortgesetzte Einlagerung zu produzieren.
Karte und geographische Längen- und Breitenkoordinaten des Svalbard Global Seed Vault
Niedrige Temperaturen verlängern diese Lebensdauer, und so ist die vielleicht widerstandsfähigste landwirtschaftliche Back-up-Einrichtung, sozusagen eine Sicherungsdatei, die nach dem Zusammenbruch der Zivilisation noch lange weiterbestehen wird, der Svalbard Global Seed Vault. Diese Saatgutbank wurde 125 Meter tief in einen Berghang auf der norwegischen Insel Spitzbergen hineingebaut. Die ein Meter dicken Stahlbetonwände, explosionsgeschützte Türen und Luftschleusen schirmen den biologischen Speicher im Innern gegen die schlimmste globale Katastrophe ab, und selbst bei einem Stromausfall sorgt der Permafrostboden (der Ort liegt weit innerhalb des nördlichen Polarkreises), in den die Anlage eingebettet ist, für eine stabile Temperatur von unter null Grad, bei der die eingelagerten Samen langfristig konserviert werden. Weizen- und Gerstensamen bleiben unter diesen Bedingungen über tausend Jahre lang keimfähig.
Die entscheidende Frage, die Sie beantworten müssen, lautet: Wie stelle ich sicher, dass aus der Handvoll Samen, die ich auf ein matschiges Feld ausstreue, Nahrungspflanzen wachsen, die ich vor Wintereinbruch abernten kann?
Das hört sich nach einem Kinderspiel an: Samen keimen von selbst, und Pflanzen sind schon Jahrmillionen, bevor der Mensch die Bühne betrat, problemlos gewachsen. Aber das bedeutet keineswegs, dass die Landwirtschaft im Allgemeinen und der Anbau von Pflanzen im Besonderen ein leichtes Unterfangen wären. Zwar wachsen Pflanzen von selbst, aber der Ackerbau ist eine extrem künstliche Angelegenheit. Sie wollen eine bestimmte Pflanzensorte in Monokultur anbauen, eine reine und gleichförmige Feldfrucht, die isoliert auf einem Feld unter Ausschluss aller anderen Pflanzen gedeihen soll. (Alle anderen Pflanzen, die auf dem Feld wachsen, sind definitionsgemäß Unkräuter, die mit Ihren Nahrungspflanzen um Sonnenlicht, Wasser und Bodennährstoffe konkurrieren.) Sie wollen außerdem die Anbaudichte der Feldfrüchte optimieren, um den höchstmöglichen Ertrag aus dem Land herauszuholen und um den Arbeits- und Energieaufwand bei der Bestellung großer Flächen zu minimieren. Aber Sie müssen verhindern, dass Insekten und andere Schädlinge oder Pilze, die sich unter solchen idealen Bedingungen unkontrolliert vermehren (in der gleichen Weise, wie Städte perfekte Brutstätten für menschliche Krankheitskeime sind), dieser überaus reizvollen Nahrungsquelle den Garaus machen. Diese beiden Faktoren bedeuten, dass jedes Feld eine in höchstem Maße künstliche Umgebung ist und dass Sie die Natur fortwährend zurückdrängen müssen. Es bedarf einer sehr sorgfältigen Kontrolle und intensiver Anstrengungen, um diese instabile Situation aufrechtzuerhalten.
Sie müssen in der Landwirtschaft allerdings ein noch grundlegenderes Problem bewältigen. In einem natürlichen Ökosystem wie etwa einem Wald wachsen Bäume und Sträucher dadurch, dass sie Energie aus dem Sonnenlicht aufnehmen, Kohlenstoff aus der Luft absorbieren und über ihre Wurzeln eine Vielzahl mineralischer Nährstoffe aus dem Erdreich saugen. Diese lebenswichtigen Substanzen werden in die Blätter, die Stängel beziehungsweise Stämme und die Wurzeln von Pflanzen eingebaut, und wenn ein Tier diese dann frisst, wandelt es sie in körpereigene Stoffe um. Wenn das Tier später unverdauliche Nahrungsreste ausscheidet oder stirbt und verwest, sickern diese Nährstoffe einfach wieder in den Boden zurück, aus dem sie ursprünglich stammen. Ein natürliches Ökosystem ist daher eine Art Wirtschaftssystem mit geschlossenem Wertstoffkreislauf. Bei Ackerland verhält es sich jedoch völlig anders: Man fördert das Wachstum der Feldfrüchte allein zu dem Zweck, die ausgereiften Pflanzen für den menschlichen Verzehr zu ernten. Selbst wenn Sie einen Großteil der nicht verwerteten pflanzlichen Stoffe wieder auf die Felder ausbringen, haben Sie doch jenen Teil beseitigt, den Sie verzehrt haben, und Jahr für Jahr verarmt der Boden immer stärker an Nährstoffen. Der Feldbau geht also notwendigerweise mit dem zunehmenden Verlust mineralischer Nährstoffe einher, so dass der Boden seine Fruchtbarkeit verliert. Zudem wird in unseren modernen Kanalisationssystemen das Abwasser so aufbereitet, dass schädliche Bakterien abgetötet werden, ehe es anschließend in Flüsse und Meere eingeleitet wird – die heutige Landwirtschaft entzieht also dem Boden notwendigerweise in großem Umfang Nährstoffe, die dann in den Ozean gespült werden. Pflanzen benötigen genauso wie der menschliche Körper eine ausgewogene Ernährung, und die drei wichtigsten Nährstoffe für Pflanzen sind die Elemente Stickstoff, Phosphor und Kalium. Phosphor ist von entscheidender Bedeutung für die Energieübertragung, und Kalium hilft, den Wasserverlust zu begrenzen, aber meistens ist Stickstoff, den die Pflanzen für die Synthese sämtlicher Proteine benötigen, der begrenzende Faktor des Ernteertrags. Nur wenn man sehr großes Glück hat, wie die alten Ägypter im Niltal, wo die jährlichen Überschwemmungen das Land mit fruchtbarem Schlamm revitalisierten, muss man nichts unternehmen, um dieses fundamentale Defizit in der Nährstoffbilanz auszugleichen.
Die moderne industrialisierte Landwirtschaft ist erstaunlich erfolgreich; der durchschnittliche Hektarertrag ist heute zwei- bis viermal so hoch wie vor hundert Jahren. Aber landwirtschaftliche Betriebe können nur deshalb immer wieder auf denselben Flächen dichte Monokulturen züchten, die Jahr für Jahr hohe Erträge abwerfen, weil sie hochwirksame Herbizide und Pestizide versprühen, um das Ökosystem mit eiserner Faust unter Kontrolle zu halten, und auch weil sie große Mengen an Kunstdüngern einsetzen. Die stickstoffreichen Verbindungen, die in diesen Kunstdüngern enthalten sind, werden nach dem Haber-Bosch-Verfahren, auf das wir in Kapitel 11 zurückkommen werden, industriell hergestellt. All diese Herbizide, Pestizide und Kunstdünger werden aus fossilen Brennstoffen synthetisiert, die auch die Landmaschinen und -geräte antreiben. Daher ist der moderne Feldbau in gewisser Weise ein Verfahren, das Erdöl – unter Zufuhr von etwas Sonnenenergie – in Nahrung umwandelt und bei dem etwa zehn Kalorien an fossiler Brennstoffenergie für jede Kalorie an verzehrter Nahrung aufgewendet werden müssen. Nach dem Zusammenbruch der Zivilisation und dem Verschwinden einer hochentwickelten Chemieindustrie müssen Sie wieder die traditionellen Methoden lernen. Heute sind Bioprodukte den eher Wohlhabenden vorbehalten – nach der Apokalypse sind sie Ihre einzige Option.
