E twas Feuchtes leckte über mein Gesicht – immer und immer wieder. Ich wischte mir über die Augen und versuchte, die Decke hochzuziehen, doch irgendwie steckte sie fest. Wieder glitt ein nasser Lappen über meine Wangen, der roch, als hätte ihn jemand zu lange herumliegen lassen. Ich strich ihn zur Seite und seufzte. Dann blinzelte ich. Rund einen Zentimeter vor mir war eine dicke Hundenase, darunter die dazugehörige Zunge, die mich mit Begeisterung vollsabberte.

„Hermes?“, murmelte ich und versuchte, seinen Kopf wegzuschieben, doch der Neufundländer lag vor mir am Bettrand, die dicken Pfoten auf meinem Kissen. Mit seinem massigen Körper drückte er die Decke fest. „Hermes, Mensch, was machst du hier?“ Blind strich ich über seinen Kopf, kuschelte mich an ihn und versuchte weiterzuschlafen, als sich von hinten etwas Hartes gegen meinen Hintern drängte.

Ich öffnete schlagartig die Augen. Um meine Mitte war ein Arm geschlungen, ein kräftiger Körper schmiegte sich an mich.

Ich linste zurück. Maximilian hatte sich eng an mich gelegt, wie selbstverständlich kuschelte er mit mir. Ob er sich dessen bewusst war? Nein, vermutlich hatte er sich im Schlaf herumgerollt, und das Riesending, das sich gegen meinen Po presste, war nur eine Morgenlatte. Kein echtes Begehren oder Geilheit.

„Maximilian?“, wisperte ich leise, als könnte ich noch jemanden im Raum wecken, der von der unerwarteten Nähe nichts mitbekommen durfte. „Max?“

Ob er etwas dagegen hatte, wenn ich ihn so nannte? Albrecht und Magdalena taten es schließlich auch, und er hatte sich nicht darüber beschwert.

„Max!“, wiederholte ich etwas lauter, doch er reagierte nicht. Dafür rieb er seinen Unterleib an mir. „Hey!“ Ich zischte förmlich.

Maximilian strich mit seiner Hand über meine Brust nach unten und schlüpfte unter mein Shirt. Warme Finger glitten über meinen Bauch zu dem Bund meiner Pants. Ich hielt schlagartig die Luft an und zählte bis drei, dann fauchte ich: „Habe ich etwas nicht mitbekommen?“ Ich schluckte trocken, als sich die Fingerspitzen in meine Pants schoben.

Unerwartet donnerten mehrere kleine Fäuste gegen die Tür. Ich riss erschrocken den Kopf hoch und knallte gegen Max’ Schädel. Er stöhnte laut, zog seine Hände zurück und wälzte sich im Bett herum.

„Shit!“, keuchte er und hielt sich die Nase.

„Sssebasstian!“, kreischte Clara gleichzeitig im Flur. „Komm, sssteh auf, dass Chrisstkind kommt bald!“ Sie kicherte laut.

Lydia wiederholte: „Kisstkind, Kisstkind.“

„Was macht ihr denn da?“, hörte ich Horst. „Habt ihr Sebastian geweckt? Es ist halb 7! Der schläft vielleicht noch!“

„Aber dasss Kissstkind kommt!“, echote Lydia.

„Ja, das Christkind. Kommt, gehen wir nach unten, vielleicht hat Oma schon etwas zum Frühstücken für euch.“ Schritte näherten sich meiner Tür, dann ein Gehopse und Gekreische. Vermutlich kitzelte Horst die Mädchen. Sekunden später liefen sie mit ihm die Treppe nach unten.

Ich rollte mich unter der Decke herum und spähte zu Maximilian. Er lag noch immer am Rücken und hielt sich die Hand vor das Gesicht. „Alles okay?“

„Sieht es so aus?“, schniefte er.

„Sorry, ich … Warum liegst du auch so nah an mir? Das wäre nicht passiert, wenn du nicht so dicht hinter mir gelegen hättest.“

Er nahm den Arm herunter und schaute zu mir. „Wie bitte?“

„Du hast mich begrapscht!“

„Wie?“, wiederholte er so nasal, dass ich versucht war, aufzulachen. Er blutete nicht, aber wenn ich mich nicht täuschte, schwoll sein Nasenrücken an.

„Du hast …“ Ich unterbrach mich. Wollte ich darüber wirklich diskutieren, wo wir heute Nacht endlich das Kriegsbeil begraben hatten? Ich seufzte laut. „Tut mir leid … aber … irgendwie warst du etwas nahe.“

Er blickte mich noch immer an, betastete dann sein Gesicht und ächzte leise. „Ich glaube, du hast mir die Nase gebrochen.“

„Quatsch!“

„Ich will gar nicht wissen, was du machst, wenn ich dich ernsthaft anfassen würde. Reißt du mir dann den Kopf ab?“

„Es war nicht Absicht!“

„Ja, ich weiß, weil ich zu nahe war …“ Er warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. Dann spähte er zu Hermes. „Was macht der schon wieder im Bett?“

„Hat mich geleckt, während du dich an mir gerieben hast.“ Ich hielt die Luft an. Das hätte ich anders formulieren sollen … „So meinte ich das nicht.“ Ich spürte, wie mir Hitze in die Wangen stieg.

Maximilian musterte mich. „Er hat was?“

„Er hat mein Gesicht abgeleckt, deshalb wurde ich ja wach …“

„Aha … und ich habe was? Mist!“ Er fluchte und betastete erneut seine Nase. „Könnte es sein, dass das anschwillt?“ Er klang verschnupft. Hastig räusperte er sich.

„Vielleicht … ein wenig …“, gestand ich vorsichtig. „Sorry …“

Sein Blick flog zu mir, dann ließ er seinen Kopf in das Kissen fallen und legte den Unterarm auf die Stirn. „Du machst mich fertig, echt …“ Er atmete durch den offenen Mund. „Das wird sicher blau … es fühlt sich jetzt schon völlig verfärbt an.“ Er linste erneut zu mir. „Ist das die Revanche für deine Finger?“ Er zeigte auf meine Hand, die über der Decke auf meiner Brust lag.

„Nein! Das war Zufall, weil du …“

„Ja, weil ich mich an dir gerieben habe, schon klar …“ Er keuchte, dann grinste er unerwartet. „Wunschträume, hm?“

Ich riss den Kopf herum. „Warum sollte ich mir wünschen … Ach, vergiss es. Mir ist das zu blöd.“ Ich schlüpfte kompliziert unter der Decke hervor, schließlich lag Hermes noch immer neben mir, und kletterte aus dem Bett. Erst als ich mitten im Raum stand, wurde mir bewusst, dass ich nur Pants und mein Shirt trug.

Ich blickte mich zu Maximilian um. Er tastete schon wieder über die Nase, seine Augen hafteten jedoch an mir.

„Alles gesehen?“, giftete ich.

Er zuckte mit den Schultern. „Nein, nicht wirklich, aber das würde den Rahmen unseres neu geschmiedeten Friedensangebotes sprengen.“

Mit fiel die Kinnlade nach unten. Manches Mal konnte er sich so gestelzt ausdrücken, dass mir die Worte fehlten.

„Wie läuft das heute hier?“

„Was denn?“ Ich schlüpfte in eine Jogginghose und schob dann einen Stapel Kartons zur Seite. Ich kam nicht mehr in meine Kommode.

„Na, dieses Weihnachtstamtam. Ich muss doch keine Lieder mit euch singen?“

Ich schmunzelte. Oma würde ihn damit sicher nerven. Sie sang gerne, am besten mehrstimmig. Wenn sie mich überreden konnte, die Gitarre auszupacken, dann würde sie zuallererst Jingle Bells hören wollen. Sie mochte Rock Christmas Songs – neben den klassischen Weihnachtsliedern der Wiener Sängerknaben natürlich. „Es wird … keine Ahnung.“ Ich nahm mir frische Wäsche aus der Schublade und verrückte die Kartons wieder. „Es ist vermutlich ein ganz gewöhnliches Weihnachtsfest wie bei anderen Familien auch. Vielleicht etwas … turbulenter.“

War es das? Mann, es war der Morgen vor Weihnachten – und ich hatte absolut keine festliche Stimmung in mir. Früher war da ein Kribbeln gewesen, eine undefinierbare Aufregung. Ich hatte mich schon Wochen vorher auf dieses Gefühl gefreut – doch jetzt? Es war ein Tag wie jeder andere, wenn nicht sogar schlimmer.

„Turbulenter …“, wiederholte Maximilian und riss mich aus den Gedanken.

Ich sah zu ihm. Ob er dieses Weihnachtsgefühl kannte? Er feierte das Fest unter normalen Umständen ja nicht einmal … Ich stieß den Atem aus, während mein Blick auf seinem nackten Brustkorb hing. Die Decke war bis zu seiner Mitte gerutscht, wodurch ich freie Sicht hatte.

Gott, er war schlimmer als gephotoshoppt. Das konnte unmöglich echt sein. Der Waschbrettbauch mit dem dünnen nach unten verlaufenden Haarstrich zog mich magisch an.

„Und das heißt?“, bohrte er nach, weil ich nicht weitersprach.

Wie auch? Meine Hormone spielten bei dem Anblick verrückt.

„Hallo? Erde an Häschen?“ Er winkte heftig.

„Das heißt …“, begann ich hektisch und strich mir über die Stirn. „Na ja, die Mädchen sind immer sehr aufgeregt. Normalerweise hat Albrecht auch seine zwei Jungs mit, aber heuer … Ich weiß auch nicht, es wird sicher anders …“ Klar wurde es das. Alleine die Tatsache, dass ich laut Papa meinen angeblichen Freund dabeihatte, spitzte die Lage zu. Dass Marianne und Heinrich hier waren, machte die Sache nicht besser. „Ich hoffe, es wird nicht zu schlimm, Marianne und Heinrich sind immer … etwas schwierig.“

Er nickte. „Ja, habe ich mitbekommen …“ Hastig flog sein Blick über mich, dann sprang er aus dem Bett und kam auf mich zu. „Ich darf doch vor dem Frühstück ins Badezimmer, oder?“

„Sicher …“

Sollte ich ihm sagen, dass ich auch dorthin wollte? Nein, das wäre schon wieder doppeldeutig gewesen. Außerdem war er Gast, er bekam Vortritt. Notfalls gab es auch ein zweites Bad im Haus.

„Ich darf vormittags auch weg, oder? Ich würde gern in mein Haus, nachsehen, ob alles in Ordnung ist. Na ja, soweit es eben in Ordnung sein kann.“

„Sicher, warum solltest du nicht dürfen?“ Neugierig sah ich ihm zu, wie er neben mir in seinem Koffer wühlte. Sein halb nackter Körper machte mich unruhig.

„Na ja, kann ja sein, dass es irgendwer als unhöflich empfindet, wenn ich verschwinde – wegen Weihnachten und so.“ Er schaute zu mir und hielt augenblicklich inne. „Sag mal, starrst du mir auf den Hintern?“

„Was?“ Ich fuhr hoch. „Nein!“

„Nein!“, murrte er und schüttelte den Kopf. „Hast du ein Wort von dem verstanden, was ich dir gesagt habe?“

„Ja, klar!“ Ich schluckte trocken.

Maximilian richtete sich vor mir auf. Er war rund einen Kopf größer als ich – und vermutlich doppelt so breit. „Was geht in deinem süßen Köpfchen vor?“ Anklagend stemmte er die Hände in die Seiten. Seine Brustmuskeln spannten sich. Automatisch musste ich hinsehen.

Er streckte die Arme zur Seite und meinte dann: „Hast du alles gesehen? Soll ich mich vor dir drehen?“

„Nein, ich ...“ Mannomann, aus der Nummer kam ich nicht mehr raus. Abzustreiten, dass ich nicht glotzte wie ein Pubertierender, wäre ein Witz gewesen. Es war offensichtlich – mein Hirn versuchte auch gerade in den Stand-by-Modus zu fahren. „Du siehst aus wie gephotoshoppt! Das muss dir doch klar sein?“

Oh, doch kein Stand-by-Betrieb, dafür aber die Kurzschlussvariante. In regelmäßigen Abständen machte mein Gehirn so etwas. Das war völlig normal.

„Gephotoshoppt“, wiederholte Maximilian. Um seine Mundwinkel zuckte es.

Ich suchte nach den richtigen Worten, aber wie gesagt, die Synapsen in meinem Hirn schalteten kreuz und quer durcheinander. „Du weißt, was ich meine.“

„Nein, ja … doch, ein wenig vielleicht.“ Er schnaubte. „Häschen, mach dich wieder locker, ich kann mein Aussehen nicht ändern.“

Aja. Ihm war also bewusst, wie er aussah. Das hieß wohl, dass er eine Spur eitel war und auf sein Äußeres achtete.

Ich biss mir auf die Unterlippe, meine Augen flogen abermals über seinen Körper. „Wie viel Sport treibst du? Nimmst du irgendwelche Steroide?“

„Quatsch! Gute Gene, Sport und eine ausgewogene Ernährung. Mein Vater ist ebenfalls so groß, das liegt in der Familie.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich mache seit meinem neunten Lebensjahr Taekwondo und Karate. Vermutlich hat das meinen Körperbau unterstützt.“

Ich nickte stumm, in meinen Händen kribbelte es. Am liebsten wäre ich mit den Fingerspitzen über seine Brust zu dem Sixpack – nein, eindeutig, ein Eightpack – gefahren, dem V entlang weiter nach unter …

„Jetzt geht dir die Fantasie durch“, riss er mich aus den Gedanken. „Häschen, nimm dich zusammen.“

Ich keuchte laut, dann plapperte ich: „Gott, ich brauche eine Dusche. Tut mir leid, aber du bist …“ Ich schaute zu ihm. Hatte ich das gerade laut gesagt? Augenblicklich spürte ich Hitze in mein Gesicht schießen.

Er schmunzelte, schob aber hinterher: „Die halbe Nation will mit mir ins Bett. Da ist es wirklich anstrengend, jemanden kennenzulernen, der es ernst meint.“ Er seufzte laut. „Und wie man sieht, funktioniert es auch nicht. Ich wurde betrogen.“

„Ja, weil dein Ex ein Arschloch ist … Ich meine, sorry, nur …“ Ich biss mir auf die Zunge. Ging ich gerade zu weit? Er hatte heute Nacht kaum auf meine Entschuldigung reagiert, da war es wohl nicht von Vorteil, ihm den Betrug des Ex erneut vor die Nase zu halten. Andererseits hatte er angefangen.

„Genauso wie dein Boss – dein Ex-Boss?“

Ich nickte. „Müsste ich nicht wegen der Übernahme meines neuen Jobs mit ihm sprechen, hätte ich den Kontakt längst abgebrochen. Seine Gegenwart erinnert mich viel zu sehr an …“

„Ich weiß, was du meinst“, flüsterte er und sog die Luft tief ein. „Es ist nicht gerade leicht, dich vor Augen zu haben.“

Ich wollte etwas erwidern, schließlich war ich unschuldig. Leider verstand ich auch, was er andeuten wollte. „Tut mir leid, ich kann mich nur … schlecht auflösen. Ich wollte das auch nicht …“

„Ich weiß.“ Er schloss für wenige Sekunden die Lider. „Du kannst im Grunde auch nichts dafür …“

Ich nickte, obwohl ich mir nicht sicher war, ob er das glaubte. Seine Kiefer mahlten schon wieder aufeinander. „Ich bin da wirklich unschuldig zum Handkuss gekommen …“

Maximilian atmete tief durch. „Hast du gesagt, Häschen.“

Häschen! Was sollte das ständig? War ich für ihn der kleine erschrockene Hase, der Angst vor der bösen Schlange hatte?

Na ja, im Moment fühlte ich mich tatsächlich unwohl. Nervös kaute ich an meiner Unterlippe herum und presste meine Wäsche gegen die Brust.

Gott, ich war tatsächlich ein Häschen – ein klitzekleines, das sich vor Panik in die Hose machte. Scheiße, ich war ein Schisser!

Maximilian beobachtete mich, dann grinste er. „Lass uns ins Bad und danach frühstücken, bevor dein Bruderherz noch auf die Idee kommt, er müsste nachsehen, was wir so lange treiben. Der hat gestern schon seltsame Andeutungen gemacht.“

„Was sollen wir denn treiben?“, rutschte es mir unüberlegt heraus. „Ich meine …“ In Gedanken schlug ich mir gegen die Stirn – Kopf einschalten, Hirn benutzen! Ja, was trieb man wohl mit einem Mann wie Maximilian?

„Ja?“ Er zog grinsend eine Braue hoch.

„D-das würde i-ich nicht“, stotterte ich dümmlich, weil ich wusste, wo er hindachte. „Ich hatte noch nie Sex außerhalb einer Beziehung! Da kannst du noch so geil sein!“ Ich schluckte. „Ich meine …“ Shit! „Ich sollte wohl besser still sein …“

„Häschen, geh ins Bad, du redest dich hier noch um Kopf und Kragen.“ Er schmunzelte. Sein Blick flog erneut über mich, dann wandte er sich endlich wieder dem Inhalt seines Koffers zu.

***

Maximilian und ich waren die Letzten, die am Frühstückstisch eintrafen. Er hatte länger im Bad gebraucht als erwartet, und ich wollte nicht unhöflich sein und ohne ihn an den langen Essenstisch im Esszimmer gehen. Deshalb nutzte ich die Zeit und fütterte Hermes, der zum ersten Mal auf Murli traf. Es dauerte rund fünf Sekunden, bis er die erste Ohrfeige kassierte. Die zweite folgte ein paar Atemzüge später. Hermes winselte, gab aber nicht wie erwartet klein bei, sondern hielt das Ganze für ein Spiel. Infolgedessen erhielt er in den nächsten zehn Minuten nicht nur ein paar Ohrfeigen, sondern auch Bisse. Ich war versucht, Murli wegzusperren, aber das wäre unfair gewesen. Das war ihr Haus, Hermes nur Gast. Andererseits konnte ich auch ihn nicht seinem Schicksal überlassen. Deshalb bestach ich beide mit etwas Festtagsschinken. Mama durfte davon natürlich nichts wissen, schließlich war er sicher für etwas vorgesehen. Aber es half. Murli war so gierig nach dem Schinken, dass sie sogar den Hund vor ihr vergaß – und Hermes, na ja, Hermes war ein Hund, so wie er aussah, fraß er alles, was ihm zwischen die Zähne kam. Er wirkte auch völlig ausgehungert, als er nach dem ersten Blatt Schinken schnappte.

Nach dem zehnten kam zum Glück Maximilian zu mir in die Küche. Natürlich gefiel ihm nicht, dass ich Hermes’ Gaumenfreuden erweckte, aber er sah ein, dass die Sache mit Murli kompliziert werden könnte, wenn wir kein Bestechungsmittel hätten.