Wir werden im weiteren Verlauf dieses Kapitels auf die Frage zurückkommen, wie Sie die Fruchtbarkeit des Bodens über die Jahre erhalten können. Beginnen wir jedoch mit den Grundlagen des Ackerbaus.
Als Landwirt haben Sie nur eine eingeschränkte Kontrolle über die Natur. Sie können nicht die Menge an Sonnenlicht beeinflussen, die auf Ihre Felder einstrahlt; Sie können weder das Klima Ihrer Region noch den Lauf der Jahreszeiten ändern. Auch die Niederschlagsmenge liegt nicht in Ihrer Hand, obgleich Sie den Feuchtigkeitsgehalt der Felder regulieren können, indem sie Be- und Entwässerung aufeinander abstimmen. Am ehesten haben Sie noch Kontrolle über den Boden: Sie können ihn mit Düngern chemisch anreichern, wie wir gerade gehört haben, und ihn mit Werkzeugen wie dem Pflug physisch bearbeiten. Das grundlegendste Element der Landwirtschaft, das ein Landwirt beeinflussen kann, ist also der Boden, und eine sachgerechte Bodenbewirtschaftung setzt voraus, dass man zunächst einmal versteht, was der Boden überhaupt ist und wie er das Pflanzenwachstum fördert.
Sämtliche Zivilisationen der Geschichte verdanken ihre Existenz dieser dünnen Schicht Muttererde. Jäger und Sammler können sich durch Nahrungssuche in Wäldern am Leben halten, aber Städte und Zivilisationen sind auf die enorme Produktivität von Ährenfrüchten angewiesen – flachwurzelnden Gräsern, die vollkommen abhängig sind von den Dienstleistungen, die der Mutterboden für sie erbringt. Die Grundlage aller Böden ist das zerfallene Gestein, das die Erdkruste bildet. Gestein wird von fließendem Wasser, Wind und Gletschern, die Felsen zermahlen, physikalisch angegriffen und von schwach saurem Regenwasser, das eine geringe Menge Kohlendioxid aufnimmt, wenn es aus den Wolken tropft, chemisch verwittert. Je nach dem Grad des Zerbröckelns entstehen dabei Kies, Sand oder Ton. Diese Teilchen kleben mit Humus zusammen – eine Matrix aus organischer Materie, die Feuchtigkeit und Mineralien zurückhält und dem Mutterboden seine dunkle Farbe verleiht. Böden enthalten in der Regel zwischen 1 und 10 Prozent Humus, auch wenn Torf fast zu 100 Prozent aus organischer Materie besteht. Am wichtigsten aber ist, dass Böden eine riesige, formenreiche Mikrobenpopulation beherbergen, ein unsichtbares Ökosystem, das organische Materie zersetzt und Nährstoffe für Pflanzen recyclet.
Der Faktor, der für die Beschaffenheit eines bestimmten Bodens und seine Eignung für den Anbau verschiedener Feldfrüchte maßgeblich ist, ist der Anteil verschiedener Teilchengrößen: von körnigem Sand, intermediärem Schluff und feinem Ton. Die Zusammensetzung eines Bodens lässt sich leicht mit bloßem Auge überprüfen. Füllen Sie ein Glasgefäß zu einem Drittel mit Erde (entfernen Sie alle harten Klümpchen, Stängel und Blätter) und gießen Sie nun fast randvoll Wasser darauf. Schrauben Sie einen Deckel drauf und schütteln Sie fest, bis sich alle Klumpen aufgelöst haben und Sie eine gleichförmige schlammige Brühe erhalten. Lassen Sie das Gefäß etwa einen Tag lang stehen, ohne es anzurühren, so dass sich die Suspension absetzen kann und das Wasser wieder nahezu klar wird. Die Körner haben sich nun je nach ihrer Teilchengröße in deutlich erkennbaren Schichten oder Streifen abgesetzt, die es Ihnen erlauben, ihre jeweiligen Anteile in dem Bodengemisch visuell abzuschätzen. Die Bodenschicht ist die grobkörnige Sandkomponente des Bodens, die mittlere Schicht besteht aus Schluff und die oberste Schicht aus den feinsten Tonteilchen.
Ideal für den Ackerbau ist der sogenannte Lehmboden, der ein ausgewogenes Gemisch aus ungefähr 40 Prozent Sand, 40 Prozent Schluff und 20 Prozent Ton ist. Ein sandiger Boden (der zu über zwei Dritteln aus Sand besteht) entwässert hervorragend und eignet sich daher ausgezeichnet für überwinterndes Vieh, das so nicht in Morast herumstapfen muss, aber Mineralien und Dünger werden leicht ausgewaschen, so dass dieser Bodentyp zusätzlich gedüngt werden muss. Andererseits lässt sich schwerer Lehmboden (über ein Drittel Tonteilchen und weniger als die Hälfte Sand) mit Pflügen und Eggen physisch nur mühsam bearbeiten und erfordert eine stärkere Kalkung, um ein gesundes Krümelgefüge aufrechtzuerhalten.
Weizen, Bohnen, Kartoffeln und Rapspflanzen gedeihen hervorragend in gut bewirtschafteten Tonböden. Hafer wächst auf schwereren, feuchteren Böden, als sie für Weizen oder Gerste geeignet sind. Unsere Vorfahren haben mit dem Anbau von Hafer und Kartoffeln hohe Ernteerträge erzielt und konnten dadurch Gebiete besiedeln, in denen andere Feldfrüchte nicht gedeihen. Gerste bevorzugt leichtere Böden als Weizen, und Roggen wächst auf magereren, sandigeren Böden als andere Getreide. Zuckerrüben und Karotten gedeihen ebenfalls gut in sandigen Böden.
Fruchtbaren Lehmboden in einer gut entwässerten Region zu finden ist nur der erste Schritt für den Neustart der Landwirtschaft. Um Nutzpflanzen optimale Wachstumsbedingungen zu verschaffen, muss man auch den Boden physisch bearbeiten. Bodenbearbeitung ist der Oberbegriff für sämtliche mechanischen Bemühungen zur Lockerung von harten Böden, Unkrautbekämpfung und der Vorbereitung einer fruchtbaren Ackerkrume für die Aussaat.
In einem hinreichend kleinen Maßstab würden Handgeräte ausreichen. Eine Hacke eignet sich ausgezeichnet zur Auflockerung des Mutterbodens und zum Einarbeiten von Stalldung oder Gründüngern (faulenden Pflanzenresten) vor der Vegetationsperiode sowie zum Zerhacken von Unkraut vor der Aussaat und in bestimmten zeitlichen Abständen während der Wachstumsperiode der Feldfrüchte. Mit einem einfachen Pflanzholz kann man in regelmäßigen Abständen flache Löcher in den Boden bohren, in die man Samen hineinfallen lässt, ehe man sie anschließend mit dem Fuß wieder mit Erde auffüllt. Aber es ist eine zeitraubende Knochenarbeit, und Sie hätten kaum Zeit für irgendetwas anderes. Es zeichnet die Geschichte der Landwirtschaft über die Jahrtausende aus, dass die Konstruktionsweise landwirtschaftlicher Geräte unentwegt verbessert wurde, damit sie ihre grundlegenden Funktionen effizienter erfüllten, die Ertragskraft der Böden steigerten und gleichzeitig den erforderlichen Arbeitseinsatz verringerten.
Einfache landwirtschaftliche Geräte: Hacke (a), Pflanzholz (b),
Sichel (c), Sense (d), Dreschflegel (e)
Das prototypische landwirtschaftliche Gerät ist der Pflug, allerdings hat sich seine Rolle seit Beginn des Ackerbaus gewandelt. Auf den fruchtbaren, leicht bestellbaren Böden Mesopotamiens, Ägyptens und Chinas war der primitive Pflug kaum mehr als ein gespitzter Holzscheit, der schräg in den Boden gerammt und dann von Ochsen oder menschlichen Arbeitskräften durch den Boden gezogen wurde. Auf diese Weise wurde eine flache Furche gegraben, in die man Samen streute und anschließend wieder locker mit Erde bedeckte. Der größte Teil des Ackerlandes muss allerdings etwas stärker bearbeitet werden, damit sich eine landwirtschaftliche Nutzung lohnt. Heutzutage besteht die Aufgabe eines Pflugs darin, die oberste Bodenschicht eines ganzen Feldes gründlich aufzugraben und zu wenden und sie dabei leicht zu zerbröckeln. Dieser Vorgang dient vor allem der Unkrautbekämpfung. Vor der Aussaat der Feldfrucht werden so unerwünschte Pflanzen an ihren Wurzeln abgeschnitten und mit Erdreich bedeckt. Ohne Sonnenlicht verwelken sie und sterben ab; ihre Samen sind so tief in der Erde begraben, dass sie nicht keimen können. Diese Bearbeitung des Bodens durchmischt auch im Mutterboden enthaltenes organisches Material und Nährstoffe, insbesondere wenn Stalldung untergepflügt wird, und sie verbessert die Entwässerung des Bodens sowie die Entlüftung und begünstigt dadurch die Vermehrung von Bodenmikroben.
Landwirtschaftliche Geräte und Maschinen: Pflug, Egge, Drillmaschine.
Kleines Bild: Ein Pflug schneidet den Mutterboden in Streifen und wendet diese um.
Unmittelbar nach der Katastrophe werden Sie mit etwas Glück keine Schwierigkeiten haben, aufgegebene Traktoren und Anbaugeräte wie etwa Mehrscharpflüge und den für ihren Betrieb erforderlichen Kraftstoff aufzutreiben. Wenn dann aber verfügbarer Kraftstoff versiegt oder fehlende Ersatzteile den Traktor stilllegen, müssen Sie auf weniger intensive Methoden zurückgreifen. Und es ist nicht damit getan, ein paar Ochsen zu finden und sie einem modernen Pflug vorzuspannen, da diese großen, mehrscharigen Geräte einer enormen Zugkraft bedürfen, um sie durch den Boden zu ziehen. Wenn Sie keinen traditionellen Pflug finden können – unter Umständen sollten Sie in Museen in den verlassenen Städten in Ihrer Nähe nachsehen –, müssen Sie selbst einen bauen. Vielleicht können Sie eine moderne Pflugschar aus dem Satz von Scharen an einem Traktoranhänger ausbauen und sie einzeln an ein Gestell montieren, aber wenn alle durchgerostet sind, könnten Sie einen mit Gusseisen überzogenen Holzpflug bauen oder in einer Schmiede gefundene alte Stahlplatten umarbeiten. Die Pflugschar ist im Grunde nichts anderes als ein geschärftes Schwert, das den Boden horizontal unterschneidet und ihn über das Streichblech drückt, das so geformt ist, dass es die Grassode wendet und verkehrt herum wieder auf dem Feld ablegt.
Nach dem Pflügen müssen die entstandenen Furchen und Kämme geglättet werden, um ein für die Aussaat geeignetes Samenbeet zuzubereiten. Die Egge ist so alt wie der Pflug, wobei verschiedene Formen jeweils unterschiedlich tief in den Boden eindringen und die Erdklumpen verschieden fein für die Ackerkrume zerkrümeln. Moderne Eggen setzen sich aus Reihen senkrechter Metallscheiben zusammen, die den Boden durchschneiden, oder aus federnden, gekrümmten Metallzinken, die vertikal vibrieren, während sie gezogen werden, um den Boden zu pulverisieren, wobei sie die Funktion einer manuellen Harke nachahmen. Sie können einfachere Varianten aus rautenförmigen Holzrahmen mit angeklebten Zinken selbst bauen oder auch einfach einen schweren Ast über den Boden schleifen, wenn Sie wirklich nicht weiterkommen. Verschiedene Feldfrüchte bevorzugen unterschiedliche sogenannte Ackergaren (Bodenzustände): Weizen zum Beispiel mag ein ziemlich grobkrümeliges Saatbeet, mit Erdklumpen etwa von der Größe einer Kinderfaust, während Gerste eine viel feinere Ackerkrume bevorzugt. Nach der Aussaat wird das Feld mit einer leichteren Egge bearbeitet, um die Samen mit Erde zu bedecken; diese kann auch zwischen den bestellten Pflanzenreihen benutzt werden, um Unkraut auszureißen.
Nachdem eine geeignete Ackerkrume hergestellt wurde, besteht der nächste Schritt darin, das Saatgut in den Boden auszubringen. Ursprünglich bezeichnete das englische Wort »broadcast« – das heute Rundfunk beziehungsweise Rundfunkübertragung bedeutet – das breitwürfige manuelle Ausbringen von Saatgut: Während man das Feld auf und ab geht, greift man eine Handvoll Samen aus einem umgehängten Sack und wirft sie schwungvoll seitlich aus. Auf diese Weise lassen sich Samen relativ schnell verteilen, Sie können dabei allerdings kaum beeinflussen, wo diese landen, was später die Unkrautbekämpfung erschwert. Aber mit etwas Findigkeit können Sie auch dieses Verfahren enorm verbessern. Eine Drillmaschine ist ein Gerät zur Aussaat von Pflanzensamen. Im einfachsten Fall ist es eine Karre mit einem aufgesetzten, mit Saatgut befüllten Vorratsbehälter und einem Getriebe, das von einem der Räder angetrieben wird und langsam eine Schaufel am Boden des Vorratsbehälters dreht, die in regelmäßigen Abständen einen einzelnen Samen freigibt. Jeder Samen fällt durch eine schmale vertikale Röhre und wird dann in der geeigneten Bodentiefe begraben. Wenn Sie nun parallel zueinander weitere Schaufeln und Röhren anbringen, können Sie in einem Durchgang mehrere Reihen aussäen. Durch entsprechende Justierung der Getriebekette können Sie den Abstand zwischen den Pflanzen in einer Reihe verändern (durch Erfahrung finden Sie den optimalen Abstand für verschiedene Feldfrüchte heraus). Dieses System geht weit weniger verschwenderisch mit Samen um, weil die wachsenden Pflanzen bei optimalem Abstand weder miteinander konkurrieren noch durch übergroße Zwischenräume Platz verschwenden. Außerdem lässt sich Unkraut zwischen geraden Pflanzenreihen leichter beseitigen, als wenn die Pflanzen nach breitwürfiger Aussaat wild durcheinanderwachsen. Mit etwas mehr Erfahrung und technischem Verständnis lässt sich auch eine Drillmaschine bauen, die eine kleine Menge flüssigen Dung oder Kunstdünger in dem Samenloch deponiert; diese hilft dem Schössling, Wurzeln zu schlagen.