Murli verzog sich nach wenigen Minuten wieder nach oben. Hermes wartete auf uns, während wir uns je einen Cappuccino zubereiteten. Danach gingen wir zum Esstisch ins Wohnzimmer.

„Na, ihr? Auch schon wach?“ Albrecht grinste und blickte demonstrativ auf seine Armbanduhr. „Clara meinte, sie hätte euch schon um halb 7 geweckt – und jetzt ist es nach 8.“

Ich rollte mit den Augen und nahm an einem der beiden leeren Stühle an der Längsseite der Tafel Platz. An den beiden Enden saßen normalerweise Papa und Opa, heute hatte Paps seinen angestammten Stuhl an Heinrich verspielt. Diesbezüglich saßen wir alle anders als gewöhnlich. Hinzu kam, dass auch Karin und die Buben nicht anwesend waren.

Ich lugte zu Albrecht. War er deshalb traurig? Nein, zumindest überspielte er es gekonnt.

„Ich habe nicht sonderlich viel Schlaf gefunden“, antwortete Max neben mir. „Dein Bruderherz ist nicht mehr zum Stoppen, wenn er einmal in Fahrt kommt.“

Mir fiel die Kinnlade nach unten. Was hatte der Scheißer nicht verstanden? Hatte ich ihn nicht gebeten, seinen Mund bezüglich meiner … seiner … unserer Homosexualität zu halten?

Ich schluckte und sah mich am Tisch um. Alle starrten zu uns, nur Oma und Opa aßen weiter ihr Frühstücksbrot – und Heinrich und Marianne natürlich.

Die Mädchen dachten auch nicht so weit, aber Lydia und Clara waren auch Kinder.

„Er hat wieder einmal keinen Punkt gefunden“, fiel Albrecht in die Stille ein und versuchte, die Situation zu retten. „Ich weiß, er kann reden, als würde sein Leben auf dem Spiel stehen.“

„Ja“, murrte Maximilian und überflog den Frühstückstisch. Er griff nach einem Kornspitz und legte ihn sich auf den Teller. „So kann man es auch nennen.“

Ich linste zu Mama und Paps, die mich beide musterten. Redete ich mir selbst etwas ein? Machte mich Max’ Gegenwart verrückt? Als sich unsere Blicke trafen, sahen sie hastig weg.

Nein, sie dachten in dieselbe Richtung wie ich, eindeutig.

„Was hast du ihm so Wichtiges erzählt?“, versuchte es Albrecht weiter. Fast war es, als würde er mit Gewalt versuchen, ein Gespräch ins Laufen zu bringen. Vielleicht herrschte wegen Marianne und Heinrich bereits wieder dicke Luft. „Sebastian?“

Ich riss mich von Papa los und wandte mich meinem Bruder zu. „Wie bitte?“

„Träumst du?“ Er grinste breit. „Ich habe gefragt, was du Max so Wichtiges erzählen musstest, dass er kaum Schlaf gefunden hat.“

„Maximilian“, mischte sich Tante Frieda ein. „So einen wunderbaren Namen darf man nicht abkürzen. Das wäre Frevel, und außerdem unhöflich.“

Maximilian winkte ab, bevor er nach dem Mozzarella am Tisch fasste. „Max ist vollkommen okay.“

„Das machen ungebildete Menschen heute so“, warf Marianne ein. Belehrend schaute sie zu Tante Frieda. „Daran musst du dich gewöhnen.“

Albrecht starrte Marianne mit offenem Mund an.

„Mutti, bitte“, flüsterte Mama gereizt.

Ich lag mit meiner Vermutung richtig. Marianne verstreute bereits wieder ihr Gift.

„Was ist denn, Maria? Was habe ich denn gesagt?“ Verwirrt sah sie sich um, als wäre sie unschuldig.

Maximilian schüttelte den Kopf, dann wiederholte er: „Max reicht vollkommen.“

Albrecht schloss endlich den Mund. „Wo war ich?“, fragte er.

„Was der Sebastian die ganze Nacht geredet hat.“ Magdalena stopfte sich eine Semmel mit Wurst, Käse, Ei und Tomaten hinein.

Frustessen nannte man das. Wahrscheinlich hatte sie schon wieder jemand auf die überschüssigen Kilos angesprochen. „Also?“, nuschelte sie, ohne runterzuschlucken – was sie hundertprozentig bewusst tat.

Albrecht fixierte mich. Er forderte mich stumm auf, zu antworten.

„Na ja … also …“ Ich linste zu Maximilian – Max.

„Wir haben darüber gesprochen, dass ich ihm schwimmen beigebracht habe und ihm manchmal vorlas“, sprang er ein, während er den Kornspitz aufschnitt und mit Mozzarellascheiben belegte.

Papa riss den Kopf herum. Sein Blick flog zwischen Max und mir hin und her. Er setzte zum Reden an, unterließ es dann aber.

Magdalena lachte laut. „Genau, wir waren schwimmen, während du auf Sebastian aufgepasst hast.“ Sie stopfte sich die Semmel erneut in den Mund und kaute hastig. „Du warst ja so ein Schisser!“

„Ich war drei!“, rechtfertigte ich mich.

„Und?“ Sie ließ die Semmel auf den Teller fallen und trank von ihrem Kaffee. „Meine Kinder sind zwei und vier, und sie schei…“ Sie hielt inne und lächelte zu den Mädchen. „Ihr habt nicht so viel Angst vor dem Wasser wie Onkel Sebastian.“

„Ach so?“, mischte sich Heinrich ein. „Sie haben Sebastian das Schwimmen beigebracht?“

Max nickte, während er eine Tomate in Scheiben schnitt. Konzentriert schlichtete er diese auf den Mozzarella. „Albrecht war damals in der Pubertät, er wollte lieber mit Freunden rumhängen, und Magdalena …“ Er schaute zu ihr. „Magdalena hatte nicht die Geduld und Ausdauer dafür.“

„Ich bin geduldig!“, verteidigte sie sich. „Er hat nur sofort geplärrt, wenn ihn ein wenig Wasser erwischt hat.“

„Das habe ich nicht!“, zischte ich über den Tisch. „Du hast mich nur ständig untergetaucht!“

„Geh!“ Sie winkte ab. „Du hast geschrien wie am Spieß, sobald dich ein Tropfen Wasser erwischt hat. Der Max hat dich mal Stunden herumgetragen und getröstet, weil du nicht mehr aufgehört hast.“

Ich blickte zu ihm. „Echt jetzt?“ Ich konnte mich nicht erinnern.

Er nickte. „Du hast tatsächlich wie am Spieß geschrien.“ Er griff nach einer Hälfte des Kornspitzes und legte ihn auf meinem Teller ab.

Fragend sah ich zu ihm. Was sollte das jetzt? Warum bereitete er Frühstück für mich?

„Das wussten wir gar nicht“, mischte sich Mama in das Gespräch ein, „dass Sie … du Sebastian das Schwimmen beigebracht hast. Wir dachten immer, das war Albrecht.“

„Albrecht war um die 17, der hatte andere Dinge im Kopf.“ Magdalena grinste breit.

Mama schmunzelte, bevor sie unsicher zu Marianne und Heinrich blickte, die dem Gespräch argwöhnisch lauschten.

„So verantwortungsbewusst waren Sie, Maximilian?“, wechselte Tante Frieda das Thema. „Sie müssen doch damals auch noch jung gewesen sein. So alt sehen Sie nämlich nicht aus. Der Albrecht wirkt viel älter.“

Magdalena begann zu kichern, während Albrecht ein gezwungenes Lächeln aufsetzte und Tante Frieda über den Tisch mit der Kaffeetasse zuprostete.

Mann, Mann, Mann! Es war noch nicht einmal neun Uhr, aber alle waren bereits gereizt. Bis zum Abendessen würden wir uns anschreien.

„Ich war um die 20“, antwortete Max ruhig.

„Der Albrecht und die Magdalena waren aber auch sehr verantwortungsbewusst. Beide waren sie das. Wir konnten ihnen Sebastian bedenkenlos mitgeben, schon als Säugling. Nicht wahr?“ Mama stieß Papa in die Seite, damit er ihr recht gab. Sie wollte wohl nicht auf ihr sitzen lassen, dass ihre Kinder kein Verantwortungsbewusstsein hätten. „Er war erst drei Monate, da habe ich ihn zum See mitgegeben.“ Mama schaute Tante Frieda voller Stolz an. „Der Albrecht war selbst kaum vierzehn, und die Magdalena zwölf. Aber sie haben schön auf ihn aufgepasst und sogar mehrmals gewickelt.“

Albrecht nickte, dann murrte er: „Na ja, eigentlich hatten wir da auch Hilfe von Max.“

Mama glotzte zu uns, Papa fiel die Kinnlade nach unten.

„Er hat uns geholfen“, erklärte Magdalena. „Du konntest voll gut mit Kindern – und du hast ihm die Pampas auch richtig rum angezogen.“ Sie lachte.

„Schau!“, sagte Oma da in einem Ton, dass wir alle aufhorchten, und zeigte von Max zu mir. „Da hat dir der Herr von Birkheim damals den Popo gepudert. Ein von Birkheim – dir!“

Albrecht verschluckte sich an seinem Kaffee und hustete, Magdalena prustete lauthals los, während ich nach dem Loch Ausschau hielt, in dem ich verschwinden konnte.

„Was lachst du denn so blöd?“, fragte Oma nichts ahnend und beäugte Magdalena.