Beim Feldbau geht es darum, eine Phase im Lebenszyklus jener Pflanzen auszubeuten, die wir als Feldfrüchte ausgewählt haben. Viele Pflanzen nutzen einen bestimmten Teil ihres Pflanzenkörpers als Speicher für die Energie des von ihnen aufgenommenen Sonnenlichts, die entweder im nächsten Jahr von der Pflanze selbst oder als »Erbe« von der nächsten Generation, ihren Samen, genutzt wird. Diese Speicher sind die saftreichen und nahrhaften Teile, die man in den Regalen von Supermärkten findet. Die meisten Wurzel- und Stammgemüse, die wir verzehren, sind zweijährige Pflanzen – sie blühen in ihrem zweiten Jahr. Ihre Fortpflanzungsstrategie besteht darin, die in einer Wachstumsperiode angehäufte Energie in einem eigens vergrößerten Abschnitt zu speichern, in einem Ruhezustand zu überwintern und zu Beginn des nächsten Frühjahrs diesen Vorrat zu nutzen, um lange vor den Konkurrenten Blüten und Samen zu erzeugen. Beispiele für solche geschwollenen Pfahlwurzeln sind Karotten, Speiserüben, Steckrüben, Rettiche und Rote Rüben. Wenn wir diese Sorten anbauen und ihre knollig verdickten Teile ernten, tun wir im Grunde nichts anderes, als die Energiesparkonten, die sie während der Wachstumsphase nach und nach aufgefüllt haben, leerzuräumen. Kartoffeln sind eigentlich kein Wurzelgemüse: Bei der Knolle, die wir verzehren, handelt es sich letztlich um einen geschwollenen Teil des Stängels. Andere Pflanzen verwenden speziell umgewandelte Blätter als ihre Energiespeicher – Zwiebeln, Lauche, Knoblauch und Schalotten sind alle dichtgefügte Büschel aus verdickten Blättern. Blumenkohl und Brokkoli sind eigentlich unreife Blüten und werden ungenießbar, wenn sie nicht früh genug geerntet werden. Früchte sind offensichtlich die Energiespeicher für die Samen einer Pflanze, etwa das saftreiche Fruchtfleisch, das den Kern einer Pflaume umhüllt; das Korn einer Ährenfrucht wie Weizen ist, botanisch gesehen, ebenfalls eine Art Frucht.
Als die Menschheit ihren nomadischen Lebensstil aufgab und sesshaft wurde, sich also fest an einen bestimmten Ort mit umliegenden landwirtschaftlichen Nutzflächen band, wurde sie völlig von den zuverlässigen Ernteerträgen jener Pflanzen abhängig, die sie als Feldfrüchte übernommen hatte. Wir haben uns jedoch nicht damit begnügt, dankbar die nährstoffreichen pflanzlichen Speicher zu nutzen, die die natürliche Selektion bereitgestellt hat. Durch Auslesezüchtung über viele Generationen hinweg, bei der wir Pflanzen auf der Grundlage bestimmter erwünschter Merkmale zur Fortpflanzung ausgewählt haben, haben wir ihre biologische Beschaffenheit derart »frisiert«, dass wir bestimmte Eigenschaften verstärkten, während wir unerwünschte Merkmale abschwächten. Während wir die Fortpflanzungsstrategien dieser Pflanzen »umprogrammierten«, um sie für unsere eigenen Zwecke einzuspannen, wurde ihre ursprüngliche biologische Beschaffenheit derart stark deformiert, dass sie jetzt ohne uns genauso wenig überleben können wie wir ohne sie. Jede Feldfrucht, die wir heute anbauen, von der grotesk geschwollenen Tomate bis zur verkümmerten, spitzenlastigen Reispflanze, ist eine veritable eigene Technologie, das Produkt früher Gentechniker.7
Weltweit gibt es eine enorme Vielfalt essbarer Pflanzenarten, und auch wenn nur ein kleiner Bruchteil davon für den Anbau ausgewählt und von Zivilisationen über die Jahrtausende einer Auslesezüchtung unterzogen wurde, handelt es sich noch immer um 7000 Kulturvarietäten (Sorten). Allerdings entfallen über 80 Prozent der weltweiten Produktion von Ackerfrüchten auf nur ein Dutzend Arten, und die bedeutenden Zivilisationen Amerikas, Asiens und Europas wurden sogar auf nur drei Nahrungspflanzen aufgebaut: Mais, Reis und Weizen. Für den Neustart nach der Apokalypse werden diese drei Pflanzen genauso unabdingbar sein.
Die wichtigsten Halmfrüchte
(von links nach rechts): Weizen,
Reis, Mais, Gerste, Hafer, Roggen,
Echte Hirse und Mohrenhirse
Mais, Reis und Weizen sowie Gerste, Mohrenhirse (Sorghum), Echte Hirse, Hafer und Roggen sind sogenannte Halm- oder Ährenfrüchte: verschiedene Sorten von Gras. Diese Dominanz von Getreide in unserer Ernährung sowie die Tatsache, dass ein Großteil des Fleischs, das wir verzehren, von Vieh stammt, das seinen eigenen Nahrungsbedarf entweder durch Grasen auf Weiden oder durch Körnerfutter deckt, bedeutet, dass sich die Menschheit direkt oder indirekt überwiegend von Gras ernährt. Und auf ebendiese enorm wichtige Kategorie von Feldfrüchten müssen sich die Überlebenden konzentrieren.
Während sich viele Kulturpflanzen auf recht einfache, intuitiv einleuchtende Weise ernten lassen – Kartoffeln werden aus der Ackerkrume ausgegraben, Zwiebeln aus der Erde herausgezogen und Äpfel von Ästen gepflückt –, ist es etwas komplizierter, Getreidekörner von den Halmen zu trennen und sie zu Nahrungsmitteln weiterzuverarbeiten. Um Mais zu ernten, müssen Sie sich zwar lediglich einen Sack auf den Rücken binden und die Kolben von den Stängeln trennen. Die Körner anderer Getreide zu entfernen ist dagegen eine etwas kniffligere Angelegenheit. Am unkompliziertesten ist es, einfach die gesamte Pflanze abzuschneiden und die Körner außerhalb des Feldes zu gewinnen.
Dabei werden Sichel und Sense als Mähwerkzeuge benutzt. Die Sichel besteht aus einer kurzen, gekrümmten und manchmal auch gezackten Klinge an einem Handgriff; mit ihr werden die Stängel durchgeschnitten, während die andere Hand die Halme zu Bündeln rafft. Die Sense ist ein größeres, zweihändiges Werkzeug, das aus einer langen Stange mit zwei Griffen und einer leicht gebogenen, etwa ein Meter langen Klinge besteht, die rechtwinklig von der Spitze des Sensenstiels absteht. Die richtige Handhabung einer Sense erfordert etwas mehr Übung, denn man hält sie mit gestreckten Armen und schwingt das Sensenblatt in einem stetigen Rhythmus horizontal über den Boden, während man mit dem ganzen Körper eine Drehbewegung vollführt. Die abgeschnittenen Halme werden zu Bündeln zusammengebunden, und diese Garben werden leicht schräg gegeneinandergestellt, um auf dem Feld zu trocknen, und anschließend, vor den herbstlichen Regenfällen, in Scheunen eingelagert.
Nach dem Einbringen der Ernte – bei der man buchstäblich das erntet, was man säte – besteht der nächste Schritt darin, das Korn vom Rest der Pflanze zu trennen. Dies wird »Dreschen« genannt, und die einfachste Methode ist es, die Ernte auf einem sauberen Boden auszulegen und mit einem Flegel zu schlagen – einem langen Stiel, an dessen Spitze ein oder mehrere kürzere Stöcke mit Leder oder Kettenscharnieren befestigt sind. Kleinere Dreschmaschinen funktionieren nach genau dem gleichen Grundprinzip: Eine mit Stiften oder Drahtschlaufen überzogene, sich drehende Trommel, die eng in ein rundes Gehäuse eingepasst ist, streift die Körner vom Halm, wenn dieser den Spalt durchläuft, und siebt die Körner durch einen Rost am Boden aus.
Nach diesem Dreschvorgang bleibt ein Gemisch aus leeren Hülsen (Spelzen) und Körnern übrig, so dass man jetzt die Spreu (Kaff) vom Weizen trennen muss (es ist erstaunlich, wie viele alltagssprachliche Redewendungen aus der Landwirtschaft stammen – die einzige lose Verbindung, die viele von uns zu unserer Vergangenheit als Feldbauern bewahrt haben). Dieser Vorgang wird Worfeln oder Windsichten genannt, und die schlichteste Variante besteht darin, das gedroschene Material einfach an einem windigen Tag in die Luft zu werfen – der leichtere Kaff und das Stroh werden vom Wind ein kurzes Stück davongetragen, und die schweren Körner fallen mehr oder minder geradlinig zu Boden. Moderne Maschinen erzeugen mit einem elektrischen Gebläse einen künstlichen Wind, aber sie arbeiten nach dem gleichen jahrtausendealten Prinzip.
In dem Maße, wie sich die postapokalyptische Gesellschaft erholt und die Bevölkerung wächst, wird die Verknüpfung dieser verschiedenen Prozesse zum Schlüssel zur Steigerung der Effizienz der Landwirtschaft – das heißt der Erzeugung eines Maximums an Nahrungsmitteln mit einem minimalen Einsatz an menschlicher Arbeitskraft, wodurch überhaupt erst bevölkerungsreiche, städtische Zivilisationen möglich werden. Moderne Mähdrescher erlauben es einem Landwirt, jede Stunde ein Weizenfeld von 8 Hektar abzuernten – was etwa hundertmal schneller ist, als wenn man mit einer Sense von Hand erntet. Eine horizontale Klinge mit Wellenschliff ahmt die Bewegung der Handsichel nach; die Halme werden, wenn sie von einem großen Zylinder (Haspel) mit rotierenden Haspelrohren, die mit Zinken besetzt sind, über die Vorderseite der Maschine gezogen werden, durch seitliche Schneidbewegungen der Messer abgeschnitten. Die Grundkonstruktion hat sich in fast 200 Jahren kaum geändert, und die ersten von Pferden gezogenen Mähmaschinen sehen ihren modernen Nachfahren erstaunlich ähnlich. Der Mähdrescher ist zweifellos eine der bedeutendsten Erfindungen der neueren Geschichte; er hat sehr viele Menschen von der mühsamen Feldarbeit befreit und es ihnen ermöglicht, in einer komplexen Gesellschaft andere Tätigkeiten zu übernehmen, worauf wir noch zurückkommen werden.
Ein einfacher sogenannter Bindemäher mit Haspelarmen (a)
und einer bodennahen, sichelartigen Klinge mit Wellenschliff (b)
Solange Sie Getreide sowie – zum Zweck einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung – einige Obst- und Gemüsesorten selbst anbauen können, werden Sie nicht verhungern. Sie könnten natürlich auf die Jagd gehen, um sich mit Fleisch zu versorgen, aber die Viehhaltung, für die Sie einen Teil des anbaufähigen Landes opfern, um Viehfutter zu erzeugen, trägt maßgeblich dazu bei, die Produktivität Ihrer Felder zu erhalten. Wie wir gesehen haben, verringert sich ohne chemische Hilfe die Fruchtbarkeit von Ackerland, aber durch das Ausbringen von tierischem Dung können Sie den Boden wieder mit verlorengegangenen Nährstoffen anreichern. Außerdem gibt es eine besondere Klasse von Kulturpflanzen, die auf natürliche Weise den Stickstoffgehalt des Bodens erhöhen, und ihre Einbeziehung in die Bodenbewirtschaftung war ein entscheidender Schritt in der Agrarrevolution seit dem 17. Jahrhundert. In der unmittelbaren postapokalyptischen Welt werden Ackerbau und Viehzucht wieder zu untrennbaren, sich wechselseitig unterstützenden Aktivitäten werden.
Das gesamte Mittelalter hindurch folgten europäische Bauern dem landwirtschaftlichen Brauch, Parzellen brachliegen zu lassen – eine äußerst ineffiziente Praktik, da zu jedem Zeitpunkt auf bis zur Hälfte der Felder überhaupt keine Feldfrüchte wuchsen. Die mittelalterlichen Landwirte bemerkten, dass ihre Böden auslaugten und die Produktivität ihrer Äcker stark zurückging, wenn sie darauf Jahr für Jahr Getreide anbauten, aber sie verstanden nicht, was die Ursache dafür war, und als Lösung für dieses Problem fiel ihnen nur ein, das Feld ein Jahr lang brachliegen zu lassen. Wir wissen heute, dass dieser Rückgang der Fruchtbarkeit auf den Verlust pflanzlicher Nährstoffe zurückzuführen ist. Aus diesem Grund ist die moderne Landwirtschaft so sehr auf den großzügigen Einsatz von Kunstdüngern angewiesen. Unmittelbar nach der Katastrophe wird Ihnen diese Option allerdings nicht zur Verfügung stehen, so dass Sie auf eine ältere Lösung für das Problem zurückgreifen müssen.