„Nix, nix!“ Sie gluckste dämlich.

„Der Maxssi-ilian hat dir den Popo gepudert?“, wiederholte Clara die Aussage und stolperte regelrecht über Max’ Namen.

Nun begannen auch Marianne und Tante Frieda zu lächeln. Heinrich schmunzelte leicht.

Super, ich wollte sterben!

„Nein, Clara“, ergriff zum Glück Horst das Wort, der als Einziger den Witz auf meine Kosten nicht lustig fand. „Der Sebastian war damals noch ein Baby, und der Maximilian hat ihn gewickelt.“

„Früh übt sich“, schob Albrecht leise hinterher und zwinkerte mir zu.

Mein Blick wanderte automatisch zu Papa, der seinen Teller fixierte. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, fand er die doppeldeutigen Sätze nicht zum Brüllen.

„Das hast du von deinem Großvater geerbt“, mischte sich Opa ein, nachdem er sich mit dem Handrücken über den feuchten Mund gewischt hatte. „Der alte Birkheim, also dein Opa, der war ein guter Mensch. Man hat alles von ihm haben können – er hat auch immer geholfen. Meine Güte, hat sich der damals gefreut, als deine Schwester und du gekommen sind.“

Maximilian lächelte. „Ich kann mich an meinen Großvater leider nicht erinnern. Ich war nicht einmal zwei, als er starb.“

Opa winkte ab. „Ja, ich weiß.“ Er mümmelte nachdenklich. „Aber der war auch so wie du … auch so groß und stark.“ Er ballte die Fäuste und richtete sich im Stuhl auf. Vermutlich wollte er Maximilians Körperbau andeuten. „Auch charakterlich bist du wie er. Still, ernst, aber lustig drauf. Der hat lachen können …“ Opa schlug mit der Faust auf den Tisch, dass das Geschirr schepperte.

Tante Frieda zog sofort die Nase empört hoch. „Nicht so brutal! Wird ja das Porzellan kaputt!“

Er schaute zu ihr, dann meinte er: „ Ein bisserl 13 Humor würde dir auch guttun. Sonst bleibt dir irgendwann dein Gesicht stecken!“ Er zog mit den Fingern die Haut an seiner Stirn nach vorn, damit sich extra dicke Falten bildeten. „Dann schaust du aus wie ein Faltenschwein.“

„Ein was?“, rief Tante Frieda.

„Ein Hängebauchschwein, meint der Opa“, übersetzte Magdalena mit einem höhnischen Grinsen.

Tante Frieda riss wortlos den Mund auf. Marianne und Heinrich warfen sich entrüstete Blicke zu. Albrecht hatte schon wieder einen Hustenanfall.

„Also, wir haben früher an Weihnachten nicht so viel gegessen“, wechselte Marianne hastig das Thema und nahm dafür ein Streitgespräch auf. „Bei uns wurde zu Weihnachten gefastet. Erst am Abend gab es dann das Festtagsmahl.“

„Ja, aber warum denn?“, fragte Oma ahnungslos. „Ihr wart doch reich, ihr hättet euch das doch leisten können.“

„Weil wir gemäßigte Menschen waren“, gab Marianne eine spitze Antwort. „Völlerei, meine Liebe, ist eine Todsünde.“ Sie blickte zu Opa, der sich ein Briochekipferl mit Butter und Honig in den Mund schob. Durch sein Zittern rann ihm der Honig über die Finger.

„Todsünde“, wiederholte Oma. „Es wäre eine Sünde, wenn wir das Ganze wegschmeißen würden!“ Sie überflog den Tisch. „Außerdem sind die Kinder da, die haben Hunger! Und der Herr von Birkheim erst.“ Vorwurfsvoll schaute sie zu Marianne. „Der ist ja so groß, der braucht was zum Essen ... Fasten!“ Sie schüttelte den Kopf und faltete die Hände wie zu einem Gebet. „Wir fasten vor Ostern, das reicht.“

„Ja, das ist auch gut, aber ein wenig Mäßigung würde allen guttun, nicht nur zu Ostern.“ Marianne blickte einen nach dem anderen belehrend an. „Fett lässt nämlich die Arterien verkalken.“ Sie tippte Omas Hände mit den Fingern an. „Und Sie wollen doch noch länger leben, oder?“

„Mutti, bitte!“, flehte Mama abermals.

Oma schüttelte sich. „Jetzt bin ich sprachlos …“

Sofort warf Opa die honigverschmierten Hände in die Luft und rief: „Dass ich das noch erleben darf!“

Blitzartig fasste Oma mit den Fingern nach einem Stück Schinken und warf es Opa auf den Teller. „Iss!“

„Aber genau das soll er doch nicht machen“, erklärte Marianne erneut.

„Mutti!“, zischte Mama über den Tisch. „Lass es!“

„Und wie feiern Sie Weihnachten, Maximilian?“ Tante Frieda hatte wohl Erbarmen, mit wem auch immer. „Sind Sie gar nicht bei der Familie?“

Max aß das letzte Stück seines Kornspitzes und kaute nachdenklich. Nachdem er geschluckt hatte, meinte er: „Nein, wir feiern Weihnachten nicht mehr.“ Als er die Stille im Raum bemerkte, schob er hastig hinterher: „Früher schon, aber … meine Eltern … wir wollen dieses Spektakel nicht mehr.“

„Verstehe!“, murmelte Tante Frieda, obwohl sie es mit Sicherheit nicht verstand. Weihnachten war Weihnachten, selbst für sie war das ein Pflichttermin, an dem sich die ganze Familie zusammenhockte.

„Passt“, mischte sich Opa wieder ein. „Damit kannst du mit uns feiern.“ Er grinste, der Honig hing sogar auf seinem Kinn. „Deinem Großvater hätte es bei uns gefallen, der hat trinken können.“ Er lachte polternd. „Meine Güte, der hat die Schnapserl 14 hinuntergestürzt wie andere Wasser.“ Er überlegte kurz. „Nur deine Großmutter hat das nicht so gern gesehen. Die war eine Feine – eine Dame .“

Maximilian schmunzelte, bevor er zu mir blickte. „Iss!“, forderte er mich auf wie Oma eben Opa, weil ich noch immer nichts von dem Kornspitz gegessen hatte.

„Wie machen wir das nachher eigentlich mit dem … Christkind ?“, fragte Oma zusammenhanglos. Die Mädchen horchten sofort auf.

„Ach, wir werden ein wenig Schlittenfahren gehen, damit die Zeit schneller vergeht“, erläuterte Magdalena.

Wie jedes Jahr wurden die Kinder abgelenkt, indem jemand mit ihnen etwas unternahm. Schlittenfahren, Eislaufen, auf dem Kirchplatz die Weihnachtskrippe ansehen. Hauptsache Papa und Opa hatten genug Zeit, um in der Zwischenzeit den Baum im Wohnzimmer zu schmücken. Wenn die Mädchen zurückkamen, war das Wohnzimmer tabu. Das Christkind brauchte absolute Ruhe und Konzentration, um alles für den Abend vorzubereiten. Natürlich versuchten sie – und früher auch Albrechts Jungs – einen Blick ins Wohnzimmer zu riskieren, aber irgendjemand aus der Familie fing sie immer im rechten Moment ab.

„Kommen Ssebasstian und Maxssiilian auch mit?“, fragte Clara.

„Jaa!“, rief Lydia und klatschte in ihre kleinen Hände.

„Ich …“, begann ich, weil ich normalerweise zu Hause half.

„Ich wollte ohnehin zu mir zum Haus hochfahren, nachschauen, ob alles passt. Dort können wir zur …“, Max sah zu Opa, „ Sunnleit’nwies’n 15 ?“ Opa grinste und nickte. „Wir können zur Sunnleit’nwies’n gehen, wenn ihr wollt.“

„Darf Hermesss mit?“ Clara lächelte zu Max, als wäre er ihr Held des Tages.

„Sicher!“ Er griff nach einer Semmel und schnitt sie entzwei.

„Aber den Sebastian brauche ich zu Hause“, meldete sich Papa zum ersten Mal zu Wort. Sein Ton klang gereizt.

„Ich kann das auch machen, dann kann mein Brüderchen mit den Mädels Schlittenfahren gehen“, bot Albrecht an.

Doch Papa schüttelte sofort den Kopf. „Nein!“, grölte er über den langen Tisch. „Der Sebastian bleibt da!“

Albrecht blickte von mir zu Max, dann nickte er. „Bitte, dann halt nicht!“

„Ssade“, lispelte Clara, grinste aber.

„Morgen vielleicht“, sagte ich zu ihr. „Ja?“

Die Mädchen lachten.

Unsicher linste ich erneut zu Paps, der seit Sekunden sein Frühstück am Teller hin und her schob. Ging es noch immer um Max? Oder lag es an den schwulenfeindlichen Vorwürfen von gestern?

„Für was brauchst du mich?“, fragte ich ihn, weil ich unerwartet den Drang hatte, mich zu wehren. Wenn er ein Problem mit mir hatte, sollte er endlich mit der Wahrheit herausrücken. Er sollte am besten vor allen sagen, was er über mich dachte.

Papa glotzte zu mir. Er konnte mich nicht lange ansehen. „Für die Weihnachtsbeleuchtung.“

Weihnachtsbeleuchtung? Ich schnaubte leise. „Du weißt aber, dass ich zwei linke Hände habe, was handwerkliche Sachen betrifft?“ Ich fixierte ihn. Seine Kiefer pressten sich wütend aufeinander. Er wusste, dass ich ihn aufstachelte.

„Da hat er leider recht“, ergriff Magdalena Partei für mich. „Er ist in diesen Sachen wie die klassische Frau. Selbst ich kann besser mit einem Schraubenzieher umgehen.“

„Er hat andere Qualitäten“, schob Albrecht hinterher.

„Ja, eh, ich meinte ja nur …“ Magdalena hatte es nicht böse gemeint, das wusste ich. Sie hatte ja recht, ich war eine Niete in solchen Dingen.

„Er hat bereits blaue Finger“, unterstützte mich auch Max, goss aber unbewusst Öl ins Feuer. Oder bewusst. Ich war mir nicht sicher, ob er Papa nicht provozieren wollte.

„Der Sebastian bleibt da!“, rief Paps und schlug mit der Faust wie Opa zuvor auf den Tisch – nur aus anderen Gründen. Mama schob nervös die Orangensaftkaraffe am Tisch zurecht.

„Deshalb musst du ja nicht laut werden“, schoss Albrecht im selben Ton zurück. „Aber der Max hat recht, er hat schon blaue Finger …“ Albrecht zeigte auf meine verletzte Hand von gestern.

„Lass gut sein“, murmelte ich. „Darum geht es nicht.“ Ich wandte mich wieder zu Papa. Die Tränen fochten einen Kampf mit mir aus. „Nicht wahr, Papa ?“

Er sah zu mir. Alle starrten ihn an und erwarteten eine Antwort. Ich war mir nicht sicher, ob ich einem Wutausbruch gewachsen war, aber irgendwie reizte er mich.

„Häschen, möchtest du die zweite Hälfte meiner Semmel?“, sagte Max in die Stille hinein, sodass ich mir schlagartig sicher war, dass er es bewusst tat. Er wollte Papa herausfordern. Obwohl er keine Ahnung hatte, um was es genau ging, hatte er eins und eins zusammengezählt.

Marianne und Heinrich blickten Max mit offenem Mund an, Mama wischte die Brösel vom Tischtuch und Papa funkelte Max an.

Ich schluckte und bereute meine Worte. Ich war so etwas am Arsch, dass es auf keine Kuhhaut mehr passte. Warum mischte Max sich ein? Und warum war ich schon wieder das Häschen?

Zum Glück klingelte es an der Haustür, womit Papa einen Grund fand, aufzuspringen und wütend das Esszimmer zu verlassen.

„Häschen?“, flüsterte Albrecht über den Tisch zu Max. „Tu mir einen Gefallen, und halt’ dich ein wenig zurück. Zumindest eine Zeit lang.“

„Leck mich“, brummte Max und legte mir die zweite Hälfte seiner mit Käse belegten Semmel auf den Teller. „Iss endlich, oder ich füttere dich. Du hast zu viel gekotzt in letzter Zeit.“

Ich seufzte laut, dann nahm ich die Semmel und biss ab. Ich hatte nicht den Nerv mich wieder mit Max zu streiten. Dieses Problem hatte ich zum Glück heute Nacht beseitigt.

„Gekotzt?“ Magdalena sah mich verwirrt an. „Was verstehe ich nicht?“

„Nicht jetzt“, wisperte ich mit vollem Mund.

„Haben wir ein Licht?“, grölte Papa vom Vorbau herein.

„Nein!“ Mama zeigte zur Kommode. „Da steht die Laterne. Geh, Sebastian, bitte geh!“

Ich warf die Semmel auf den Teller und eilte zur Kommode. Wie jedes Jahr brachten Freiwillige an Heiligabend das Friedenslicht, das ein Kind aus Bethlehem geholt hatte. Es wurde immer am Bahnhof aus dem Zug gegeben, wo es die Feuerwehr entgegennahm und danach im Ort verteilte.

Warum Mama ausgerechnet mich Papa hinterherschickte, war mir ein Rätsel. Wir würden heute noch ernsthaft zu streiten beginnen, wenn er so weitermachte.

Oma latschte an mir vorbei aus dem Esszimmer. „Warum haben wir kein Licht?“, redete sie mit sich selbst.

Ich folgte ihr hastig, weil ich Schlimmes ahnte, aber da ging sie schon zum Schalter für die Hoflampe und knipste sie an. Kontrollierend schaute sie zur offenen Tür hinaus, wo Papa mit zwei Feuerwehrmännern wartete. „Sicher, wir haben eh Licht.“ Sie zeigte zur Lampe an der Hausmauer, die nun brannte.

Papa glotzte sie an, als hätte sie der Blitz getroffen, dann blickte er zu den beiden Männern. „Da stimmt es auch nicht mehr.“ Er wedelte mit der Hand vor seinem Kopf, bevor er mir die Laterne abnahm und sie an die Feuerwehrmänner weiterreichte.

Ich flüchtete in die Küche, weil ich nicht anders konnte. Lachend ließ ich mich auf der Eckbank nieder. Oma folgte mir und setzte sich auf die andere Seite. Sie hielt sich die Hand vor das Gesicht, lachte aber wie ich.

Draußen hörte ich die Tür ins Schloss fallen. Papa sah kurz zu uns in die Küche und schüttelte den Kopf. Dann ging er mit dem Friedenslicht zurück ins Esszimmer.

„Ihr werdet nicht glauben, was die Mami gerade gemacht hat“, hörten wir ihn bis zu uns herüber. „Die schaltet die Hoflampe an, um zu schauen, ob wir ein Licht haben.“

„Oma!“, schrie Magdalena und prustete los.

„Meine Güte, ist die blöd!“, krähte Opa. „Und so was ist meine Frau!“

„Peinlich ist das“, fügte Papa hinzu. „Wisst ihr, wie ich mich geschämt habe?“

Magdalena lachte erneut los, Albrecht fiel mit ein.

„Ich schäme mich erst“, gestand mir Oma und begann abermals zu lachen.

***

Max brach nach dem Frühstück zu seinem Haus auf. Magdalena und Horst wollten zunächst mit den Kindern nachkommen, aber Clara und Lydia bestanden darauf, bei Max im Wagen mitzufahren. Schließlich lag auf der Rückbank Hermes. Nach etwaigen Diskussionen wurden die Kindersitze ummontiert, Hermes wie ein Wachhund in die Mitte platziert und dann ging es los. Magdalena und Horst strahlten wie ein Honigkuchenpferd, weil sie die Kinder für wenige Minuten loshatten. Max nahm es gelassen. Er verstand sich mit Kindern, er konnte mit ihnen umgehen – wie wir alle seit dem Frühstück wussten.

„Wenn Papa will, dass du ihm im Garten bei der Beleuchtung hilfst, rufst du mich“, sprach Albrecht, während wir die Spülmaschine mit dem Frühstücksgeschirr füllten.

Ich nickte. „Danke.“

„Schon okay. Er hat dich dafür schließlich noch nie gebraucht.“ Hastig sah er sich um, ob wir Zuhörer hatten. „Hast du das gestern gemeint?“

Ich biss die Zähne aufeinander und nickte erneut. Schon wieder traten Tränen in meine Augen. Seit gestern war ich ziemlich nah am Wasser gebaut.

„Hm … So hat er sich doch nie aufgeführt“, murmelte Albrecht und spülte die Kaffeetassen vor. „Ist irgendwas vorgefallen?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, nichts … Er benahm sich komisch seit dem Moment, als er erfuhr, dass Max und ich uns irgendwie kennen. Als wir zum Birkheim-Haus fuhren, meinte er, es gäbe Gerüchte im Dorf über Max …“ Ich schluckte trocken. „Ich denke, die wissen hier, dass er schwul ist, weil Traudi mich deshalb gestern auch angequatscht hat.“ Ich rollte mit den Augen. „Das ganze Kaff weiß, dass er während der Feiertage bei uns ist – und weißt du, was die sagen?“ Ich blickte Albrecht gereizt an. „Dass er sich an mir vergeht!“

Albrecht hielt in der Bewegung inne und starrte mich mit offenem Mund an. „Was?“

„Irmi schleicht durch die Gegend, um aufzupassen !“ Ich schnaubte. „Traudi hat mich gestern gewarnt, ich solle sofort zu Papa gehen, wenn er mich anfassen würde – weil ich der Typ für so etwas wäre!“

Albrecht fiel die Kinnlade bis zum Boden. „Wie blöd sind die eigentlich?“, knurrte er nach wenigen Atemzügen und spülte weiter.

„Frag mich nicht …“ Ich nahm die Tassen an, die er mir reichte, und schlichtete sie in den Geschirrspüler. „Hoffentlich bleibt Traudi, wo der Pfeffer wächst.“

„Die kommt sicher.“

„Dann bin ich nicht da! Mich fängt alles an zu nerven. Ich hätte nie zustimmen sollen, hetero zu sein.“

Albrecht sah mich von der Seite an. „Du möchtest dich outen? Also öffentlich?“

„Ja, nein …“ Ich sog die Luft tief ein. „Wenn ich Pech habe, setzt mich Papa hochkant vor die Tür! Der kommt nämlich nicht klar damit – oder warum denkst du, ist er beim Frühstück ausgeflippt? Na, sicher nicht, weil Marianne oder Heinrich ihn reizen. Sondern weil Max da ist – und weil er und ich schwul sind.“ Ich warf die Hände ärgerlich in die Höhe. „Klar, da sind zwei Schwule im gleichen Haus – da läuft sicher etwas.“

Albrecht musterte mich. „Läuft denn etwas?“

Ich sah ihn scharf an. „Fängst du schon wieder an?“

„Na ja, du musst zugeben … Warum hat der eigentlich eine geschwollene Nase?“

Ich winkte ab. „Ach, das war ein Unfall … und da läuft nix!“

„Hm.“ Albrecht überlegte angestrengt, dann murrte er: „Dafür, dass nix läuft, verteidigt er dich aber ganz schön … Häschen .“

Ich biss mir auf die Unterlippe. „Er ist 17 Jahre älter als ich!“

„Und? Das stört Max sicher nicht.“

Ja, aber mich vielleicht.