Entscheidend ist dabei, dass einige wenige Kulturpflanzen – anders als die große Mehrheit, die dem Boden Stickstoff entziehen – dem Boden diesen lebenswichtigen Nährstoff zuführen, wenn sie wachsen. Diese erstaunliche Pflanzenfamilie sind die Hülsenfrüchtler (Leguminosen), zu denen Erbsen, Bohnen, Klee, Luzerne (Alfalfa), Linsen, Sojabohnen und Erdnüsse zählen. Durch Unterpflügen einer Ernte von Leguminosen in den Boden am Ende der Anbausaison oder durch ihre Verfütterung an das Vieh und die Nutzung des Stallmists als Düngemittel wird lebenswichtiger Stickstoff gebunden und in den Boden zurückgeführt. Die Einbeziehung dieser Fähigkeit von Hülsenfrüchtlern, die Ertragskraft von Böden zu verbessern, wandelte die Landwirtschaft von Grund auf und legte in Großbritannien das Fundament für die industrielle Revolution.
Der abwechselnde Anbau von Hülsenfrüchtlern und anderen Kulturpflanzen auf einer Ackerfläche erhält daher die Produktivität des Bodens. Doch statt lediglich zwischen zwei Feldfrüchten zu alternieren – etwa zwischen Klee und Weizen –, ist eine Fruchtfolge mit mehreren Stadien eine weit bessere Option, da sie auch den Kreislauf von Krankheiten und Schädlingen durchbricht. Diese befallen oftmals nur ganz bestimmte Pflanzen, so dass man Schädlinge auf natürliche Weise bekämpfen kann und keine Pestizide einsetzen muss, wenn man die Feldfrucht jährlich wechselt und mehrere Jahre lang nicht dieselbe Frucht anbaut.
Die Norfolker Vierfelderwirtschaft, das erfolgreichste dieser historischen Systeme, breitete sich im 18. Jahrhundert allgemein aus und ebnete der Agrarrevolution den Weg, die ihren Ausgang in Großbritannien nahm. Beim Norfolk-System vollzieht sich der Fruchtwechsel auf jeder Ackerfläche nach der Reihenfolge: Leguminosen, Weizen, Wurzelfrüchte und Gerste.
Wie wir gesehen haben, erhöht der Anbau von Hülsenfrüchtlern die Bodenfruchtbarkeit für den Rest des Zyklus. Klee und Luzerne gedeihen gut im britischen Klima, aber in anderen Gegenden mag es sinnvoller sein, Sojabohnen oder Erdnüsse anzubauen. Wenn Sie am Ende der Wachstumsperiode Teile der Pflanze nicht zum menschlichen Verzehr ernten, können diese Erntereste vom Vieh abgeweidet oder auch einfach als Gründünger untergepflügt werden. Im Jahr nach der Leguminosen-Folge pflanzen Sie Weizen an, um sich die Bodenfruchtbarkeit zunutze zu machen und Ihr pflanzliches Grundnahrungsmittel zu erzeugen.
Im folgenden Jahr bauen Sie ein Wurzelgemüse wie Steck- oder Kohlrüben oder Mangold (Krautstiel) an. Im Mittelalter ließ man ein Feld, das im Frühjahr gepflügt und geeggt worden war, vor allem deshalb für ein Jahr brachliegen, weil man zur Vorbereitung für die nächste Anbausaison Unkraut abtöten wollte. Beim Anbau eines Wurzelgemüses kann man jedoch zwischen den Pflanzenreihen das Unkraut ausjäten. Mit dieser Folge erhalten Sie eine weitere Ernte, aber statt alles für den eigenen Verzehr zu verwenden – es sei denn, es handelt sich dabei um Kartoffeln –, können Sie es als Viehfutter nutzen. Auf diese Weise können Sie Ihr Vieh schneller mästen, das seinerseits mehr Stallmist erzeugt, den Sie auf das Feld ausbringen können, um dessen Fruchtbarkeit zu erhalten. Wenn man das Vieh mit eigens angebautem Futter mästet, statt es einfach weiden zu lassen, lässt sich außerdem ein noch größerer Teil des Weidelands für den Anbau weiterer Feldfrüchte nutzen.
Die Verwendung der Futterrübe (Runkelrübe) und anderer Wurzelfrüchte als Viehfutter läutete eine Revolution in der mittelalterlichen Landwirtschaft ein. Diese sind bei der Viehmast nicht nur dem Weiden im Sommer überlegen, sondern sie liefern auch ein zuverlässiges energiereiches Futter im Winter. Vor ihrer Verwendung als Futterpflanze kam es in jedem Spätherbst in Europa zu einer Massenschlachtung von Vieh, da es schlichtweg nicht genug Nahrung gab, um die Tiere bis zum Frühjahr durchzufüttern. Die Futterrübe ist wie andere Futterpflanzen (Kohlrübe, Kohl und Kohlrabi) eine zweijährige Pflanze, was bedeutet, dass sie über Winter im Boden gelassen und nach Bedarf zur Viehfütterung geerntet werden kann. Als Ergänzung zum energiearmen Raufutter wie Heu und Silage (fermentiertes Gras) lassen sich große Viehherden mit diesen nährstoffreichen Futterfrüchten durch den Winter bringen; das wiederum gewährleistet die ganzjährige Versorgung mit Frischfleisch und frischer Milch sowie anderen Molkereiprodukten, die in den dunklen Wintermonaten, in denen die menschliche Haut Vitamin D nicht mit Hilfe des Sonnenlichts synthetisieren kann, eine äußerst wichtige Quelle dieses Vitamins darstellen.
Die vierte und letzte Phase der Fruchtfolge ist der Anbau von Gerste, die ebenfalls als Viehfutter verwendet werden kann, aber denken Sie daran, eine kleine Menge zum Bierbrauen zurückzuhalten (damit werden wir uns im nächsten Kapitel befassen). Nach der Gersten-Etappe kehrt die Fruchtfolge zum Anbau von Leguminosen zurück, um die Fruchtbarkeit des Bodens wiederherzustellen und diesen für die Aussaat der stickstoffhungrigen Halmfrüchte vorzubereiten. Das Fruchtwechselsystem verbindet also in harmonischer Weise die Bedürfnisse und Produkte von Pflanzen und Tieren miteinander, es bekämpft auf natürliche Weise Schädlinge und Krankheitserreger und es sorgt dafür, dass Nährstoffe wieder in den Boden eingebracht werden. Dieses besondere System des Landbaus funktioniert nicht überall, und Sie müssen eine Kombination finden, die an Ihre lokalen Böden und klimatischen Verhältnisse angepasst ist. Aber die beiden Schlüsselprinzipien des Systems der Fruchtfolge stellen sicher, dass Sie sich nach der Apokalypse zuverlässig aus eigener Kraft ernähren und auch ohne äußere Zufuhr von Kunstdüngern die Produktivität des Bodens erhalten können: Sie sollten abwechselnd Leguminosen und Halmfrüchte anbauen, und Sie sollten Wurzelfrüchte nicht für den Eigenverbrauch, sondern als Viehfutter anbauen. Falls Sie zum »Klein-Feldbau« zurückkehren, genügen 2 Hektar Land, um eine Gruppe von zehn Menschen zu ernähren: Weizen für Brot, Gerste für Bier, eine breite Palette von Obst und Gemüse sowie Rinder, Schweine, Schafe und Hühner, die Fleisch, Milch, Eier und andere Produkte liefern.
Die Ausbringung von Stallmist hilft, die Felder zu düngen, aber lassen sich menschliche Fäkalien in der gleichen Weise für den postapokalyptischen Landbau verwenden? Eine Landwirtschaft ohne moderne Kunstdünger steht vor der Herausforderung, Exkremente so effizient wie möglich wieder in Nahrung zu verwandeln; im Idealfall könnte man den Kreislauf der menschlichen Ernährung schließen und dafür sorgen, dass wertvoller Stickstoff nicht verlorengeht.
Zu einer Zeit, als die offenen Abflussrinnen in den Straßen europäischer Städte überliefen, sammelten chinesische Städte bereits eifrig ihre Abfälle ein; sie benutzten keine unterirdischen Kanalisationsrohre, sondern leerten die Senkgruben mit Hilfe von Eimern und Karren und verteilten das Abwasser auf den umliegenden Feldern. Jeder von uns produziert ungefähr 50 Kilogramm Fäkalien und etwa zehnmal so viel Urin pro Jahr – Abfall, der genügend Stickstoff, Phosphor und Kalium enthält, um Nutzpflanzen zu düngen, die etwa 200 Kilogramm Getreide liefern.
Das Problem ist, dass man Feldfrüchte, die man später verzehren will, nicht einfach so mit unbehandeltem Abwasser besprengen darf: Auf diese Weise schließt man lediglich den Lebenszyklus zahlreicher menschlicher Krankheitserreger und löst weiträumige Seuchen aus. Obwohl das vorindustrielle China eine produktive Landwirtschaft aufwies, grassierten daher Magen-Darm-Krankheiten in der Bevölkerung. Die sachgerechte Behandlung der Abwässer ist von so entscheidender Bedeutung für die Erhaltung der Volksgesundheit, dass Sie, sobald Sie mit dem Wiederaufbau der Zivilisation beginnen, dieser Frage ausreichend Beachtung schenken sollten. (Eine postapokalyptische Siedlung sollte zumindest Plumpsklos graben, die wenigstens 20 Meter von einem als Trinkwasserquelle benutzten Brunnen oder Wasserlauf entfernt sein sollten.)
Krankheitserregende Mikroben und Parasiteneier lassen sich durch Erhitzung auf über 65°C abtöten (ein Thema, auf das wir im Rahmen von Lebensmittelkonservierung und Gesundheit zurückkommen werden). Wenn Sie daher Felder mit menschlichen Exkrementen düngen wollen, müssen Sie folgendes Problem lösen: Wie pasteurisieren Sie große Mengen Ihrer Exkremente?
Im kleinen Maßstab lassen sich Fäkalien dadurch behandeln, dass man sie mit Sägemehl, Stroh oder anderer pflanzlicher Materie mit Ausnahme von Blättern bestreut (um den Kohlenstoff- und Stickstoffgehalt wieder ins Gleichgewicht zu bringen sowie Feuchtigkeit aufzusaugen) und sie dann für mehrere Monate bis zu einem Jahr zu einem Komposthaufen schichtet, den man regelmäßig wenden sollte. Bakterien, die die organischen Stoffe in dem Kompost teilweise zersetzen, erzeugen dabei Wärme, die die Temperatur des Komposthaufens auf natürliche Weise so weit steigern kann, dass gesundheitsgefährdende Mikroorganismen abgetötet werden. Am besten trennt man Urin und Kotstoffe – und zwar einfach dadurch, dass man Toiletten mit einem nach vorn ableitenden Trichter baut –, damit kein wässriger Faulschlamm entsteht. Urin ist steril und kann daher verdünnt und direkt auf den Boden ausgebracht werden.
Mit etwas mehr Findigkeit jedoch lässt sich ein Teil der menschlichen und landwirtschaftlichen organischen Abfälle mit Hilfe eines Bioreaktors in etwas umwandeln, das noch weit nützlicher ist. In einem Komposthaufen kommt es entscheidend darauf an, für eine gute Durchlüftung zu sorgen, damit auf Sauerstoff angewiesene Bakterien und Pilze die organische Materie mühelos zersetzen können. Wenn aber der organische Abfall stattdessen in einem geschlossenen Behälter aufbewahrt wird, so dass kein Sauerstoff eindringen kann, kommt es zu einer starken Vermehrung anaerober Bakterien, die das organische Material zum Teil in entflammbares Methangas umwandeln. Dieses kann durch ein Rohr in einen einfachen Gasspeicher geleitet werden, der aus einem mit Beton ausgekleideten, wassergefüllten Becken und einem umgedrehten Metallbehälter besteht, der passgenau darin eingesetzt ist. Während das Methan im Speichertank in Blasen aufsteigt, bildet das Wasser eine luftdichte Versiegelung, und der metallene Gaskollektor steigt nach oben. Das Gewicht des im Wasser schwebenden Speichertanks stellt den Gasdruck bereit, und das Methan kann über Rohre zu Küchenherden und Gaslampen weitergeleitet werden oder, wie wir später sehen werden, als Kraftstoff für Motoren dienen. Eine Tonne organischer Abfall kann mindestens 50 Kubikmeter entflammbares Gas erzeugen, was der Energie von über 40 Litern Benzin entspricht. (Es ist nicht überraschend, dass solche Biogas-Faulbehälter während des Zweiten Weltkriegs in den von den Nazis besetzten, unter Treibstoffmangel leidenden Regionen Europas in großer Zahl gebaut wurden.) Bei niedrigen Temperaturen vermehren sich Mikroben erheblich langsamer, so dass man den Bioreaktor isolieren oder sogar einen Teil des produzierten Methans absaugen und zur Heizung des Reaktors verwenden sollte.
In dem Maße, wie die Bevölkerung der postapokalyptischen Gesellschaft wieder wächst, bedarf es großtechnischer Verfahren zur Abwasseraufbereitung. Enterobakterien, darunter auch potentiell pathogene Stämme, gedeihen prächtig in der Wärme der menschlichen Eingeweide, aber außerhalb des menschlichen Körpers können sie sich nicht rasch vermehren. Der entscheidende Kunstgriff bei der Abwasserbehandlung besteht folglich darin, humane Enterobakterien dazu zu zwingen, in einem Pool von Exkrementen mit Umweltmikroben zu konkurrieren – ein Kampf ums Überleben, den die Bakterien verlieren werden. Moderne Klärwerke beschleunigen diesen Prozess, indem sie Luft in den Faulschlamm einblasen, um das Wachstum der sauerstoffabhängigen Mikroorganismen zu fördern.