„Tu nicht so, als würde es dich stören. Manchmal glotzt du ihn an, als würdest du ihm gleich die Kleider vom Leib reißen ...“

Ich hielt den Atem an, dann zischte ich: „Ach, leck mich!“ Wütend drehte ich mich um und wollte gehen, aber Albrecht hielt mich am Arm zurück.

„Dasselbe hat Max heute Morgen auch schon zu mir gesagt. Was ist denn los mit euch?“ Seine Augen flogen über mein Gesicht. „Warum fühlst du dich von mir angegriffen?“

„Ich …“ Erneut schossen mir die Tränen in die Augen. Reflexartig zog ich meinen Arm aus seinem Griff und nahm die Hände vor das Gesicht. „Mir wird das zu viel …“, wisperte ich. „Ich will nicht mehr so tun, als wäre ich hetero.“

„Musst du ja nicht.“

„Doch …“ Ich linste zu ihm. „Mama und Papa verlangen das. Die würden nicht klarkommen, wenn ich …“ Ich unterbrach mich und schniefte leise. „Selbst Magdalena hat es Horst nie gesagt …“

Albrecht seufzte. Mehrmals nahm er die Hände hoch, weil er nicht wusste, ob er mich umarmen sollte oder nicht. „Soll ich mit ihnen reden?“

„Wozu denn?“, fragte ich und lehnte mich an die Küchenzeile.

„Mama und Papa lieben dich.“ Albrecht strich über meine Oberarme.

„Ja“, hauchte ich. „Ich weiß. Aber lieben sie mich genug, für den Fall, wenn sie ihr Gesicht verlieren? Wenn es ihm Dorf die Runde macht?“ Ich wischte über meine Wangen. „Du hättest Traudi hören sollen … Was, wenn sie erfährt, dass ich schwul bin? Wird sie dann dasselbe über mich sagen?“

„Traudi … Traudi ist eine alte Tratschtante, sie …“

„Ja, und genau da fängt es an. Wenn Traudi es weiß, wissen es alle im Dorf.“

An der Tür klingelte es schon wieder. Dem Schlurfen nach zu urteilen ging Oma zur Tür. Sekunden später schnatterte sie aufgeregt: „Ja, Traudi! Bist du schon da? Du auch?“

„Wenn man vom Teufel spricht …“, meckerte ich.

Albrecht rollte die Augen. Aus dem Vorhaus erklang Gelächter, Paps, der dumme Witze riss. Traudi war mit ihrem Mann da. Sepp – Vorstand des Schützenvereins, Kegel- und Eisstockschießklubs sowie Gemeinderatsmitglied. Traudi und er waren wie die Tageszeitung des Ortes, die mehrmals pro Stunde erschien und telefonisch verbreitet wurde. Wenn Traudi und Sepp von mir erfuhren, war ich am Arsch – wir alle waren am Arsch.

„Wir haben uns gedacht, wir kommen kurz vorbei, wo ihr gerade alleine seid ...“ Traudi lachte unnatürlich auf. „Der Birkheim ist ja eben weggefahren.“

„Wie ich sagte: Die beobachten unser Haus!“, beklagte ich mich bei Albrecht.

Er blickte mich erstaunt an. „Das ist doch …“

„Scheiße, ja!“

„Da habt ihr schönes Pech gehabt mit dem. Ausgerechnet so ein Warmer …“, kam Sepp im Vorhaus auf den Punkt. Der Kloß in meinem Hals wuchs ruckartig an. „Es reden schon alle im Dorf über ihn – und dass ihr ihn über die Feiertage aufnehmen musstet.“

„Wer?“ Oma zog das Wort neugierig in die Länge.

„Ja, das war Pech“, pflichtete Paps bei, ohne auf Omas Frage einzugehen. „Aber irgendwohin musste er ja …“

Ich sog die Luft laut ein, dann sah ich vorwurfsvoll zu Albrecht. „Siehst du?“ Ich stieß den Atem wieder aus. „Ich kann so nicht weitermachen. Ich will auch nicht.“

Albrecht nickte stumm, dann trat er ins Vorhaus. „Gibt es schon wieder neue Gerüchte?“ Er lachte zynisch. „Hat eigentlich keiner von euch wenigstens zu Weihnachten etwas Wichtigeres zu tun, als sich über andere den Mund zu zerreißen?“

Ich trat langsam neben ihn und lehnte mich gegen die Kommode. Müde betrachtete ich zuerst Mama, dann Papa, der mich perplex anschaute. Wahrscheinlich hatte er nicht erwartet, dass ich in der Nähe war. Unruhig kratzte er sich am Kopf. Mama wischte sich über die Bluse. Das Wort Warmer schwebte unausgesprochen im Raum zwischen uns.

„Gerüchte?“ Oma sah Albrecht wissbegierig an. „Was weiß ich nicht?“

„Du weißt alles, Mami!“, maulte Papa. Nach wie vor juckte sein Schädel.

„Alles!“, mischte sich Traudi ein und winkte ab. „So sind’s die Männer, gell, Frau Lindner! Ein paar Dinge gibt es immer zu erzählen.“

Oma nickte eifrig. Ihre trüben Augen leuchteten auf. Vermutlich plante sie bereits wie und wann sie das Buschfeuer entzündete.

„Was denn?“, meinte ich zu Traudi. „Dass es Warme im Dorf gibt?“ Ich blickte anklagend zu Mama und Paps. „Dass es mehr als einen im Ort gibt?“ Keine Ahnung, warum ich das sagte, warum ich mich selbst ins Verderben stürzen wollte, aber ich hatte es satt. Nicht zu wissen, ob ich in wenigen Tagen noch zur Familie zählte, zehrte an mir. Papas Ablehnung mir gegenüber schmerzte so sehr, dass ich am liebsten in Tränen ausgebrochen wäre. Warum passierte das hier? Ich hatte mich vor elf Jahren geoutet – und alle hatten es nach wenigen Tagen Schockzustand geschluckt. Und plötzlich ging es von vorn los? Nach all den Jahren wurden sie doch noch schwulenfeindlich?

„Wieso? Wer denn noch?“, fragte Traudi, ohne den Vorwurf in meiner Stimme erkannt zu haben.

Ich starrte zu Mama, die ihre Bluse mittlerweile regelrecht straffte, dann zu Papa, der mich nur anstierte. In seiner Mimik lag Wut, dieselbe Wut wie gestern Morgen, als er die Maske hatte fallen lassen.

„Wer denn?“, wiederholte Traudi.

„Ja, wer?“ Oma watschelte zu mir. „Ich kenne die Familie gar nicht. Wie heißt die? Warmer?“

„Geh, Frau Lindner!“ Sepp lachte polternd und legte die Winterjacke ab. „Das ist keine Familie. Sondern ein Warmer! Das ist, wenn ein Mann einen jungen Burschen angeht!“ Er schrie so laut, als wäre Oma schwerhörig.

Ich presste getroffen die Kiefer aufeinander. Scheiß Vorurteile – scheiß Unwissen – scheiß Dummheit.

Oma runzelte nachdenklich die Stirn und schaute von Sepp zu Mama, dann hängte sie sich bei mir ein. Für Sekunden hoffte ich, dass sie sich an mein Outing vor elf Jahren erinnerte, weil ihr Handeln dann Zuspruch gewesen wäre, aber sie tat es wohl nur, weil sie unsicher auf den Beinen stand.

„Versteh ich nicht“, plapperte sie ahnungslos. „Was hat das mit dem Herrn von Birkheim zu tun?“

„Na, das ist auch so einer“, flüsterte Traudi, als könnte sie irgendjemand hören und sie für die Beschuldigung bestrafen. Als wüsste sie, dass sie etwas Unrechtes tat.

„Was ist er?“ Oma blickte von Traudi zu Sepp. „Ihr redet nur Müll! Ich kenne mich gar nicht mehr aus.“ Mit gerunzelter Stirn blickte sie der Reihe nach alle an.

„Müssen Sie ja nicht, Frau Lindner“, antwortete Traudi lächelnd. „Ist besser so, wenn Sie nicht alles mitbekommen.“ Sie nickte bestätigend. „Manche Sachen sind zum Schämen.“ Wie Sepp zog auch sie den Mantel aus.

Oma musterte sie, dann wandte sie sich an mich. „Erklär mir das nachher in Ruhe. Die redet ja nur Blödsinn.“ Sie zwinkerte und deutete mit den Fingern ein Glas an, dessen Inhalt sie sich hinunterkippte – natürlich als Traudi wegsah und den Mantel in die Garderobe hing. „Ich glaube, die trinkt heimlich.“

Unter normalen Umständen, hätte ich zu grinsen begonnen, doch nicht jetzt. Die Situation war viel zu ernst.

„Gehen wir in die Küche – für einen Kaffee“, schlug Mama vor und fand endlich wieder ihre Stimme. „Im Wohnzimmer sind meine Eltern und die Frieda.“

Traudi marschierte sofort los. Als sie an mir vorbeikam, hielt sie an und fragte: „Bei dir ist alles in Ordnung?“

Ich nickte nur, ohne etwas zu sagen. Ich wusste, was sie meinte.