Obwohl die Düngung von Feldern mit menschlichen Fäkalien für viele von uns in der westlichen Welt ein rotes Tuch ist, erweist sie sich an manchen Orten als sehr effektiv. In Bangalore, der drittgrößten Stadt Indiens mit etwa 8,5 Millionen Einwohnern, leeren Lkws, die euphemistisch »Honey-Sucker« genannt werden, die städtischen Klärgruben und transportieren ihre Fracht in die umliegenden Agrargebiete. Das Abwasser wird in Becken behandelt, bevor es auf den Feldern verteilt wird. Es gibt sogar im Handel Produkte, die aufbereiteten menschlichen Klärschlamm enthalten. Dillo Dirt, ein von der Stadt Austin, Texas, verkaufter Dünger, nutzt ein Kompostierungsverfahren, das sicherstellt, dass Exkremente auf natürliche Weise auf pasteurisierende Temperaturen erhitzt werden, um Keime abzutöten.
Neben Stickstoff benötigen Pflanzen auch Phosphor und Kalium. Knochen enthalten sehr viel Phosphor – zusammen mit Zähnen sind sie biologische Depots des Minerals Calciumphosphat –, und daher ist das Ausstreuen von Knochenmehl, das nichts anderes darstellt als gekochte und zermahlene tierische Skelette, ebenfalls eine gute Methode, um die Fruchtbarkeit ausgelaugter Böden wiederherzustellen. Lässt man Schwefelsäure auf das Knochenmehl einwirken (vgl. die Herstellungsanleitung in Kapitel 5), können Pflanzen das Phosphat sehr viel leichter aufnehmen, so dass man auf diese Weise einen viel effektiveren Dünger erhält. Tatsächlich wurde die erste Düngemittelfabrik der Welt 1841 in London errichtet; hier ließ man Schwefelsäure aus den Gaswerken Londons auf das Knochenmehl aus den Schlachthöfen der Stadt einwirken und verkaufte das »Superphosphat«-Granulat an Landwirte. Kalium für Düngemittel ist in Pottasche enthalten, die sich, wie wir in Kapitel 5 sehen werden, leicht aus Holzasche gewinnen lässt, und im Jahr 1870 waren die riesigen Wälder Kanadas die Hauptquelle für Dünger in Europa. Heute gewinnen wir Kalium und Phosphor für Dünger aus ganz bestimmten Gesteinen und Minerallagerstätten; um diese in einer postapokalyptischen Welt aufzustöbern, bedarf es allerdings der Wiederentdeckung von Geologie und Vermessungskunde.
Moderne Dünger enthalten die drei eben genannten essentiellen Nährstoffe in einem ausgewogenen Verhältnis, und auch wenn Sie mit den in diesem Kapitel geschilderten recht einfachen Methoden keine Erträge erzielen können, die so hoch sind wie die auf den angereicherten Böden von heute, werden Sie doch immerhin während der Wiederaufbauphase in der Lage sein, die Fruchtbarkeit des Bodens weitgehend zu erhalten.
Eine solide landwirtschaftliche Basis ist unabdingbar, wenn eine postapokalyptische Gesellschaft schnell vorankommen will. Wenn eine verheerende Katastrophe den größten Teil der Menschheit zusammen mit ihrem Wissen und ihren Fertigkeiten auslöscht, müssen diejenigen, die verschont geblieben sind, womöglich täglich ums Überleben kämpfen, und das Damoklesschwert des Aussterbens hängt drohend über ihnen. Es spielt keine Rolle, wie viel industrielles Wissen oder wissenschaftliche Neugier nach der Apokalypse übrig ist, wenn die Überlebenden nur damit beschäftigt sind, überhaupt am Leben zu bleiben. Ohne Nahrungsmittelüberschüsse kann eine Gesellschaft sich nicht komplexer organisieren oder Fortschritte erzielen. Und weil der Anbau von Nahrungspflanzen lebenswichtig ist, sind Sie weit weniger bereit, vom Altbewährten abzuweichen, wenn Sie dadurch ihr Leben in Gefahr bringen. Das ist die Falle der Nahrungsmittelproduktion, und heute sind viele arme Länder darin gefangen. Daher wird die postapokalyptische Gesellschaft möglicherweise über Generationen hinweg stagnieren, während sich die Effizienz der Landwirtschaft nur langsam verbessert, bis sie eine kritische Schwelle überschreitet, ab der eine Gesellschaft beginnen kann, sich allmählich zu komplexeren Organisationsformen hinaufzuarbeiten.
Auf einer ganz elementaren Ebene bedeutet eine wachsende Bevölkerung eine größere kollektive Intelligenz, so dass Probleme schneller gelöst werden können. Eine effiziente Landwirtschaft fördert den Fortschritt aber noch in anderer Hinsicht – und sogar noch stärker. Sobald eine sichere Versorgung mit Grundnahrungsmitteln gewährleistet ist, kann eine Zivilisation nämlich viele ihrer Bürger von der Plackerei auf den Feldern entlasten. Ein produktives landwirtschaftliches System erlaubt einer Person, mehrere andere zu ernähren, die sich daraufhin auf andere Handwerke und Gewerbe spezialisieren können.8 Wenn Ihre Muskelkraft auf den Feldern nicht gefordert ist, können Sie Ihren Kopf und Ihre Hände für andere Zwecke verwenden. Eine Gesellschaft kann sich nur dann wirtschaftlich entwickeln und ihre Komplexität und Leistungsfähigkeit steigern, wenn diese elementare Grundvoraussetzung erfüllt ist – landwirtschaftliche Überschüsse sind der fundamentale Motor, der den zivilisatorischen Fortschritt antreibt. Die Vorteile einer produktiven Landwirtschaft für einen raschen Neustart der Zivilisation lassen sich freilich erst dann realisieren, wenn die überschüssige Nahrung sicher gelagert werden kann und nicht verdirbt. Wir wenden uns deshalb jetzt der Konservierung von Lebensmitteln zu.
7 Selbst die vertraute Farbe von Karotten ist künstlich: Ihre Wurzeln sind von Natur aus weiß oder violett. Die orangefarbene Varietät wurde im 17. Jahrhundert von Landwirten in den Niederlanden gezüchtet, und zwar zu Ehren von Wilhelm I. von Oranien.
8 Mit Hilfe vieler der in diesem Kapitel diskutierten Fortschritte erzielte die britische Agrarrevolution zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert eine sehr viel größere Nahrungsmittelproduktion, während sie gleichzeitig weniger arbeitsintensiv wurde; und der rückläufige Anteil von Landwirten und Landarbeitern, der notwendig war, um die Bevölkerung zu ernähren, erlaubte auch eine größere Urbanisierung. Im Jahr 1850 hatte Großbritannien von allen Ländern weltweit den geringsten Anteil von Bauern (an der Erwerbsbevölkerung): Nur jeder Fünfte arbeitete in der Landwirtschaft, um den Nahrungsbedarf der gesamten Bevölkerung zu decken. Im Jahr 1880 musste nur noch jeder siebte Brite auf dem Feld arbeiten, und 1910 war es sogar nur noch jeder elfte. Heute erzeugt in den Industrieländern jeder Erwerbstätige in der Landwirtschaft unter Einsatz von Kunstdüngern, Pestiziden und Herbiziden sowie extrem arbeitseffizienten Technologien wie Mähdreschern genügend Nahrung, um etwa fünfzig andere Personen zu ernähren.