„Warum sollte es ihm nicht gut gehen?“, blaffte Albrecht, weil er die Lunte irgendwie roch.

„Na, weil …“ Sie sah sich hektisch um, bevor sie sich die Hand vor den Mund hielt und tuschelte: „Na, weil dieser Birkheim ihn doch … anfassen könnte. Sebastian ist ja so ein ruhiger Bursche. Er kann sich gegen das Mannsbild doch gar nicht wehren.“

Wenn ich gedacht hatte, dass Albrecht nicht mehr erstaunter sein konnte, hatte ich mich geirrt. Bis jetzt war ihm die Kinnlade nur bis zum Boden gefallen, jetzt durchbrach sie diesen und landete im Keller. „Siehst du?“, hauchte ich, weil meine Stimme keinen Halt finden wollte. „Das ist meine neue Welt.“ Ich linste zu Mama, die Traudis Worte mit Sicherheit gehört hatte. Sie stand schließlich nicht weit entfernt. Wahrscheinlich hatten es alle im Vorraum gehört. „Ich habe Kopfschmerzen“, brummte ich, reichte Omas Hand an Albrecht weiter und lief zur Treppe. Meine Knie zitterten, als ich die erste Stufe nahm.

„Weil du so dünn bist! Blass bist du auch!“, rief Traudi hinter mir. „Mitzi, du musst ihm etwas Anständiges kochen, damit er zunimmt. Der fliegt ja bald aus der Wäsche.“ Vergessen war Max. Jetzt hatte sie ein neues Thema gefunden.

„Sebastian“, raunte Albrecht.

Ich sah mich angeschlagen um. Seit Minuten kämpfte ich mit den Tränen. „Was ist?“

„Bleib!“

Ich schaute zu Mama, dann zu Paps. Beide senkten unruhig die Lider. Schämten sie sich für mich?

Ich schüttelte den Kopf. „Ich lege mich ein wenig hin.“ Meine Stimme brach. Hastig drehte ich mich um und rannte nach oben.

Von unten hörte ich Albrecht fauchen: „Ihr seid ja verrückt geworden, echt jetzt!“

***

Natürlich war meine Flucht umsonst gewesen, denn als Traudi und Sepp endlich gingen, rief Opa nach mir. Der Arme hatte wohl Marianne, Heinrich und Tante Frieda unterhalten – oder sie beleidigt, das wusste man bei ihm nie so genau. Auf jeden Fall brauchte er Hilfe im Wohnzimmer beim Christbaumkreuz. Papa kam nämlich im Garten mit der Weihnachtsbeleuchtung nicht voran, was daran lag, dass Tante Frieda zu den üblichen Beleuchtungen einen Rentierschlitten mitgebracht hatte. Niemand wollte den Weihnachtsmann, aber sie war so anstrengend gewesen, bis Papa nachgegeben hatte. Außerdem hatte sie an den vielen Verlängerungskabeln herumgewerkelt, womit der Stern am Dach nicht mehr funktionierte. Mir konnte das recht sein, denn ich hatte dadurch meine Ruhe und konnte Papa aus dem Weg gehen. Opa würde mich ob meiner Sexualität nicht nerven, wahrscheinlich, weil er es gar nicht mehr wusste, und Oma und Mama waren in der Küche am Kochen. Albrecht half Papa, also blieben nur noch Tante Frieda, Marianne und Heinrich. Erstere hatte den Eierlikör in der Minibar im Wohnzimmer gefunden, Letztere lasen in etwaigen Broschüren, die sie mitgebracht hatten – für den Fall, dass sie sich bei uns langweilen würden.

Ich seufzte, während ich den Baum mit einer Hand festhielt und mit der zweiten den Christbaumständer fixierte. Ging total leicht mit den blauen Fingern.

„Ist er gerade?“, keuchte Opa über mir. Er strengte sich sichtlich an, den über zwei Meter großen Baum festzuhalten. Immer wieder schmatzte er laut, weil er keine Zähne im Mund hatte.

„Ich schau gleich“, murmelte ich und schraubte den Ständer fest. Meine Finger schmerzten, aber ich ignorierte es. Es änderte ja nichts. Opa konnte sich nicht mehr so weit unten am Boden zusammenkauern, um das Christbaumkreuz festzuziehen, und Papa würde ich auf keinen Fall holen. Nur über meine Leiche würde ich das Gespräch mit ihm eröffnen. Es hatte sich ausgeredet. Dumm dazustehen, während Traudi und Sepp über Schwule lästerten, hatte mir eindeutig seine Position vor Augen geführt. Ebenso Mamas. Ich konnte auch nicht ewig viel einstecken – und jetzt war das Maß eben voll.

„Hält, ja. Fertig. Passt!“ Opa ließ unerwartet den Baum los, womit ich mit dem Gewicht sowie meinem Gleichgewicht kämpfte. Ich ächzte, befestigte die letzte Schraube und kroch unter dem Baum hervor.

„Hässlich ist er“, mischte sich Marianne ein, die sich von ihrer Broschüre getrennt hatte. „So ein Billigbaum, nicht wahr?“

„Billigbaum!“, motzte Opa, noch bevor ich reagieren konnte. „Unsere Christbäume sind alle natürlich, so wie Gott sie wachsen ließ.“ Er hatte in Schriftdeutsch gesprochen, was so viel hieß wie: Behaupte etwas anderes, und wir haben gleich Streit!

„Na ja, da hat sich die Natur aber ausgetobt“, konterte Marianne.

Ich musste zugeben, dass sie nicht ganz unrecht hatte. Der Baumstamm war mehrmals gebogen, auf einer Seite waren die Äste kürzer – und er hatte zwei Wipfel.

„Das verstehst du nicht, du mit deinem Plastikbaum jedes Jahr!“, maulte Opa beleidigt. Er war auf die selbst gezüchteten, unbehandelten Bäume wahnsinnig stolz.

„Kunstbaum, Herr Lindner, Kunstbaum nennt man das. Ganz in Weiß mit Glitter“, hörte ich Marianne erklären, während ich darüber nachdachte, auf welche Baumkrone wir den Stern und auf welche den Spitz setzten. Zumindest gab es heuer keine Diskussionen darüber, was überhaupt oben auf den Wipfel kam. Tante Frieda und Mama waren nämlich die Stern-Fraktion, während Papa, Opa und Oma auf den klassischen Spitz bestanden.

„Ganz in Weiß mit Glitter – ja, so schaust du aus!“ Opa verspottete Marianne eindeutig.

„Wie meinen Sie das, Herr Lindner?

Er blickte zu mir. „Na, ganz frisch ist die auch nicht mehr. Und ich hab’ gedacht, die Meinige ist blöd.“

„Opa“, hauchte ich, drehte mich aber weg, um mein Grinsen zu verstecken. Niemand wagte, so mit Marianne zu sprechen – außer Opa. Na ja, und Papa vielleicht … und Oma. Alleine, dass er sie duzte, während Marianne ihn mit Herrn Lindner ansprach, war ein Witz.

„Wenn’s wahr ist.“ Er schüttelte den Kopf.

„Früher hatten wir eine Blautanne, Mutti.“ Tante Frieda lächelte Marianne an, bevor sie zu Opa glotzte. „Eine ganz große.“ Ihre Augäpfel sahen unruhig im Raum herum, als könnte sie das Bild nicht stabilisieren – vermutlich zeigte der Eierlikör seine Wirkung.

„Eine Blautanne!“, wiederholte Opa. „Ja, so schaut ihr auch aus.“ Er drehte sich zu mir. „Du, Bub, holst du mir einen Pu-Tschino ?“ Er schmunzelte. „Mit Schokolade und einem kleinen Schnapserl drinnen.“ Er zeigte mit Daumen und Zeigefinger die Größe an. „Bei dem Publikum brauch’ ich Unterstützung. Ich fang’ derweil mit dem Schmücken an.“

Ich nickte wortlos und ging in die Küche. Es brachte ja nichts, sich zu sträuben. Opa würde erst Ruhe geben, wenn er seinen Pu-Tschino hatte. Nur das Schnapserl würde er sich selbst nehmen müssen. Ich würde mich sicher nicht mit Mama oder Oma anlegen. Wenn sie mich dabei erwischten, dass ich Opa Schnaps gab – vor dem Essen, vor der Mette, vor der Bescherung –, dann war die Hölle los, und ich hatte ein Problem mehr.

„Sebastian!“, rief Mama erfreut, als ich in der Küche erschien. Sie lief auf mich zu und legte mir einen Arm um die Mitte. „Möchtest du heute am Abend Kroketten zum Schweinsbraten?“

Ich schaute sie skeptisch an. Kroketten? Wie? Was? „Steht das Essen nicht fest?“ Normalerweise wurde nicht vom traditionellen Weihnachtsessen abgerückt. Seit ich denken konnte, gab es Schweinsbraten mit Kartoffeln und Semmelknödeln. Dazu mehrere verschiedene Salate. Als Vorspeise Frittatensuppe, als Nachspeise Bratäpfel mit Vanillesoße. Punkt. Daran wurde nicht gerüttelt, daran wurde nichts geändert. Zumindest in dieser Hinsicht waren Mama und Oma sich einig – wenn schon nicht bei der Zubereitung der Speisen.

„Sicher steht es fest, aber sag’ das der Mitzi.“ Oma hatte die Arme vor der Brust verschränkt und blickte trotzig auf den Tisch – was so viel bedeutete, wie: Wenn du nicht gleich das machst, was ich sage, dann gehe ich ins Bett für heute. Dann könnt ihr Weihnachten vergessen.

„Ähm …“ Skeptisch sah ich Mama an. „Wieso fragst du?“

„Na ja, so halt. Du hattest ja so viel Stress in letzter Zeit – und jetzt der Jobwechsel nach Weihnachten. Darf ich meinen Kindern nicht mal etwas Gutes tun?“ Nervös strich sie über ihre Bluse.

Etwas Gutes tun! Gewissen reinwaschen, wohl eher. Sie hatte ein schlechtes Gewissen wegen der verletzenden Worte von vorhin. Dafür warf sie sogar die Essensplanung weg, nur um mich zu versöhnen.

„Das macht es nicht besser, Mama“, sprach ich leise, löste mich aus ihrer Umarmung und schaltete den Kaffeeautomaten ein. Der Kloß in meinem Hals wuchs schon wieder unangenehm.

„Sebastian!“ Sie trat hinter mich und legte die Hände abermals um meine Mitte. „Ich mache sie dir gerne. Ich mache dir sogar Schnitzel, wenn du möchtest.“ Sie drückte mich, ihr Kopf legte sich auf meinen Rücken.

„Ich geh’ gleich ins Bett!“, zischte Oma von der Bank.

Mama seufzte, ignorierte sie aber. „Wirklich, Sebastian. Ich koche alles, was du möchtest.“

Ich stellte einen riesigen Kaffeebecher unter den Automaten und schaltete ein. Dann drehte ich mich um. Sie hielt mich nach wie vor fest, trat aber einen Schritt zurück, um mich ansehen zu können. „Noch mal, Mama: Das ändert nichts an eurer Meinung über mich. Nur weil du Kroketten machst, heirate ich noch lange keine Frau.“

So, es war heraus. Wenn sie mir etwas zu sagen hatte, sollte sie es direkt machen und nicht länger durch die Blume um Verzeihung bitten.

„Wer heiratet?“ Oma wurde um zehn Zentimeter größer. Neugierig schaute sie von mir zu Mama. „Mitzi, wer heiratet?“

„Niemand.“ Mama seufzte erneut. „Der Sebastian hat nur gemeint, dass er keine Frau heiratet.“

Oma zuckte mit den Schultern und fiel wieder in sich zusammen. Keine Neuigkeit, damit auch keine Aufregung. „Ja, wen sollte er auch heiraten? Gibt ja keine hier, die passt.“ Sie schnaubte. „Bring nur bloß keine aus der Stadt heim, die können nicht kochen. Deiner Mami hab’ ich über Jahre alles beibringen müssen, weil sie nichts konnte. Ein zweites Mal tu ich mir das nicht mehr an. Ich bin ja auch nicht mehr die Jüngste – irgendwann will ich auch meine Ruhe!“

„Die kannst du heute bereits haben, indem ich koche – und du dich ins Esszimmer verziehst“, schnauzte Mama sie an.

„Heute? Na, wirklich nicht. So weit kommt’s noch.“ Sie schlug mit der Faust auf den Küchentisch, dann zeigte sie mit dem Zeigefinger auf sich. „Ich koche meinem Mann und dem Gustl seit Jahren das Essen.“

„Du kochst nicht, du verkochst alles!“

Oma riss den Mund auf. Für Sekunden starrte sie Mama an, dann keifte sie: „Ich gehe ins Bett“ Sie erhob sich und wäre vermutlich gerne stürmisch abgezogen, alleine wegen des theatralischen Abgangs, aber sie war zu alt dafür, deshalb schlurfte sie gemächlich durch die Küche.

„Du kannst nicht ins Bett gehen! Es ist nicht einmal halb eins – außerdem ist heute Weihnachten!“

„Und? Das hindert mich nicht, schlafen zu gehen.“ Oma schlüpfte aus der Tür.

„Dann geh! Feiern wir halt ohne dich!“ Mama ließ mich los und verschränkte wütend die Hände vor der Brust – ähnlich schmollend wie Oma.

„Ja, das ist euch eh am liebsten!“ Oma steckte noch einmal den Kopf herein. „Los haben wollt ihr mich! Sterben soll ich schon!“ Sie wurde weinerlich. „Aber das eine sag’ ich euch – mich werdet ihr nicht los!“ Zornig schlug sie die Tür zu.

„Meine Güte, jetzt ist sie wieder auf der Welle.“ Mama rollte mit den Augen, dann sah sie zu mir. Sie musterte mich, bevor sie sanft über meine Wange strich. „Dünn bist du, Sebastian, und blass.“ Tränen traten ihr in die Augen. „Das vorhin war doch gar nicht böse gemeint, du warst auch nicht gemeint …“

„Doch, Mama. Wenn du und Papa nichts zu den schwulenfeindlichen Äußerungen sagt, dann seid ihr nicht besser wie die anderen im Dorf.“ Ich schloss für mehrere Herzschläge die Lider und holte tief Luft. „Ich werde mich nicht ändern, nur weil ihr es verheimlicht. Ich bin schwul, Mama.“

Sie schluckte nervös, dann griff sie nach meinen Händen. „Aber du wolltest doch selbst, dass es niemand weiß …“

„Ja, aber doch nicht, dass ihr es auch innerhalb der Familie verschweigt – dass du jedes Mal aufgeregt bist, wenn es um das Thema geht. Dass ihr mich verleugnet, wenn es drauf ankommt.“ Ich drückte ihre Finger. „Ich will so nicht weitermachen. Irgendwann will ich meinen Freund mitbringen können, ohne dass Papa mir droht und mich anbrüllt.“ Hilflos kaute ich an meiner Unterlippe herum.

Sie winkte ab. „Du kennst ihn. Zu Weihnachten ist er immer gereizt.“

Ich schüttelte den Kopf. „Das hat damit nichts zu tun.“ Ich drehte mich zu dem Kaffeeautomaten. „Der kann sich nur nicht damit abfinden, dass ich … Sex mit Männern habe.“

„Sebastian!“ Mama kicherte wie ein kleines Mädchen.

Ich drückte auf die Taste, um die Milch aufzuschäumen. Dann wandte ich mich wieder zu ihr und lehnte mich gegen die Anrichte. „Es ist doch so, oder?“

Sie strich unruhig mit den Fingern über die Küchenschrankplatte daneben. „Darüber haben wir nie geredet. Auch mit dem Albrecht und der Magdalena nicht.“

„Darum geht es auch nicht. Ich will nicht mit euch über Sex sprechen, sondern um …“

„Na ja“, fiel mir Mama ins Wort. „Wenn es unbedingt der Birkheim sein soll, dann …“ Sie zuckte mit den Schultern. „Dann soll er es halt sein. Er ist schließlich die beste Partie, die einer von euch nach Hause gebracht hat.“

„Mama!“, rief ich und griff mir an die Stirn. Begann das Theater mit Max schon wieder? Musste ich auch ihr erklären, dass zwischen uns nichts war?

„Ist doch so.“ Sie grinste. „Du musst zugeben, der Horst war ein Griff ins Klo – und die Karin?“ Mama schnaubte. „Die Gans lässt sich von meinem Albrecht scheiden!“

„Zum Streiten gehören zwei“, antwortete ich. „Albrecht hat sicher auch nicht alles richtig gemacht – und was Horst betrifft: Er hatte nie die Chance, zu zeigen, was er kann. Magdalena hat die Hosen an, auch wenn er sich manches Mal als Macho aufführt.“

„Ja, schon …“ Mama fasste wieder nach mir. „Wenn es der Herr Birkheim sein soll, dann …“ Sie schmunzelte. „Dann heißt du eben zukünftig Sebastian von Birkheim, das klingt doch schön, oder?“

Ich machte den Milchaufschäumer aus. Sebastian von Birkheim – das war wohl Mamas Art sich zu entschuldigen, in dem sie mich mit dem nächstbesten Mann verheiratete. Sie zog sofort Vorteile aus der nicht vorhandenen Verbindung. Das hätte sich Max auch nie gedacht, dass er ohne sein Wissen plötzlich einen Ehemann hatte.

„Wieder gut?“, fragte sie.

Ich nickte vorsichtig. „Ich will nicht, dass ich eines Tages nach Hause komme, und die Tür für mich verschlossen bleibt, nur … nur weil ich schwul bin.“

„Das wird niemals passieren!“ Sie umarmte mich. Mit erstickter Stimme wisperte sie: „Du bist und bleibst mein Kind.“

Ich blinzelte, weil mir schon wieder die Tränen kamen, dann erwiderte ich die Umarmung. Für Sekunden hielt ich sie fest, bevor ich jäh auflachte. „Du solltest Oma sagen, dass es doch keine Kroketten gibt.“

Sie löste sich von mir. „Nein, ich mache welche.“

„Das ist es nicht wert, Mama. Oma soll ihr traditionelles Essen haben.“

Sie atmete gereizt aus. „Bist du dir sicher?“

Ich nickte, wischte mir die Tränen weg und holte die Schokoflocken aus dem Schrank. „Opa will einen Schnaps in den Pu-Tschino .“

„Untersteh dich!“, zischte sie. „Der ist sonst vor dem Essen noch betrunken.“

„Ich weiß.“ Ich lächelte, dann nahm ich den Becher und ging zur Tür. „Ich hab dich lieb, Mama.“

„Ich dich auch.“